Gesellschaft | Bildung

Achammers Herzensanliegen

Das Bildungsgesetz geht in den Endspurt. Vorher wird noch einmal auf Facebook diskutiert. Mit den Kindergärtnerinnen würde Philipp Achammer lieber offline sprechen.

Seit über zwei Jahren läuft der vom damals frischgebackenen Bildungslandesrat Philipp Achammer ins Leben gerufene Bildungsdialog. Diskussion und Austausch mit allen am Bildungswesen Beteiligten – Lehrpersonen, Pädagogen, Kindergartenpersonal, Eltern, Schüler – dieses Anliegen steht dabei im Mittelpunkt, um die nötigen Voraussetzungen für ein Lehren und Lernen zu schaffen, um “Kindern und Jugendlichen eine qualitativ hochwertige Ausbildung zu gewährleisten”. So steht es in den offiziellen Papieren auf der eigens dafür eingerichteten Internetseite. In insgesamt 20 Treffen hatten die Interessierten die Möglichkeit, sich einzubringen. Nun geht der Bildungsdialog und das in dessen Rahmen konkretisierte Bildungsgesetz in die letzte Phase. Voraussichtlich am Freitag wird der von der Landesregierung am 22. März dieses Jahres genehmigte Gesetzentwurf zu Südtirols “Buona Scuola” behandelt. Landesrat Achammer erwartet sich eine heftige Debatte. Und muss gleichzeitig anderswo einen Brand löschen.


Debatten off- und online

Anerkennung von Bildungsguthaben, Aufnahme des Lehrpersonals, didaktische Kontinuität. Das sind die drei Schwerpunkte, auf deren Überarbeitung das neue Bildungsgesetz abzielt. Im Laufe des Bildungsdialogs und insbesondere in der jüngsten Vergangenheit hat sich die Diskussion aber auf zwei Details verlagert, wie Philipp Achammer sagt: die Dienstbewertungskomitees (die allerdings in der aktuellen Zusammensetzung ohne Beteiligung von Eltern und Schülern beibehalten wurden) und die kompetenzorientierte Bewertung. Vor allem zu letzterer erwartet sich der Bildungslandesrat eine hitzige Debatte im Landtag. Die Opposition wirft ihm vor, mit der “Abschaffung des Ziffernnotensystems” Gleichmacherei zu betreiben, die Freiheitlichen haben bereits einen entsprechenden Antrag im Landtag eingereicht, der dazu auffordert, von dieser Möglichkeit abzusehen. “Man nennt den Vorschlag 'linke Sozialromantik' und versucht mich in ein ideologisches Eck zu stellen. Aber das lasse ich mich nicht, denn die Vorwürfe sind allesamt Blödsinn”, kontert Achammer. Ihm gehe es schlicht und einfach darum, dem Anspruch nach individueller Förderung in der Schule auch durch ein geeignetes Bewertungssystem gerecht zu werden. “Gerade weil so viele unterschiedliche Kinder und Jugendliche in den Schulen sitzen, müssen sie auch indviduell gefördert und bewertet werden”, entgegnet Achammer dem Vorwurf der Gleichmacherei. Und verweist auf Finnland – jenes Land, das regelmäßig unter den PISA-Spitzenreitern zu finden ist: “Dort gibt es bis zur 7. Klasse keine Ziffernnoten.”

Gelegenheit, sich vor der Behandlung im Landtag ein letztes Mal zum Bildungsgesetz einzubringen, gibt es am morgigen Mittwoch. Nach dem Vorbild (auch) von Ministerpräsident Matteo Renzi wird sich Philipp Achammer gemeinsam mit Schulamtsleiter Peter Höllrigl in einem Live-Stream auf Facebook Fragen und Kritiken stellen. Wer eine solche loswerden will, kann auf der Facebook-Seite von Philipp Achammer einen Kommentar hinterlassen, sich über Twitter mit dem Landesrat in Verbindung setzen oder eine E-Mail schreiben. Achammer wird dann vor laufender Kamera darauf antworten. “Es haben mich vorab bereits Fragen per Mail erreicht”, verrät der Landesrat. Probleme damit, dass er sich mit einer solchen Aktion zu sehr exponieren könnte, hat er nicht. “Im Gegenteil, auch weil die Erfahrung des Bildungsdialogs gezeigt hat, dass der Vorschlag zum neuen Bildungsgesetz an Qualität gewonnen hat.” Der Termin für den Facebook-Live-Stream ist für morgen, 11. Mai, um 18.30 Uhr angesetzt.


Vom Computer auf den Platz

Eine Dreiviertelstunde früher, nämlich um 17.45 Uhr wird der Landesrat eine Begegnung einer etwas anderen Art haben. Für diese Uhrzeit haben die Mitglieder der Facebook-Gruppe “KAS Kindergarten Aktuell Südtirol” einen Flashmob auf dem Landhausplatz organisiert. “Für eine würdigere Arbeitssituation im Kindergarten”, schreibt die Initiativgruppe in einem offenen Brief an die Landtagsabgeordneten. “Wie sie sicher aus den Medien und den sozialen Netzwerken erfahren haben, ist die Arbeitsbelastung des Kindergartenpersonals dermaßen unerträglich geworden, dass sich die pädagogischen Fachkräfte entschlossen haben, massiv gegen eben diese zu protestieren”, heißt es weiter. Nicht unbemerkt ist die Gründung der Facebook-Seite sowie der rege Austausch dort bei Philipp Achammer geblieben. “Ich habe die Diskussion mitverfolgt und finde es gut und positiv, dass sich diese Gruppe gegründet hat”, sagt er. Er will die Sorgen des Kindergartenpersonals – unter anderem werden mehr Stellen und geregelte Arbeitszeiten verlangt – ernst nehmen. “Aber”, gibt er zu bedenken, “es ist wichtig, die Diskussion nicht nur online, sondern möglichst gemeinsam zu führen und sich auch an einen Tisch zu setzen”.

Die Situation in den Kindergärten – Platznot, Personalmangel und Überforderung – ist dem Landesrat bekannt. “Nicht erst seit dem Aufflammen der Diskussion auf Facebook”, will er klar gestellt wissen. Allerdings habe sie ihn in seiner Wahrnehmung bestärkt, “dass das Anliegen sehr stark ist”. Just am heutigen Dienstag hat die Landesregierung 24 zusätzliche Stellen für die deutschsprachigen Kindergärten genehmigt. Insgesamt umfasst das Stellenkontingent damit 1.328 Stellen (in den 56 talienischen Kindergärten sind es 490,5). Zusätzlich werden acht neue Kindergartensektionen geschaffen, vornehmlich im städtischen Bereich. “Es liegt uns sehr am Herzen, im Interesse der Kinder gute Rahmenbedingungen für die PädagogInnen zu schaffen”, unterstreicht Achammer. Bereits für kommende Woche sind weitere Gespräche mit den Gewerkschaften angesetzt. “Die Facebook-Gruppe ist nämlich nur eine Gruppe von Interessen wie viele andere auch”, so Achammer, der aber nichtsdestotrotz auch weiterhin das Gespräch mit den dort engagierten Personen suchen wird. Der Landesrat versichert: “Wir werden alles tun, um im Rahmen der Ressourcen, die jedoch nicht unbegrenzt sind, Lösungen zu finden.”