Der Anti-Schülmers
Neue Töne zur Eröffnung des Gerichtsjahres am Bozner Rechnungshof: Traditionell der Tag der großen Schülmers-Show, an dem der berühmt-berüchtigte Staatsanwalt in den vergangenen Jahren mit verbalen Rundumschlägen gegen seinen Lieblingsfeind Luis Durnwalder und die öffentliche Verwaltung für Schlagzeilen gesorgt hatte. Nun, da der Ex-Landeshauptmann nicht mehr im Palais Widmann, sondern vor Gericht sitzt und noch lebhaft in Erinnerung ist, wie sein Nachfolger Arno Kompatscher im Vorjahr angesichts von Schülmers Eröffnungsrede pikiert den Saal verließ, zeigte sich der Staatsanwalt bei der diesjährigen Zeremonie ungewohnt zahm. Er beschränkte sich in seiner Rede vorwiegend auf trockene Zahlen. 264 Ermittlungsverfahren wurden im abgelaufenen Gerichtsjahr eingeleitet, 398 Ermittlungen eingestellt. Als eines der Verfahren hob der Staatsanwalt die Haftungsklage gegen den ehemaligen Energielandesrat Michl Laimer hervor.
Das Fleisch zur Eröffnungszeremonie lieferte in diesem Jahr aber jemand anderer: Andrea Pallaver, Präsident der Bozner Anwaltskammer. Er nahm die Gelegenheit zum Anlass, seinen Kollegen vom Rechnungshof mehr direkt als indirekt die Leviten zu lesen. Nicht nur mit einer Anspielung auf den Fall Durnwalder, in dem er den Staatsanwalt an seinen Zick-Zack-Kurs bei der Anklage erinnerte. Vor allem aber thematisierte Pallaver ein Thema, das seit Jahren in der öffentlichen Verwaltung gärt: die Angst der Beamtinnen und Beamten, persönlich vom Rechnungshof belangt zu werden – und die daraus resultierende übermäßige Vorsicht und teilweise Entscheidungsschwäche in der Verwaltung. „Der Schaden, den eine handlungsunfähige öffentliche Verwaltung verursacht, ist weit größer als mögliche Schäden, die durch menschliche Fehler bei der Erfüllung der eigenen Aufgaben passieren können“, mahnte der Anwalt an. Sein Appell an Robert Schülmers: „In questo senso il ruolo della Corte dei Conti è anche quello di realizzare attraverso un’attività investigativa lineare e corretta quel valore aggiunto che va ad effettivo beneficio della popolazione e della società.“ Nun wird es spannend zu verfolgen, ob seine Worte im neuen Gerichtsjahr Widerhall finden.
"ein Thema, das seit Jahren
"ein Thema, das seit Jahren in der öffentlichen Verwaltung gärt: die Angst der Beamtinnen und Beamten, persönlich vom Rechnungshof belangt zu werden".
Das ist nicht nur eine Angst sondern es gibt konkrete Fälle. Der Unterschied zwischen unterwürfigem Durcharbeiten für Politik und Machtzirkel und vorsätzlich schädigender Mittäterschaft beim Zusschanzen von Summen an bestimmte Kreise und Projekte ist oft sehr schwer zu erkennen. Mein Eindruck ist jedenfalls auch das grundsätzlich aufrechte leitende Beamte kaum mehr entscheidungsfreudig, sondern Kommareiter und Verzögerer geworden sind. Ein Fest für Juridiker jedenfalls, aber im negativen Sinne für die Verwaltung und letztendlich Wirtschaft und Bürger.