Politik | Heiße Zeiten

Immer wieder Benko

Ein Stadtviertelrat erteilt dem Investor und seinem Projekt eine klare Absage. Ein Omen für den 23. Juli? Und warum bekommt das Kaufhaus eine ganze Dolomiten-Seite?

Eine knappe Woche bevor der Bozner Gemeinderat über das Kaufhausprojekt abstimmt, werden letzte Geschütze aufgefahren. Anna Pitarelli bedient sich der Videoplattform Youtube, um ihren Standpunkt ein weiteres mal zu untermauern. “Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, erwägen Sie bitte Ihre Entscheidung mit Sachlichkeit und entscheiden Sie nächste Woche, so wie sich unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger auch entscheiden würden!”, so Pitarellis eindringlicher Appell, den sie an ihre Ratskollegen richtet.


Omen für die Abstimmung im Gemeinderat?

Doch schneidet sie sich damit selbst in den Finger? Denn ein Teil der von Pitarelli zitierten Mitbürgerinnen und Mitbürgern sprachen sich am Donnerstag Abend klar gegen das Kaufhaus aus. Und zwar nicht irgendwer, sondern die Vertreter der Einwohner des Bozner Viertels Zentrum-Bozner Boden-Rentsch. Um 19 Uhr war der Stadtviertelrat zusammengetreten, um über das Benko-Projekt zu befinden. Anwesend waren die Techniker der Dienststellenkonferenz. Gemeinsam mit den zehn anwesenden Räten wurde lang und heftig diskutiert. Als es schließlich darum ging, ein Gutachten abzugeben, fiel das Ergebnis eindeutig aus: Nur ein einziger Rat sprach sich für das Kaufhaus aus. Nämlich Dario Schanung von der Liste für Spagnolli. Fünf Räte stimmten dagegen. Darunter die beiden Grünen Frauen, Marialaura Lorenzini und Ulrike Spitaler und die Movimento-5Stelle-Vertreterin Cinzia Mataloni. Auch die SVPlerin Johanna Ramoser entschied sich gegen das Projekt, ebenso Marco Margi von Alto Adige nel Cuore. Armin Widmann (SVP), Michela Corruggiero (Lega Nord) und Primo Schönsberg (PD) enthielten sich der Stimme.

“Das Abstimmungsergebnis ist zwar in keinerlei Hinsicht bindend. Aber es ist eine Stellungnahme mit Gewicht. Insbesondere, wenn man bedenkt, dass der Stadtviertelrat die direkt von dem Kaufhaus betroffene Bevölkerung vertritt. Denn die Mehrheit sagt ‘Nein’”, gibt Marialaura Lorenzini zu bedenken. Ein klares und überzeugtes ’Nein’ erwartet sie sich auch von den Gemeinderäten bei der Abstimmung in sechs Tagen. “Ich wünsche mir, dass sie gut informiert in die Sitzung kommen”, so die überzeugte Kaufhaus-Gegnerin, “denn bisher sind sie mit dem Rücken zur Wand gestanden.” Die technischen Ausführungen und Details des Kaufhaus-Projekts seien für Nicht-Fachleute so kompliziert und unverständlich, dass eine objektive Meinungsbildung kaum möglich gewesen sei. “Einkaufszentren sind dabei, auszusterben. Sie fußen auf einer mittlerweile überholten Idee”, betont Lorenzini. Und für eine solche sei in Bozen kein Platz. Schade findet sie, dass sich nicht alle Stadtviertelräte mit dem Benko-Projekt befasst hätten. Zwar befindet sich das Areal im Zentrum, doch habe das Unterfangen Auswirkungen auf die gesamte Stadt, so Lorenzini.


Einseitige Berichterstattung

Anderswo kommen währenddessen die Befürworter des geplanten Einkaufszentrums groß zu Wort. Die Tageszeitung Dolomiten widmet am heutigen Freitag die gesamte Seite 19 Renè Benko, der Signa und dem Kaufhaus Bozen. Doch außer einem kurzen Artikel über die Anfrage von Guido Margheri finden sich keine redaktionellen Beiträge auf der Seite. Stattdessen hat man ganze elf Gegendarstellungen der Kaufhaus-Gruppe veröffentlicht. Zwei davon stammen von Renè Benko höchstpersönlich. Sechs hat Heinz Peter Hager verfasst. Für die restlichen drei zeichnet sich Marcus Mühlberger, der Managing Director der Signa Holding, verantwortlich.

So sieht die Seite 19 der Dolomiten-Ausgabe vom 17. Juli aus.

Die Inhalte der Gegendarstellungen beziehen sich auf von den Dolomiten seit Mitte Juni veröffentlichte Artikel. Von falschen Schlussfolgerungen, unwahren Aussagen und Rufschädigung in der Berichterstattung ist darin die Rede. “In eigener Sache” erklärt das Tagblatt der Südtiroler die ungewohnte Aufmerksamkeit, die man der Kaufhaus-Gruppe zuteil lassen wird: “‘Den Dolomiten’ wurde in mehreren Schreiben (die wir auf dieser Seite gerne abdrucken) im Namen von Renè Benko, Marcus Mühlberger der Signa Holding, Heinz Peter Hager und der Kaufhaus Bozen GmbH vom Rechtsanwalt angedroht, gerichtlich vorzugehen ‘um Ersatz für die immensen Schäden zu erhalten’. Gleichzeitig hat die Signa sämtliche Werbeaufträge für die ‘Dolomiten’ des Kaufhauses Tyrol ‘ruhend gelegt’, mit der Begründung, das Tagblatt der Südtiroler würde nicht positiv über das Kaufhaus Bozen schreiben.” Doch der Druck vom Duo Benko/Hager sei “vergeblich”: “Die ‘Dolomiten’ nehmen diese versuchte Einmischung in die Berichterstattung zur Kenntnis, stellen aber gleichzeitig fest, dass sie den Lesern und nicht irgendwelchen Investoren und Kaufhausbetreibern verpflichtet sind.” Man werde weiterhin dieselbe Linie fahren und “neben positiven Berichten auch für das Kaufhaus Bozen unangenehme Berichte veröffentlichen”.

Man darf gespannt sein, wie der Hickhack bis zur Abstimmunge weitergeht. Noch haben Gegner und Befürworter, Politik und Medien knapp eine Woche Zeit. Bis zur Stunde der Wahrheit.

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Herrmann Eckl Fr., 17.07.2015 - 14:59

Eine objektive Berichterstattung über das Kaufhaus-Projekt sucht man inzwischen vergeblich.
Während die Athesia-Blätter dagegenschreiben, schreiben Tageszeitung und zuletzt auch die FF kritiklos dafür, ohne dass dabei banalste Gemeinplätze und unterschwelligste Unkenrufe fehlen.
salto kann's nur besser machen.
Ganz egal, wie die Abstimmungen ausgehen, ist dieses Verfahren bereits grandios gescheitert; neben dem vielen Säbelrasseln gibt es in der Gemeinde Bozen und der Bevölkerung wohl nur eine handvoll Menschen, die wissen, worum es wirklich geht und was uns da wirklich erwartet.
In einer solchen Situation der fehlenden Information und Klarheit, einen Gemeinderatsbeschluss herbeizuführen, der im heutigen Status Quo anders als Enthaltung oder (im Zweifel) Ablehnung lautet, ist im besten Fall verantwortungslos.

Fr., 17.07.2015 - 14:59 Permalink