Gesellschaft | Anonymität

Zeigt her eure Namen

Einige Politiker wollen anonymen Kommentaren auf Online-Portalen den Garaus machen. Durch die Streichung von Geldmitteln oder Selbstregulierung.

Für die einen ist sie ein unantastbares Gut der Meinungsfreiheit, den anderen ein Dorn im Auge: die Anonymität im Internet. Zu letzteren zählt Waltraud Deeg. Geht es nach der Landesrätin für Informatik, Familie und Personal, sollen in Zukunft anonyme Kommentare auf Online-Portalen vom Bildschirm verschwinden. Wie sie das erreichen will? Durch die Einführung eines Passus im neuen Medienförderungsgesetz des Landes: Online-Portale, die es ihren Usern weiterhin erlauben, ohne Angabe von Namen und Adresse Kommentare abzugeben, sollen keine Fördergelder vom Land erhalten.


'Böse' Medien, 'brave' Medien?

Grund für die Kampfansage ist (anders, als es die aktuelle Welle an Hetzkommentaren in sozialen Netzwerken und Online-Portalen hätte vermuten lassen können): Waltraud Deeg und mit ihr zahlreiche Politikerkollegen fühlen sich persönlich angegriffen. Kritik sei ja gut und recht, aber wenn jemand auf Online-Portalen anonym über Politiker herziehe, sei das “absolut feige”, ist Deeg der Meinung. Im Gespräch mit der Tageszeitung erklärt sie: “Wir Politiker müssen für alle unsere Taten den Kopf herhalten – dasselbe sollte auch für die Kommentatoren gelten. Es kann nicht sein, dass jeder im Netz seinen Müll ablegen kann, ohne dass man die betroffene Person kennt.” Weniger schlimm sieht Andreas Pöder die Sache. Er hält zwar bei den Online-Kommentaren ebenfalls die Grenzen der Tolerierbarkeit oft “weit überschritten”. “Aber”, so Pöder, “ich nehme die Leute, die nicht die Eier haben, unter ihrem echten Namen öffentlich zu schreiben einfach nicht ernst.” Er sieht den Vorschlag, Online-Medien über die Förderungsschiene anonyme Kommentar-Foren zu verbieten skeptisch: “Ich bin kein Freund der Idee, dass die Südtiroler Politik über das Mediengesetz und übers Geld  die Medien diszipliniert. Das käme einer Art goldenem Maulkorb gleich: Wer sich anpasst, kriegt Geld. Dabei wird es schwierig eine Grenze zu ziehen. 'Brave' Medien erhalten weiterhin Förderungen und 'böse' Medien erhalten keine? Wer entscheidet nun, welche 'brave' und welche 'böse' Medien sind?”


Was bringt die Anonymität?

Sinnvoller hält Pöder eine Selbstregulierung der Online-Portale. “Online-Kommentare sollten ähnlich behandelt werden wie gedruckte Leserbriefe – immer unter Angabe von Namen und Herkunft.” Darüber hinaus sollte bei jedem Kommentar die IP-Adresse mit veröffentlicht werden. Anderer Weg als jener von Deeg, selbes Ziel: keine Anonymität auf Online-Portalen. Was den Politikern zu gefallen scheint, stößt bei zahlreichen Menschen auf Ablehnung. Ein User bringt seine Zweifel auf der Internetseite der Tageszeitung zum Ausdruck: “Man kann schon verstehen, dass die Politiker die Foren nicht mögen. Manche Forenten (Forenteilnehmer, Anm. d. Red.) scheinen überhaupt keine Erziehung genossen zu haben. Auch leidet die Qualität eines Forums unter diesen Trollen. Wenn dieser Gesetzespassus wirklich eingeführt wird, wird das jedoch folgende Auswirkungen haben: Es posten dann tendentiell nur Extrovertierte; Political correctness wird Überhand nehmen; vor allem sogenannte Gutmenschen (also die, die nur darauf aus sind sich selber gut zu fühlen und schreiben, um ihr eigenes Gewissen zu beruhigen) werden gehäuft in den Foren ihr Ansehen steigern wollen; Leute, die Internas kennen zu scheinen, jedoch wohl berufliche Nachteile in Kauf nehmen müssten, wenn sie ihre Identität preisgäben, werden sich dann nicht mehr einbringen.”


Von Konsequenzen und Verantwortung

“Es ist total einfach, die Anonymität der Schreiberlinge in den Foren festzustellen”, erinnert ein anderer User. Denn um anonymen Kommentatoren, die die Grenzen des guten Benehmens überschreiten, auf die Schliche zu kommen, gibt es bereits Möglichkeiten und Wege. Es reicht eine Meldung bei der Postpolizei. Diese kann über die IP-Adresse die Identität der Hetzer herausfinden. Denn das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Auch wenn das oft und gerne vergessen wird.

Doch Hass und Hetze im Netz verstecken sich inzwischen ohnehin immer seltener hinter anonymen Accounts, immer häufiger wird unter dem Klarnamen Luft abgelassen. “Ich bin der festen Überzeugung, dass wir diese Menschen die Folgen ihrer Worte spüren lassen müssen”, schrieb Hasnain Kazim vor einigen Tagen in seinem Blog auf Spiegel Online. Der Türkei-Korrespondent des deutschen Wochenmagazins zitiert einen Satz, des französischen Schriftstellers Antoine de Saint-Exupéry: “Vergiss nicht, dass dein Satz eine Tat ist.” “Die Freiheit zu äußern, was man denkt, was einem auf dem Herzen liegt, sollte freilich so groß wie möglich sein. Und natürlich kann jeder äußern, was er mag – aber er muss auch die Konsequenzen tragen. Für seine Worte trägt man Verantwortung, für seine Sätze muss man geradestehen”, erinnert Kazim.