Politik | Replik

Eine Tracht Ärger

Sigmar Stocker rudert zurück. Er wollte mit seiner Anfrage nicht die Schüler kritisieren, sondern zum Nachdenken anregen. Und fühlt sich von "dieser Linken" bestätigt.

Sigmar Stockers Anfrage zum Kalender-Projekt des Meraner Oberschulzentrums, bei dem sich Schüler und Flüchtlinge in Trachten und traditionelle Gewänder kleideten, hat im ganzen Land für einiges Kopfschütteln gesorgt. “Wenn die Freiheitlichen von einem 'Missbrauch der Tracht' sprechen, ist dies schlichtweg lächerlich. Gerade weil Heimat- und Traditionsbewusstsein auch mit Offenheit gegenüber dem Anderen verbunden sein sollte…”, schrieb am Donnerstag Abend Philipp Achammer auf seiner Facebook-Seite. der Landesrat für deutsche Bildung und Kultur hatte den Freiheitlichen Stocker in der Beantwortung seiner Anfrage dessen Kritik am “Missbrauch der Tracht” scharf zurück gewiesen.

"Wir schlüpfen in die Kleider des Anderen, um ihn besser zu verstehen, Kleidung stiftet kulturelle Zugehörigkeit und...

Pubblicato da Philipp Achammer su Giovedì 11 febbraio 2016

Doch dieser lässt die Sache nicht auf sich sitzen. In einer Aussendung wendet sich Sigmar Stocker am Freitag Vormittag an die Medien. Im folgenden der Wortlaut:

Am 30. Dezember stellte das Kunstgymnasium Meran einen Trachtenkalender mit ‚Flüchtlingen‘ vor. Dazu steckte man die Flüchtlinge in unsere Tiroler Trachten, um ihnen unsere Heimat näher zu bringen. In einer Landtagsanfrage an den zuständigen Landesrat wollte ich wissen, wie er diese Aktion sieht, denn man kann hiermit Trachtenträger auch verschaukeln und das verdienen sich die Tausenden Trachtenträger unseres Landes nicht. Geärgert hat mich bei dem Kalender auch, dass man Trachtenträger mit Turnschuhen sieht oder nicht in vollständigen Trachten. Ein deutliches Zeichen dafür, dass man das Wesen, die Geschichte und die Würde der Tracht und vor allem des Trachtenhandwerks nicht versteht. Man stelle sich mal eine Musikkapelle oder Volkstanzgruppe vor, die in Tracht mit Turnschuhen aufmarschiert.

Ich möchte mit dieser Anfrage keinesfalls die Schüler treffen bzw. kritisieren. Aber sehr wohl will ich die Lehrpersonen und Direktion sowie Landesrat Achammer zum Nachdenken bringen.

Als Trachtenträger, der ich selbst bin, ist es mir wichtig, den Wert der Tracht zu unterstreichen - und auch den Wert des Trachtenhandwerks. Tracht ist nicht irgendein moderner Fetzen, der nach drei Saisonen im Caritassack landet, die Tracht ist das beste „Gewand“ im Kasten und überlebt Jahrzehnte oder besser, sie begleitet dich das ganze Leben. Tracht ist - neben der Muttersprache - auch einer der Ausdrücke von Identität der deutschen und ladinischen Volksgruppe in diesem Land und wurde auch deshalb von den Faschisten verboten.

Tracht trägt also der, der sich in diesem Land verwurzelt fühlt, der dieses Land als seine Heimat empfindet und diese Heimatliebe mit Freude und Stolz demonstriert. Mittlerweile tragen vereinzelt auch Italiener in Südtirol die Tracht, aber es sind Italiener, welche sich mit den Sitten und Gebräuchen der heimischen Kultur auseinandergesetzt haben, sich integrieren wollen und Südtirol nicht als ein Teil Italiens sehen. Und auch Einwanderer, die sich integrieren wollen und nicht nur Forderungen stellen, findet man in der Tracht. Und dies ist eine Grundvoraussetzung bei einer Tracht - nicht wie bei einer Partykleidung für das Oktoberfest! Wer Tracht trägt, setzt sich mit deren Geschichte und somit auch mit der Geschichte des Landes auseinander, Herr Landesrat.

Auf der anderen Seite zeigt mir das Projekt etwas ganz Anderes: Sonst werden Trachtenträger und Patrioten von Linken und „modernen“ Personen gerne als „Hinterwäldler“ bezeichnet. Dass aber diese Linken nun die Tracht hernehmen, um Fremden unsere Heimat zu zeigen oder „fühlen“ zu lassen, ist sicher etwas Neues und eine Bestätigung für uns Trachtenträger. Wir sind tiefster Ausdruck der Heimat und des ‚positiven Patriotismus‘! Mögen die Südtiroler Schulen die Tracht nicht nur in Zusammenhang mit Einwanderern neu entdecken, sondern sich auch ohnehin mit der Geschichte unserer Tracht, unseres Landes und unserer Südtiroler und Tiroler Identität befassen. Ich erwarte mir aber künftig von den Schulen unseres Landes auch, dass Schüler, die patriotische T-Shirts tragen, nicht verpönt werden. Denn das ist der moderne Ausdruck von Heimatliebe.
(Sigmar Stocker)

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Harald Knoflach Fr., 12.02.2016 - 12:51

herr stocker,
wir leben in einem freien land. ihre partei trägt dieses wort aus mir nicht ganz verständlichen gründen ja sogar im namen.
das kalenderprojekt ist - so wie ich das verstanden habe - ein kunstprojekt mit gesellschaftspolitischer botschaft.
ob die turnschuhe da absichtlich sozusagen als künstlerischer ausdruck von kontrast zwischen tradition und moderne verwendet wurden oder ob sie einfach nur aus einen anderen viel banaleren grund im bild sind (keine trachtenschuhe in passender größe ad hoc verfügbar), weiß ich nicht.
jedenfalls schaudert mir vor einer gesellschaft, die mir vorschreiben will, welche schuhe ich zu einem bestimmten kleidungsstück zu tragen habe. auch finde ich es befremdlich, dass sich jemand respektlos behandelt fühlt, nur weil jemand anderer ein kleidungsstück nicht so trägt, wie dieser jemand es für richtig hält.
herr stocker, sie sind der saudi-arabischen sittenpolizei, die bei den frauen kontrolliert, dass diese ihre burkas und niqabs auch ordnungsgemäß tragen, ideologisch viel näher als ihnen lieb ist.

Fr., 12.02.2016 - 12:51 Permalink
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Edo Plane Fr., 12.02.2016 - 14:33

Haha – der Witz ist gut, Herr Stocker!

Schauen Sie mal beim Kastelruther Spatzenfest vorbei: all die treuen, deutschen Fans in Kastelruther Tracht...

Fr., 12.02.2016 - 14:33 Permalink