Politik | Großprojekt

Benko-Kaufhaus vors Volk

Die Bozner Bürger haben es durchaus in der Hand, Benkos „trojanisches Pferd“ noch ganz demokratisch abzuwehren: per Volksabstimmung.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.

Eine für Bozens Zukunft so weitreichende Entscheidung wie die Verbauung des von Benko anvisierten Innenstadtareals mit Magneteffekt für neuen Verkehr kann eigentlich nur von der Bevölkerung selbst entschieden werden. In den Debatten der letzten Wochen haben Stadtplaner, Expertinnen, Architekten und besorgte Bürgerinnen eine solche Fülle von Einwänden gegen das Benko-Vorhaben vorgebracht, dass der Gemeinderat schon von sich aus das letzte Wort der Bürgerschaft überlassen müsste. Seine Auswirkungen auf die Luftqualität, auf Handelsstruktur und Arbeitsplätze im Handel in ganz Bozen und Umgebung, auf die Folgekosten der Gemeinde können am besten im Rahmen eines Volksentscheids thematisiert werden. Man kann sich nur wundern, wie viele zentrale Aspekte andererseits die Dienststellenkonferenz unberücksichtigt gelassen hat, indem nur zwei fragwürdige Projekte begutachtet worden sind.

Somit sollten Bozens Bürger nach einem Beschluss des Gemeinderats ihr Recht auf abrogatives Referendum (Art. 59 Satzung Bozen) mit 4.000 Unterschriften einfordern. Alternativ dazu kann auch der Gemeinderat mit 2/3-Mehrheit von sich aus eine solche Volksabstimmung veranlassen. Außerdem gibt die Bozner Satzung (Art.50) dem Gemeinderat die Möglichkeit, eine nicht-bindende Volksbefragung  zu organisieren. In diesem Fall müssten sich Rat und Ausschuss aber politisch dazu verpflichten, das Ergebnis einer solchen Befragung zu respektieren.

Allein schon die Auswirkungen und Größenordnung dieses Bauvorhabens von über 200 Mio. Euro wären in anderen Städten und Regionen Grund genug, die Bürgerschaft entscheiden zu lassen. So sieht Zürichs Verfassung von 2005 (Art. 33, Punkt d), vor, dass "dem Volk werden auf Verlangen zur Abstimmung unterbreitet: 1. neue einmalige Ausgaben von mehr als 6 Mio. Franken;  2. neue wiederkehrende Ausgaben von mehr als 600.000 Franken". In der Toskana muss bei Projekten im Umfang von über 50 Mio. Euro gemäß Regionalgesetz verpflichtend das Beteiligungsverfahren der „Öffentlichen Debatte“ angewandt werden.

Allerdings muss sowohl eine solche Volksabstimmung als auch das Projekt selbst zu einem zentralen Thema des Wahlkampfs werden. Die Bozner Wähler haben ein Recht darauf, mit ihrer Stimme diese gewichtige Entscheidung zu beeinflussen. Das kann nur erfolgen, wenn sich die BM-Kandidaten dazu klar positionieren, und wenn der amtierende BM nicht im letzten Monat eine umstrittene Entscheidung durchpeitscht. Der Gemeinderat wäre gut beraten, sich nicht von einem Immobilienmagnaten das Tempo diktieren zu lassen.

Die Volksabstimmung über das Benko-Projekt sollte zudem nach neuen besseren Regeln erfolgen. Alle neu gewählten Gemeinderäte Südtirols werden 2015 ihre Satzungen an die neue Gemeindeordnung (Reg.ges. 9.12.2014, Nr.11) anpassen. So muss Bozen z.B. das Beteiligungsquorum von 40 auf 25% senken. Eine Entscheidung für oder gegen dieses Projekt sollte zudem nicht unter der Beregnung durch die Benko-Propaganda, sondern bei korrekter und fairer Information durch die Gemeinde selbst wie der Medien erfolgen. Auch dies muss jede Gemeinde gemäß neuer Gemeindeordnung 2015 verpflichtend einführen. Außerdem muss die Gemeinde Bozen den Art. 59, 5b, der Satzung streichen, der "Maßnahmen, die sich auf die Bauleitpläne, auf die Durchführungspläne und deren Änderungen auswirken" von Volksabstimmungen ausschließt unbedingt streichen, genauso wie das Land den Benko-Artikel 55 quinquies aus der Raumordnungsgesetz streichen muss.

Wenn man Bürgerbeteiligung ernst nimmt, ist der Ablauf eigentlich klar: Benko-Projekt-Genehmigung aufschieben, Projekt und Volksabstimmung zu einem der Wahlkampfthemen machen (ist es ohnehin), Gemeindewahl, Anpassung der Regelung der Volksabstimmung an die Vorgaben der Gemeindeordnung, von Gemeinderat einzuleitende Volksabstimmung zu Benko-Projekt beschließen (Herbst 2015) oder Gemeinderatsbeschluss zu Benko-Projekt und von Bürgern eingeleitete Abstimmung erwirken (Ende 2015). Bei einer Ablehnung des Projekts durch den neuen Gemeinderat stünde es natürlich auch den Benko-Befürwortern zu, eine Volksabstimmung darüber herbeizuführen.

 

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Maximilian Ben… Sa., 14.03.2015 - 18:28

Ich teile Thomas Benedikter's strategische Empfehlungen an die zukünftigen BM-Kandidaten aller culoer. Der Ausgang der Volksbefragung ist heute noch nicht vorhersehbar, aber mann kann nicht behaupten, dass die Bürger intellektuell überfordert wären. Ich glaube jeder und jede BürgerIn kann zu diesem Thema eine eigene Meinung haben. Das hat viel mit Lebenstil zu tun. Das Thema polarisiert zudem auch noch. Ja! Absolut. Es braucht eine Volksabstimmung!

Sa., 14.03.2015 - 18:28 Permalink
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Martin B. Mo., 16.03.2015 - 00:43

Ich bin pessimistisch bezüglich der Bürgerbeteiligung. Propaganda Pro und Contra können zwar etwas bewegen, aber das sich 4.000 Personen interessieren und "unabhängig" eine Meinung bilden, sehe ich nicht. Außerdem ist fraglich ob ein Entscheid ausschließlich durch Gemeindeansässige akzeptiert wird bzw. konsensfördernd ist.
Abgesehen von der Diskussion über ein Einkaufszentrum am Busbahnhofareal (oder sehr utopisch am Bahnhofsareal), sollte endlich auch ein besserer Vergleich bzw. Gesamtkonzept mit bestehenden und geplanten Kaufhäusern in Bozen Süd angestossen werden. Wenn man der Bozner Gemeindeverwaltung Konzeptlosigkeit bzw. mangelnde Gesamtvision vorwirft, so sollten zumindest gute alternative Entwürfe zur Diskussion stehen, nicht nur "Verhinderung von Benko".
Auf jeden Fall wünsche ich mir, dass das Thema Zeit bekommt und nicht vor den Gemeindewahlen entschieden wird.

Mo., 16.03.2015 - 00:43 Permalink