Politik | Diskussion

Der letzte Europäer?

Am Sonntag Abend war Arno Kompatscher bei "Im Zentrum" zu Gast. Europäische Lösungen und Politiker brauche es, und nicht nationale Egoismen, so der Landeshauptmann.

Gegenseitige Schuldzuweisungen, Rechtfertigungsversuche für nationale Maßnahmen einzelner EU-Staaten und viel Aneinander-vorbei-Reden – davon war die Diskussion auf ORF 2 “Im Zentrum” am Sonntag Abend geprägt. Zu Gast bei Moderatorin Ingrid Thurnher waren Österreichs Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, Ungarns Sozialminister Zoltán Balog, Giorgios Chondros von der griechischen Syriza-Partei, die österreichische Grüne EU-Parlamentarierin Ulrike Lunacek und Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher.

“Schranken runter – Aus der Traum vom grenzenlosen Europa?” war die Frage, um die es in der Live-Sendung ging. Von einem europäischen Geist war die ganze Diskussion über nicht viel zu spüren und hören. Nationale Maßnahmen seien auch im geeinten Europa wichtig, um ein Signal Richtung EU zu senden, dass eine europäische Lösung gefunden werden müsse, meinte etwa Mikl-Leitner. Balog schlug einen ähnlichen Ton an, es sei Brüssel, das in der Verantwortung sei – die einzelnen Mitgliedsstaaten würden nur auf die Untätigkeit der EU reagieren, auch um die eigenen Bürger zu schützen. Lunacek hingegen schalt Österreich und alle weiteren EU-Staaten, die nun Alleingänge in Sachen Grenzsicherung und Zuzugsbeschränkungen eingeschlagen haben. Neben dem Griechen Chondros (“Das gemeinsame europäische Projekt wird in Frage gestellt und wenn Europa nicht schnell reagiert, wird es ein böses Ende nehmen”) war es schließlich Arno Kompatscher, der mahnende Worte für alle Anwesenden fand. “Es ist sehr gefährlich, wenn man sich jetzt gegenseitig die Schuld zuweisen will”, sagte der Landeshauptmann. Die europäischen Staaten verhielten sich gerade “wie Kaninchen vor der Schlange” und würden sich in den eigenen Bau verkriechen. Nationale Egoismen gingen aber “gar nicht” und seien komplett fehl am Platz, denn, so Kompatscher: “Die Einzelaktionen zur Grenzsicherung gehen über die Flüchtlingsfrage hinaus. Das gesamte europäische Projekt droht dadurch auseinanderzufallen. Es braucht europäische Initiativen.” Er warnte: “Grenzen kosten mehr als die Kosten, wenn gemeinsam vorgegangen würde”.

Landeshauptmann Arno Kompatscher zwischen Johanna Mikl-Leitner (2.v.l.) und Zoltán Balog (1.v.r.). Links außen Moderatorin Ingrid Thurnher. Bild: Screenshot/tvthek.orf.at

Aus diesem Grund habe er gemeinsam mit Ugo Rossi und Günther Platter “bewusst” beschlossen, in Sachen Brenner (“Symbol für die europäische Einigung”) als Euregio zu reagieren. “Diese Grenze (am Brenner, Anm. d. Red.) darf es nicht wieder geben”, betonte Kompatscher. “Es will keiner eine neue Grenze zwischen Österreich und Südtirol ziehen”, entgegnete Mikl-Leitner, betonte aber gleichzeitig, dass Österreich die Souveränität über das eigene Staatsgebiet behalten müsse. Kompatscher verwies auf eine Berechnung, laut der der Schaden, den die Errichtung von Grenzen in Europa anrichte, pro Jahr 110 Milliarden Euro betrage. “Dazu kommt noch der politische Schaden”, erinnerte der Landeshauptmann und fand schließlich klare Worte: “Europa hat die Feindschaft zwischen Deutschland und Frankreich überwunden, den Kalten Kireg, Wirtschaftskrisen. Und das, so glaube ich, weil es Politiker gegeben hat, die nationale Interessen nicht vor allgemeine Interessen gestellt haben.” Das seien die großen europäischen Politiker gewesen, die es jetzt dringend wieder brauche, zeigte sich Kompatscher überzeugt. “Und ich bin optimistisch”, verriet er, “denn es muss eine europäische Lösung geben”. Beim jüngst stattgefundenen EU-Gipfel fehlte davon allerdings jede Spur. Eine weitere Chance haben die Staats- und Regierungschefs am 6. und 7. März. Dann gibt es zur Flüchtlingsfrage einen Sondergipfel mit der Türkei.


Die Sendung gibt es in der ORF-TVthek bis kommenden Sonntag nachzuschauen.