Anklage gegen Spagnolli?
Die drei Herren erhielten die Zustellung vor wenigen Tagen. Bürgermeister Luigi Spagnolli, der Bozner Unternehmer Giovanni Podini und der Planer und Projektant des Einkaufszentrums Twenty Stefano Mattei bekamen Post von der Bozner Staatsanwaltschaft. Es ist die förmliche Mitteilung, dass die Ermittlungen in Sachen Twenty-Erweiterung abgeschlossen sind.
Der Inhalt der Schriftstücks ist eine politische Bombe. Zweieinhalb Monate vor den Gemeinderatswahlen zeichnen die beiden stellvertretenden Staatsanwälte Igor Secco und Giancarlo Bramante in diesem Bescheid eine mutmaßliche Straftat nach. Bürgermeister Luigi Spagnolli wird Amtsmissbrauch vorgeworfen. Dem Besitzer des Enkaufszentrums Twenty Giovanni Podini und dem Projekttanten Stefano Mattei Beihilfe.
In der Ermittlung geht es um die Erweiterung des Einkaufszentrums Twenty in der Bozner Galileistraße.
Die Fakten sind bekannt: Die Unternehmerfamilie Podini will das 2011 eröffnete Einkaufszentrum in der Bozner Industriezone ausbauen und erweitern. Auf 20.000 Quadratmetern sollen insgesamt 80 Geschäfte Platz finden und 850 unterirdische Parkplätze zur Verfügung stehen. Allein der Zubau kostet rund 90 Millionen Euro. Zudem errichten die Bauherren eine Fußgänger- und Fahrrad-Brücke über den Eisack und über die Eisackuferstraße, über die die Besucher besser zum neuen Einkaufszentrum kommen sollen.
Es war die Landesregierung, die zwischen 2010 und 2013 die Weichen stellte, damit dieses Einkaufszentrum überhaupt erst möglich wurde. Mit der Reform des Urbanistikgesetzes wurde vorgesehen, dass ein Landeseinkaufzentrum in einer Gewerbezone in Bozen entstehen soll. 2012 ermittelte eine Expertenkommission im Auftrag von Wirtschaftslandesrat Thomas Widmann dann das Twenty als geeigneten Ort für dieses Einkaufszentrum.
Bozner Bürgermeister Luigi Spagnolli: "Habe alle Gesetze befolgt".
Bereits damals tauchten in den zuständigen Landesämtern aber ernsthafte Bedenken gegen das Projekt auf. Als die Unternehmerfamilie Podini das Erweiterungsprojekt in der Gemeinde Bozen einreicht, werden diese Bedenken neu aufgelegt. So gibt es vier Gutachten, die eindeutig gegen die Verwirklichung des Projektes sprechen. Zwei der Flugbehörde ENAC, eines der Landesraumordnungskommission sowie ein Gutachten des Landesamtes für Luft und Lärm.
Weil der Neubau genau in der Einflugschneise des Bozner Flughafens liegt, geht man davon aus, dass das Projekt gegen den Flughafen-Risikoplan verstoße. Ein Verfahren vor dem Verwaltungsgericht in dieser Sache haben die Betreiber aber im November 2014 gewonnen.
Sowohl die Baukommission wie auch das Rechtsamt der Gemeinde Bozen erteilen Anfang 2014 dem Erweiterungsprojekt aber ein negatives Gutachten. Trotz dieser Bedenken und Gutachten stellt der Bozner Bürgermeister Luigi Spagnolli aber am 13. März 2014 eigenhändig die Baukonzession für die Verdoppelung des Twenty und die Errichtung der neuen Brücke aus.
Obwohl rechtlich durchaus möglich, ist es eher ungewöhnlich, dass der Bürgermeister die zuständige Baukommission und die Bauassessorin so klar übergeht.
Nach einer Eingabe bei der Staatsanwaltschaft beginnt man diesen abnormalen Genehmigungsweg genau unter die Lupe zu nehmen. Die Staatsanwaltschaft verdächtigt den Bürgermeister der Twenty-Eigentümergesellschaft durch seine Baukonzession einen rechtswidrigen Vorteil verschafft zu haben.
Die Finanzwache beschlagnahmt die gesamte Dokumentation und hört Techniker und Beamte an. Im April 2014 beschlagnahmen die Beamten auch den Computer des Bürgermeisters. Luigi Spagnolli verteidigt sich von Anfang an: „Ich habe alle Gesetze befolgt und mich an die technischen und juridischen Gutachten gehalten“.
Im Fall ermitteln die beiden stellvertretenden Staatsanwälte Giancarlo Bramante und Igor Secco. Im Sommer 2014 schlägt Luigi Spagnolli eine Anhörung vor Staatsanwalt Secco aus. Dafür übermittelen Spagnollis Anwälte Marco Mayr und Alberto Zocchi der Staatsanwaltschaft einen detaillierten Verteidigungsschriftsatz, mit dem man alle Anschuldigungen widerlegen will.
Doch das dürfte so nicht gelungen sein. Die beiden Staatsanwälte haben bei der Auswertung des Email-Verkehrs zusätzliche Beweisstücke gefunden, die die These der Anklage stützen.
Zwanzig Tage Zeit haben jetzt die drei unter Ermittlung stehenden Personen Gegenäußerungen vorzubringen. Sie können erstmals das gesamte Material einsehen. Danach entscheidet die Staatsanwaltschaft, ob sie die förmliche Anklageerhebung und die Einleitung des Hauptverfahrens fordert oder eine Archivierung. „Die Zeichen stehen aber auf Einleitung des Hauptverfahrens“, plaudert ein Ermittler aus der Schule.
Die Entscheidung, ob es zu einer Archivierung oder zur Einleitung des Hauptverfahrens kommt, dürfte frühestens im Juni fallen.
Auch der Zeitplan wurde von der Staatsanwaltschaft mit Bedacht gewählt. Denn die Entscheidung, ob es zu einer Archivierung oder zur Einleitung des Hauptverfahrens kommt, dürfte frühestens im Juni fallen. Dann sind die Gemeinderatswahlen geschlagen.
Und niemand kann dann sagen, die Staatsanwaltschaft hätte die Wahlen mit ihren Aktionen beeinflusst. Weder in die eine, noch in die andere Richtung.