Gesellschaft | Territorium

Hausärzte-Streik

Südtirols Hausärzte proben den Aufstand. Aus Protest gegen den neuen Vertrag werden nun in einigen Bezirken die Wochenenddienste aufgekündigt.

Seit Jahren grummelt es unter Südtirols Hausärzten. Vor allem der mangelnde Nachwuchs führte zu regelmäßigen Alarmrufen der Ärztekammer.  270 Hausärzte gibt es derzeit im Land – rund die Hälfte von ihnen wird innerhalb der kommenden fünf Jahre in Pension gehen. Doch die Attraktivität des Berufsbilds Hausarzt ist schon lange im Sinken – und entsprechend groß ist die Lücke, die nicht nur auf Südtirol zukommt. Ein Thema, das mit der Sanitätsreform offensiv angegangen werden sollte: Stärkung des Territoriums, war der Slogan, der Landesrätin Martha Stocker bei der Vorstellung ihres Konzepts nie vergaß. Doch wie nun aus einem Offenen Brief an die Südtiroler Landesregierung und an die Südtiroler Patienten herauszulesen ist, scheint der Zug in genau die entgegengesetzte Richtung zu fahren.  „Wir fühlen uns von der Landesregierung und insbesonders von Landesrätin Martha Stocker verhöhnt“, wird der Prader Hausarzt Wunibald Wallnöfer von der Südtiroler Tageszeitung zitiert. „Es hat hohle Versprechungen einer Aufwertung gegeben, statt dessen gibt es mit dem neuen Vertrag eine Verschlechterung.“

Die Rede ist vom neuen Landesübergangsvertrag.  Der war bekanntlich notwendig geworden, nachdem der 2007 abgeschlossene Landesvertrag vom Kassationsgericht für nicht rechtens erklärt worden war.  Anlass dafür war die Anfechtung des Landesvertrages durch die kleinen Hausärztegewerkschaft FIMMG, die eine Anwendung des staatlichen Vertrags angefordert hatte. Der würde nach dem Kassationsgerichtsurteil nun tatsächlich in Kraft treten. Um einen damit verbundenen finanziellen Absturz im Ausmaß von rund 30 Prozent zu vermeiden, wurde auf Landesebene ein Übergangsvertrag ausgehandelt – der nun aber den ohnehin bestehenden Unmut unter den Hausärzten endgültig zum Überkochen zu bringen scheint.  

"Sollen wir einen Teil unserer Patienten einfach rauswerfen?"

Im Mittelpunkt der Kritik steht vor allem die vom staatlichen Vertrag übernomme Senkung der Patientenzahl von bisher 2000 auf 1500 Patienten innerhalb der kommenden drei Jahre. Damit wird das Problem Ärztemangel noch einmal gravierend  verschärft, heißt es von Seiten der Hausärzte. Sollen wir einen Teil unserer Patientinnen und Patienten nun einfach rauswerfen, fragen sie sich darüber hinaus. Beklagt wird auch  die aufgehobene Förderung von Gemeinschaftspraxen für Jungärzte bzw. deren Tutoren oder absurde Rufbereitschaftsregeln, wonach Hausärzte zwischen 13 und 19 Uhr nicht mehr auf dem Handy erreichbar sein müssen. Als die Tageszeitung Dolomiten in dieser Woche nun auch noch eine Tabelle mit Hausärztegehältern veröffentlichte, aus der hervorgeht, dass 53 Haus- oder Kinderbasisärzte jährlich über 200.000 Euro verdienen, fühlten sich viele von ihnen offenbar definitiv verhöhnt. „Eine konzertierte Aktion der Landesregierung, um Neid zu schüren“, vermutet der Prader Arzt Wallnöfer dahinter. Was umso schlimmer sei: Die wiedergegebenen Zahlen würden nur den Umsatz der freiberuflichen Hausärzte wiedergeben, von dem alle Spesen abgezogen werden müssen.

Bei einem Treffen von mehr als zwei Dutzend Südtiroler Hausärzten im Vinschgau wurde nun als Reaktion eine gemeinsame Protestmaßnahme beschlossen: Mit 1. Juni sollen vor allem im Burggrafenamt und Vinschgau die bisher freiwillig verrichteten Wochenenddienste ausgesetzt werden. Der Initiative angeschlossen haben sich bereits mehr als zwei Dutzend Hausärzte der Bezirke. Auch vom Ritten, aus dem Sarntal und aus Gröden gebe es bereits einige Teilnahmezusagen. Aufrechterhalten werden soll der Protest, bis man  „das Wort von Landesrätin Stocker für eine konstruktive Nachverhandlung habe“, erklärt der Dorf Tiroler Hausarzt Eugen Sleiter in den Dolomiten.

Dort kommt auch der scheidende Ressortdirektor von Martha Stocker zur Causa zu Wort: Thomas Mathà spricht von einem offensichtlich großen Informationsdefizit bei den Ärzten. Die Landesregierung sei zur Aufkündigung des Vertrags gezwungen gewesen, nachdem ihn die Hausärztegewerkschaft versenkt hätte. Und es sei klar, dass der aktuelle Vertrag nur ein Übergang sei, stellt er klar. „Wir retten was zu retten ist, und wären nun die Attentäter“.