„Rom als Ausrede ist zu billig“
Seit Monaten steht er im Mittelpunkt des Kampfes um die Geburtenabteilungen in Südtirols Kleinspitälern: der von der Staat-Regionen-Konferenz vorgegebene 24-Stunden-Aktivendienst von drei FachärztInnen und einer Hebamme. Eine Abdeckung, die derzeit mit Ausnahme des Krankenhauses Bozen in keinem der Südtiroler Spitäler durchgehend garantiert werden kann - und das wichtigste Knock-Out-Argument für die geplante Schließung von Geburtenabteilungen in Kleinspitälern ist. Denn eine durchgehende Anwesenheit von drei Fachärzten bei gerade einmal oder weniger als 500 Geburten würde nicht nur die Kosten sprengen, sondern auch aufgrund des Ärztemangels unmöglich sein, wird argumentiert.
Eine „tickende Zeitbombe“, die seit Monaten zur Verunsicherung von ÄrztInnen und Patientinnen führt. Denn im Sanitätsbetrieb wird darauf beharrt, dass die laut Protokoll ab 2016 verbindlichen Regeln bereits derzeit anzuwenden seien. Sanitätsdirektor Oswald Mayr hat mittlerweile seine rechtliche Verantwortung auf die Landesregierung abgewälzt – nachdem er davor ausführlich vor nicht zahlenden Versicherungen und strafrechtlichen Konsequenzen gewarnt hatte. Mittlerweile sind ihm die Primare Bruno Engl (Brixen) und Arhur Scherer (Brixen) gefolgt.
Schreiben mit Interpretationsspielraum
Mitten in dieser äußerst prekären Situation tritt nun zu bester morgendlicher Sendezeit der Sterzinger Anwalt Alexander Kritzinger auf RAI Südtirol auf und behauptet: Die Provinz kann in dieser Angelegenheit eigentlich tun und lassen, was sie will. Wichtigste Basis für die Interpretation des Rechtsvertreters der Initiativgruppe Sterzing ist ausgerechnet jenes Schreiben einer Spitzenbeamtin des römischen Gesundheitsministeriums an Kammerabgeordneten Albrecht Plangger, das vergangene Woche als neuerliche Bestätigung für die aussichtlose Lage der kleinen Geburtenstationen präsentiert wurde: Personell aufrüsten oder schließen - „das Schreiben ist eindeutig, es gibt keinen Interpretationsspielraum mehr“, lautet die Schlussfolgerung von Gesundheitslandesrätin Martha Stocker. „Wer das Schreiben von Anfang bis Ende aufmerksam liest, sieht, dass überhaupt keine Vorgaben gemacht werden“, behauptet dagegen Alexander Kritzinger. Vielmehr bestätige die Beamtin darin sogar, dass in dem Fall die Autonome Provinz Bozen „eigentlich tun und lassen kann, was sie möchte“.
Dafür gibt es laut dem Anwalt, der 2013 in seinem Bezirk am Kandidatenrennen für die Landtagswahlen teilgenommen hatte, mehrere Anhaltspunkte: Bereits das Protokoll der Staat-Regionen-Konferenz lasse offen, wie die Verfügbarkeit des Fachpersonals konkret zu organisieren sei. Ein Prinzip, das laut der Interpretation Kritzingers im aktuellen Schreiben bestätigt werde. Denn auch wenn die Beamtin an einer Stelle von einer internen Verfügbarkeit schreibe, würde sie weiter unten bestätigen, dass es auch Abweichungen von dieser Interpretation geben könne. „Wichtig ist, dass die Qualitätsstandards garantiert werden“, sagt Kritzinger. „Doch das Gesundheitsministerium unterstreicht in diesem Schreiben auch ausdrücklich, dass es überhaupt keine Möglichkeit hat, in diese Thematik einzugreifen oder Ausnahmen zu genehmigen.“ Wenn, dann müssten das die Regionen oder Provinzen selbst tun. Ein Spielraum, den laut dem Schreiben schon einige andere Landesregierungen genutzt hätten, indem sie Ausnahmen für einige Krankenhäuser geschaffen hätten, erklärte der Sterzinger Anwalt im Morgentelefon von RAI Südtirol. Seine Schlussfolgerung: „Es ist ein bisschen zu einfach, sich nur auf Rom hinauszureden. Wenn man will, kann man alles machen.“