"Mit Kritisieren allein kann man nichts ändern"
Herr Rieder, bis 2010 regierte ihr Bruder Hubert das Ahrntal. Dann verließ nicht nur er infolge der Mandatsbeschränkung die politische Bühne, sondern auch die gesamte Bürgerliste trat ab. Haben die letzten fünf Jahre gezeigt, dass die Töldra nicht ohne Bürgerliste können?
Ich sehe die letzten Jahre vor allem als schöpferische Pause. Ich war schließlich auch 15 Jahre im Gemeinderat, dort unter anderem Fraktionssprecher. Es tut durchaus gut, sich einmal zurückzuziehen, zu regenerieren und auch andere Sachen zu machen. Und rückblickend war es, denke ich, auch nicht schlecht, dass die AhrntalerInnen gesehen haben, wie eine andere Verwaltung arbeitet.
Doch nun wollen Sie wieder mitmischen?
Ja, das hat sich jetzt so ergeben, auch weil ein starkes Signal aus der Bevölkerung kam, dass es Alternativen für das Ahrntal braucht und man Wahlmöglichkeiten haben will. Und ich muss sagen, wir haben jetzt ein recht interessantes und buntes Team zusammengebracht.
Am Freitag Abend wurde in einem Treffen weiter an der Liste gebastelt. Vorerst sind nur Anita Strauß und Sie als Sprecher in Erscheinung getreten. Wer ist noch dabei, wer wird BürgermeisterkandidatIn?
Mit Namen möchte ich noch ein wenig abwarten. Ich kann nur sagen, dass wir bereits 20 bis 25 Leute beisammen und eine gute Mischung haben – ob von Alter, Geschlecht oder der politischen Erfahrung her. Wir bieten also eine echte Alternative, die sämtliche Aufgabengebiete im Ahrntal übernehmen könnte – sofern das die Ahrntaler Bevölkerung will.
Also auch erneut die Regierungsverantwortung?
Sicher. Wir haben das notwendige Personal dafür, das ist keine Frage.
"Viele Leute haben gemerkt, dass man Politik eben nicht einfach bestimmten Lobbies oder Parteien überlassen darf, sondern sich selbst darauf einlassen muss, um etwas zu ändern."
Es heißt, dass die beiden bisherigen Freiheitlichen Gemeinderäte ebenfalls mit ihnen ziehen. Was ist mit der Südtiroler Freiheit, die im Ahrntal mit sechs Mandaten aktuell eine Hochburg hat?
Grundsätzlich sind wir für Gespräche immer offen, ob vor oder nach den Wahlen. Absolute Voraussetzung dafür ist jedoch, dass eine Sachpolitik für das Ahrntal oberstes Ziel ist. Wir führen keine parteipolitischen Diskussionen, schon gar nicht solche, die von Landesparteien aus Bozen gesteuert werden.
Das Ahrntal hat in den vergangenen Jahren vor allem wegen seines Stromstreits für landesweite Schlagzeilen gesorgt. Hätte es ohne Strom überhaupt erneut eine Töldra Bürgerliste gegeben?
Ja sicherlich. Auch wenn der Strom ein sehr wichtiges Thema ist bei uns, ist er bei weitem nicht das einzige. Doch der Strom hat vielleicht besonders deutlich gezeigt, wie die Verwaltung im Ahrntal arbeitet. Es hat hier nie Transparenz gegeben, um alles wurde stets ein großes Geheimnis gemacht. Und es ist eine Tatsache, dass Bürgermeister Klammer und auch die Landesregierung dafür gesorgt haben, dass die private Ahr-Energie wieder mit einem großen Brocken an einem neuen Kraftwerk beteiligt wird. Hier kam also ganz deutlich die Lobbypolitik des Bürgermeisters durch, der schließlich selbst auch Werksbesitzer ist. Und ich glaube, dass hat so manchen zum Umdenken gebracht.
In welche Richtung?
Dass man Politik eben nicht einfach bestimmten Lobbies oder Parteien überlassen darf, sondern sich selbst darauf einlassen muss, um etwas zu ändern. Nur mit Zuschauen und Kritisieren kann man kaum etwas oder nichts ändern. Wer mitgestalten will, muss sich der Wahl stellen.
Das heißt, sie hatten wenig Probleme, Leute für Ihre Liste zu finden?
Nein, das ging alles recht kurzfristig und schnell. Was für mich Neuland und eine sehr positive Entwicklung ist: Es sind sehr viele junge Leute dabei, die sich unglaublich positiv einbringen. Die haben zwar keine gute Meinung von Parteipolitik, aber die viel beschworene Politikverdrossenheit bezieht sich eben vor allem auf die Parteien und Skandale. Ich bin in den Sitzungen und Treffen der vergangenen Wochen ungemein überrascht gewesen, wie vehement sich diese jungen Leute einbringen, und wie viel Lust auf Gemeindepolitik und die Mitgestaltung ihrer Zukunft sie haben. Aber sie wollen sich eben unabhängig von Parteien einbringen und Sachpolitik machen.
"Die Menschen wollen mehr mitreden und ihre Meinung zum Ausdruck bringen. Doch es ist immer noch verbreitet, solche Meinungsäußerungen entweder zu ignorieren oder nicht ernst zu nehmen."
Dieser Trend weg von den Parteien ist derzeit nicht nur im Ahrntal zu beobachten. Man hört aus den verschiedensten Ecken, dass Gemeindepolitik anderen Logiken folgen sollte...
Ja, ich beobachte auch, dass die Leute mehr mitreden und ihre Meinung zum Ausdruck bringen wollen. Doch in Südtirol, und auch bei uns im Ahrntal ist es zumindest in einer bestimmten Generation immer noch verbreitet, dass solche Meinungsäußerungen entweder ignoriert werden oder als Gerede abgetan und nicht ernst genommen werden. Also, Menschen, die sich einbringen wollen, werden immer in eine bestimmte Ecke gedrängt...
...als die ewigen Kritisierer und Querulanten...
Genau. Dabei könnte man verschiedene Meinungen auch als Unterstützung sehen, für die Entscheidungen, die von einer Gemeindeverwaltung zu treffen sind. Das ist für die Töldra Bürgerliste in jedem Fall ein wichtiges Ziel, eine neue Diskussionskultur zu schaffen im Tal. Und auch hier habe ich das Gefühl, dass uns die junge Generation um einiges voraus hat. Sie haben vielleicht weniger Vorurteile und lassen solche Diskussionen viel mehr zu bzw. wollen sie auch führen.
Gibt es noch andere Programmpunkte, die bereits definiert wurden?
Ein wichtiger Punkt ist für uns auch die sparsame Verwaltung. Wenn von BürgerInnen Sparen eingefordert wird, muss sich auch die Verwaltung überlegen, wo sie einsparen kann – zum Beispiel mit personellen Änderungen im Stellenplan der Gemeinde. Ein klares Versprechen können wir auch schon in der Diskussion um die Bürgermeisterrente geben, die nach den Gemeinderatswahlen ohne Zweifel wieder losgehen wird: Wenn die Töldra Bürgerliste den oder die Bürgermeisterin stellt, wird dieses Geld in der Gemeindekasse bleiben – denn wir verzichten jetzt schon freiwillig auf eine solche Bürgermeisterrente.