Umwelt | Alpenpässe

Bergwelt oder Funpark?

Der Verkehr auf Bergpässen vertreibt auch Wanderer und Bergsteiger. Zeitfenster könnten eine Lösung sein. Eine Maut würde das Problem hingegen verschärfen.

Hängebrücken zwischen zwei Bergspitzen, atemberaubende Aussichtsplattformen, gebaut über Abgründen, und gläserne Stege, die an senkrechten Felswänden entlangführen. Mit solchen Projekten sollen auch die höchsten Alpengipfel dem internationalen Massentourismus erschlossen werden. Die Namen der Attraktionen, etwa „Thrillwalk“ oder „Skywalk“, verraten einiges über die Gesinnung, die hinter diesen Installationen steckt. Südtirol ist vor solchen Hochgebirgs-Lunaparks zwar noch einigermaßen sicher. Doch auch hier fehlt es nicht an Orten, die trotz ihrer hochgelegenen und in alpiner Schönheit eingebetteten Lage dem Massentourismus anheimgefallen sind: Bergpässe zum Beispiel.

Umweltschützer, aber auch die Bürger vor Ort wehren sich schon seit Jahren gegen Lärm und Verschmutzung, die durch die exzessive Nutzung der Alpenpässe, vor allem durch Motorradfahrer, verursacht werden. „Vor allem in den letzten sechs Jahren hat der Motorradverkehr extrem zugenommen“, erklärt Andreas Riedl vom Dachverband für Natur- und Umweltschutz. Dazu kommt das Beschleunigungsverhalten der Motorradfahrer, das anders als bei Autos ist. „Die meisten Motorradfahrer beschleunigen noch aus der Kurve heraus. Auf der einen Seite sorgt gerade das für den Spaß beim Fahren. Auf der andern Seite bedeutet das aber Lärm, viel Lärm.“

Riedl hat bereits von Bergsteigern gehört, die sich über eine Seillänge hinweg akustisch nicht mehr verstehen konnten, weil der Lärm der Motorräder im Hintergrund zu stark war. Angesichts solcher Episoden kommt vermehrt die Frage auf, ob nicht gerade der Motorradtourismus andere Touristen wiederum verdrängt – eben jene, die am Berg eher die Ruhe und das Naturerlebnis suchen. Letztere zugunsten der Motorradfahrer zu verlieren würde sich nicht rentieren, ist Riedl überzeugt. „Motorradfahrer sind keine 'guten' Gäste“, fährt Riedl fort: „Sie fahren schnell wieder weiter, halten höchstens an einer Raststätte. Den Gastwirten bringen Wanderer und Radfahrer viel mehr ein.“ Durch die Lärmbelastung würden diese aber zunehmend abgeschreckt werden.

Was tun also, um den Motorradverkehr zu reduzieren? In letzter Zeit wurden Rufe nach einer Maut auf Südtirols Pässen laut. Doch eine Maut würde genau das Gegenteil bewirken, sagt Riedl. Als empirisches Beispiel dafür dient das Timmelsjoch. Seit dort eine Maut erhoben wird, hat der Verkehr sogar noch zugenommen. Auf den ersten Blick scheint das ein Widerspruch. „In Wirklichkeit haben die Betreiber der Straße nun keinen Grund mehr, den Verkehr zu beschränken, im Gegenteil, sie bewerben ihn“, erklärt Riedl. Gleichzeitig werde die Maut bei vielen Fahrern als eine Art Eintrittspreis verstanden. Folglich will man auch eine Gegenleistung: Man will sich austoben, erst recht aufs Gaspedal drücken, man will gute Straßen, Aussichtsplattformen und vieles mehr. „Das führt dann geradewegs in die Entwicklung, die man gerade in der Schweiz beobachten kann", so Riedl.

Aus diesem Grund plädiert ebenso wie der Dachverband auch Hanspeter Niederkofler (Grüne) für Zeitfenster als Lösung. „Man könnte festlegen, dass nur zu einer bestimmten Uhrzeit gefahren wird“, erörtert Niederkofler: "So kann der Verkehr über die Pässe am effizientesten und auch am flexibelsten reduziert werden. Für einheimische Pendler können nämlich Ausnahmeregelungen vereinbart werden." Zeitfenster als Lösung des Problems wären mit geringem Aufwand verbunden. Auf dem Spiel steht hingegen nicht wenig: „Der Welterbe-Status der UNESCO ist ein klarer Auftrag“, sagt Andreas Riedl vom Dachverband: „Und es gab auch schon Fälle, wo dieser Status wieder entzogen wurde, weil man dem Auftrag nicht gerecht wurde.“

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Werner S Mo., 01.08.2016 - 10:45

Bergstrassen mit 50 km/h

Leiser, sicherer und entspannter wären unsere Passstrassen würden sich die Motorrad- und Autofahrer an die Geschwindigkeitsbegrenzung halten.

Deren Einhaltung könnte mit Hilfe von Sensoren in bestimmten Abschnitten der Passstrassen kontrolliert werden, ähnlich dem Tutorsystem auf der Autobahn.

Und unsere Bergstrassen blieben offen, wären sicherer, leiser und attraktiver!

Mo., 01.08.2016 - 10:45 Permalink