Interpretiertes Nein?
Nach der Übergabe des Projekts an die Landesregierung durch den Stadtrat, wollten 16 Gemeinderäte doch noch ein Referendum ermöglichen. Aber die unterschiedlichen Interessen der einzelnen Gruppierungen waren wohl stärker als der Wille, der Bevölkerung ein Referendum mit echten Alternativen zu ermöglichen. So spalteten sich die Gemeinderäte des PD ab, die verbleibenden 13 erreichten eine Gemeinderatssitzung am 14.05.2014 zum Thema Seilbahn mit Anträgen zu einem Referendum.
Damit geht richtiger Weise die Initiative vom Gemeinderat aus (Bürgerinitiativen haben wegen der restriktiven Regelung der direkten Demokratie in der Gemeinde Brixen erst Ende 2015 wieder eine Chance initiativ zu werden). Die zur Diskussion und Abstimmung anstehende Fragestellung bietet zwar 3 Optionen an, aber für die große Gruppe, die eine Seilbahn möchte, aber den Bahnhof aus den unterschiedlichsten Gründen ablehnt, gibt es nach wie vor keine richtige Wahlmöglichkeit. Insofern gibt es kaum eine Verbesserung gegenüber der Fragestellung des BM. Hat sich niemand gefragt, wer für einen anderen unbekannten Standort stimmen kann? Hat kein Gemeinderat den Mut das Problem anzusprechen?
Die Vertreter des PD, so diverse Interviews in den Medien, versuchen das „NEIN“ des Referendums zu interpretieren.
Darauf muss man erst mal kommen. Es eröffnet ein weites Betätigungsfeld, denn weder in der Satzung (§46), noch in der Verordnung zur Volksabstimmung steht irgend etwas, was bei einem Nein erfolgen soll.
Versäumnis oder Lücke? Nicht wirklich, denn fast jeder weiß, dass "nein" das Gegenteil von "ja" ist. Absatz 9 und 10 von §46 beschreiben die Zustimmung bei der Abstimmung und deren Konsequenzen. Artikel 30, Absatz 2 behandelt den Fall mit mehreren Fragestellungen. (Die Dokumente sind hier zu finden, der Dokumentenserver der Stadt verweigert seit Tagen die Auskunft.)
§46, Absatz 9:
Die der Volksabstimmung unterzogene Fragestellung hat die erforderliche Zustimmung erlangt, wenn sie die Mehrheit der gültigen Ja-Stimmen erhalten hat, sofern diese Mehrheit mindestens 25% der Stimmberechtigten bei der Volksabstimmung beträgt.§46, Absatz 10:
Das Ergebnis der Volksabstimmung bindet die Gemeindeverwaltung und den Gemeinderat.Artikel 30 Absatz 2:
Falls zwei oder mehrere Fragestellungen gemäß Artikel 9 Absatz 3 der Volksabstimmung unterzogen wurden, hat jene Fragestellung die erforderliche Zustimmung erreicht, die die Mehrheit der gültigen Stimmen erhalten hat, vorausgesetzt, die Anzahl der Stimmen für diese Fragestellung ist höher als die Anzahl der Stimmen, die die Beibehaltung der bestehenden Rechts- oder Sachlage vorziehen und entspricht mindestens 25% der Stimmberechtigten bei der Volksabstimmung.
Am Beispiel der bisher vom Bürgermeister und der SVP favorisierten Fragestellung (Seilbahnverbindung mit Talstation am Bahnhof) gibt es bei einem Referendum folgende möglichen Ergebnisse:
- Zustimmung:
Gemeindeverwaltung und Gemeinderat streben eine Seilbahnverbindung mit Talstation am Bahnhof an. (streben statt realisieren, weil es Entscheidungen gibt, die nicht in der Kompetenz der Gemeinde liegen) - keine Zustimmung:
Keine Verpflichtung für Gemeindeverwaltung und Gemeinderat.
Nach dem Referendum ohne Zustimmung könnte die Gemeindeverwaltung jedes der folgenden Ziele verfolgen:
- eine Seilbahnverbindung mit Talstation am Max
- eine Seilbahnverbindung mit Talstation in Milland
- ein neues Standortauswahlverfahren
- eine bessere Busverbindung
- 3 Jahre warten und dann erneut ein Referendum versuchen
Wozu also eine Interpretation des Nein? Bei der Gemeinderatssitzung am 14.05. werden wir feststellen, ob es einen entsprechenden Antrag gibt und dann hoffentlich auch die Erklärung dazu erfahren.
Eine plausible Erklärung wäre, dass die SVP und der PD das nicht erreichte Referendum mit der einfachen ja/nein Fragestellung immer noch verfolgen. Dabei geht es weniger darum der Bevölkerung eine Wahlmöglichkeit zu geben, sondern um den Wählern die Verantwortung zu übertragen ohne sie richtig zu informieren.
Mit einer Zustimmung durch ein Referendum kann die Gemeindeverwaltung Entscheidungen treffen, die sie ohne Rückhalt durch das Referendum nie treffen könnte.
Beispiel:
Die Gemeindeverwaltung kann eine detaillierte Planung des Projekts in Auftrag geben, ohne die Überfluggenehmigung des Militärs oder die Zustimmung von RFI am Bahnhof zu besitzen, weil die Genehmigungen - wenn überhaupt - erst mit einem detaillierten Plan zu erreichen sind. Ohne Rückhalt durch ein Referendum wäre das Risiko für die Gemeindeverwaltung zu hoch.
Am besten kann man die Anträge und die Diskussionen direkt als Zuhörer im Sitzungsraum erfahren, eine Art vorgezogene ungefilterte Informationsveranstaltung für die Wahlen in einem Jahr. Leider wurden Maßnahmen getroffen, die man als übliche Zuhörerbremsen empfinden kann. Die sich informieren wollen, werden sich davon nicht abhalten lassen.
- die Sitzung beginnt eine Stunde später als üblich
- obwohl diese Sitzung auf Grund der Anträge der 13 stattfindet, kommen deren Anträge erst zum Schluss als Punkt 11 und 12. Man sollte von Beginn an dabei sein, um nichts zu versäumen.