Kunst im Müll
Für Letizia Ragaglia, Direktorin des Museion, ist es eine „kuriose Episode“, mit der sich das Bozner Museum für zeitgenössische Kunst in bester Gesellschaft befindet. „Dove andiamo a ballare questa sera“ heißt die Installation der beiden Künstlerinnen Sara Goldschmied und Eleonora Chiara, die an diesem Wochenende von übereifrigem Reinigungspersonal in den Müll entsorgt wurde. Mit leeren Sektflaschen, Konfetti und anderen Überbleibseln einer offensichtlich ausgelassenen Nacht thematisiert das Künstlerinnenduo in der Installation Hedonismus, Konsum und Parties im sozialistisch geprägten Italien der 80er-Jahre. Bereits im vergangenen Sommer war das Thema in einem Workshop mit Studenten aufgearbeitet worden. Nach der umfangreichen Recherche wurde das Kunstwerk, das Teil einer italienweiten Ausstellungsserie von Achille Bonito Oliva ist, in dreitägiger Arbeit in Bozen aufgestellt. Dementsprechend reagierten die Künstlerlinnen selbst weit weniger locker auf die Entsorgung ihres Werks als die Museion-Direktorin. „Was hier passiert ist schwerwiegend“, wird Sara Goldschmied am Montag vom Alto Adige zitiert. „Ich will keine Polemik starten, aber für das Museion ist das wirklich die schlechtmöglichste Werbung.“
Das Museum selbst beruhigte bereits am Wochenende auf seiner Facebook-Seite, dass das Werk so schnell wie möglich wieder hergestellt wird. Glücklichererweise waren seine Komponenten noch nicht endgültig entsorgt – und konnten wieder aus dem Müll geborgen werden. „Ich finde nichts so Schlimmes daran“, relativiert Letizia Ragaglia. „Unser Personal ist gewöhnlich bestens eingeweiht. In diesem Fall kam es zu einem Missverständnis, doch es kann alles wieder hergestellt werden.“ Die Museumsdirektorin erinnert in Interviews an ähnliche Vorfälle in weit prominenterem Umfeld – wie eine Tür von Marcel Duchamp, die bei der Biennale im Jahr 1978 von Arbeitern weiß angestrichen wurde oder eine Wanne von Joseph Beuys, die ebenfalls gereinigt worden war.
Auch wenn die Spuren der Partylaune bald wieder im Museion besichtigt werden können – Schlagzeilen zu dem Fall finden sich mittlerweile nicht nur in nationalen Medien, sondern auch auf Englisch oder Französisch. Vor allem aber eignet sich das Missgeschick bestens für Diskussionen in den Sozialen Medien – wo die zeitgenössische Kunst einmal mehr Gegenstand populistischer Diskurse wird. Allein die Meldung des Falls auf der Facebook-Seite des Museions wurde 76 Mal geteilt und über 80 Mal kommentiert. Neben durchaus konstruktiven Vorschlägen findet sich darin auch jede Menge Spott und Häme.
Ob der Fall dem Museum letztendlich schadet oder durch die Publicity sogar nutzt, kann noch schwer abgeschätzt werden. Sicher ist: Nach Kippenbergers Frosch wird nun in Bozen wieder über zeitgenössische Kunst diskutiert – diesmal dank Reinigungspersonal.