Gesellschaft | Bildungsgesetz

Rekurs unter Vorbehalt

"Lehramtsstudenten bitte nicht bevorzugen" fordert eine Gruppe von 230 Lehrerinnen und Lehrern. Warum sie einen Rekurs gegen das neue Bildungsgesetz in Betracht ziehen.

“Ungleiche Lehrbefähigungen sollen nicht ungleich behandelt werden”, versicherte Bildungslandesrat Philipp Achammer im Rahmen der Dialogrunden zum neuen Bildungsgesetz, die im heurigen Herbst stattgefunden haben. Aus diesem Grund sieht der Bildungsomnibus die Schließung der bestehenden Landesranglisten und die Errichtung einer neuen Landesrangliste vor, in denen die BewerberInnen nach Punktezahl gereiht werden. Ein Schritt, um der Tatsache, dass Lehrpersonen, die sich um die (unbefristete) Aufnahme bewerben, ganz unterschiedliche Ausbildungswege beschritten haben, gerecht zu werden. Ende gut, alles gut? Von wegen – eine Gruppe von Lehrpersonen droht dem Land mit einem Rekurs gegen das neue Bildungsgesetz. salto.bz hat mit einer von ihnen gesprochen.

Warum wird Rekurs gegen das neue Bildungsgesetz eingelegt?
Wir hoffen, dass gar kein Rekurs nötig wird, sondern dass die Angelegenheit vorher geregelt wird. Zum Rekurs wird es nur kommen, wenn das Gesetz weiter so bestehen bleibt.

Was hat Sie und ihre KollegInnen in Aufruhr versetzt?
Es geht darum, dass verschiedene Lehrbefähigungen weiterhin ungleich behandelt werden. Also jene, die durch ein Lehramtsstudium im Ausland erworben wurden und jene, die durch Sonderlehrbefähigungskurse erlangt worden sind.

Wo genau findet sich diese Ungleichbehandlung?
Der Plan der Landesregierung ist ja, die Landesranglisten zu schließen und im Reißverschlusssystem mit der neuen Rangliste zu vereinen. Das heißt, es kann abwechselnd eine Lehrperson von der alten Rangliste und eine von der neuen Rangliste eine Stammrolle wählen.

Ein Gutachten einer Rechtsanwaltskanzlei bescheinigt uns die Verfassungswidrigkeit des neuen Bildungsgesetzes. Nun warten wir auf das Gutachten, das Landesrat Achammer seinerseits einholen will.

Wo liegt da das Problem?
Vor der Ausarbeitung des neuen Bildungsgesetz gab es zwei Ranglisten. Zum einen die Schulranglisten, in denen die Unterrichtenden ohne Lehrbefähigung aufgenommen wurden – die Supplenten praktisch. Darunter auch 30-, 40-Jährige, die bereits seit zehn, fünfzehn Jahren unterrichten und immer noch einen befristeten Vertrag haben beziehungsweise dabei sind, die Lehrbefähigung durch Besuch der Kurse zu erlangen. Von der zweiten, der Landesrangliste aus, können die Stammrollen gewählt werden. Nun ist es so, dass diese 2006/07 italienweit geschlossen wurde. Wer zu diesem Zeitpunkt noch dabei war, die Lehrbefähigung zu erlangen, durfte sich “mit Vorbehalt” in diese Rangliste eintragen. Das waren sowohl die Lehramtsstudenten im Ausland als auch jene, die hierzulande Lehrbefähigungskurse besuchten, um einen fixen Arbeitsplatz wählen zu können – weil es in Italien ja kein Lehramtsstudium gibt. Das Problem liegt darin, dass es keine zeitliche Deckelung für diese Landesranglisten gab.

Uns wird vorgeworfen, eine Art billigen “Schnellsiederkurs” zu absolvieren und viel zu schnell und einfach zur Lehrbefähigung zu gelangen.

Was bedeutet das konkret?
Das bedeutet, dass es 2014 immer noch die “alten” Lehramtsstudenten gibt, die mit Vorbehalt auf diesen Ranglisten aufscheinen. Sie haben sich damals – 2006/07 – sozusagen einen Platz darauf reserviert. Wenn sie also mit ihrem Studium fertig sind, überholen sie bei der nächsten Ranglistenerstellung im März uns Lehrpersonen, die (noch) keine Lehrbefähigung haben, aber gerade die Kurse besuchen. Mit den Kursen hat es ja auch immer wieder Probleme – rechtlicher und organisatorischer Art – gegeben, aber im März werden wir alle unsere Lehrbefähigung in den Händen halten. Wir, das sind Lehrpersonen mit teilweise Jahrzehnten an Berufserfahrung, die von frischen Studienabgängern in der Wahl der Stammrolle überholt werden.

Die Lehramtsstudenten üben einen unmöglichen Druck auf die Landtagsabgeordneten und die Gesetzgebungskommission aus.

Was ist nun Ihre Forderung?
Die Vorbehalte sollen umgehend gestrichen werden und nicht, wie im neuen Bildungsgesetz vorgesehen, bis 2017 weitergeführt werden. Wir fordern ein Ende der Diskriminierung jener, die jahrelange Berufserfahrung mitbringen und auf den Ranglisten hinter denen gereiht werden, die sich vor acht Jahren einen Posten reserviert und bisher nie gearbeitet haben. Jene, die ihr Lehramtsstudium vor 2006 begonnen haben und in nächster Zeit abschließen, sollen auf jeden Fall in der neuen Landesrangliste gereiht werden, aber hinter uns, die wir jahrelange Unterrichtserfahrung mitbringen.

Um die Absurdität der Situation zu verdeutlichen, ein Beispiel: Jemand hat sich 2005 in ein Lehramtsstudium inskribiert, und sich 2006/07 vor der Schließung der Landesranglisten einen Posten darauf reserviert. Nach seinem Abschluss 2014 wird er auf einem der vorderen Plätze gereiht. Ein anderer Student hat sich 2010 für dasselbe Lehramtsstudium entschlossen, schafft den Abschluss in Rekordzeit, hat aber keine Chance gegen die andere Person, die neun Jahre für das gleiche Studium gebraucht hat. Nach welchen Kriterien wird hier bewertet?

Es scheint eine ziemliche Kontroverse zwischen jenen, die Kurse besuchen müssen, um die Lehrbefähigung zu erlangen und jenen, die sie durch ein Studium erhalten, zu geben?
Es ist nie zu einer persönlichen Auseinandersetzung gekommen, doch hat es Anfang Dezember einen Artikel in den Dolomiten gegeben, wo Manuel Raffin, Lehramtsstudent in Österreich, gewettert hat: “Man bestraft uns für unser Studium.” Der Vorwurf war, dass die Lehramtsstudenten ein viel schwierigeres Studium zu absolvieren hätten bevor sie in die Unterrichtswelt eintreten können, während wir eine Art billigen “Schnellsiederkurs” absolvierten und viel zu schnell und einfach zur Lehrbefähigung zu gelangten.

Dem ist aber nicht so?
Man muss sich schon bewusst sein, dass auch wir, die die Kurse besuchen, allesamt Akademiker sind und ein vier- oder fünfjähriges Studium hinter uns haben, plus die didaktische Ausbildung – wir gehen den vom italienischen Gesetzgeber vorgesehenen Weg der Lehrerausbildung.

Und werden dafür angefeindet?
In einem Gespräch mit Landesrat Achammer hat sich herausgestellt, dass die Lehramtsstudenten einen unmöglichen Druck auch auf die Landtagsabgeordneten ausüben. Und da die Materie so komplex ist, hat sich die Gesetzgebungskommisison zum Teil von deren Forderungen überzeugen lassen. Auf dieses Niveau haben wir uns nie herabgelassen.

Jene Lehrpersonen, die zum Teil Jahrzehnte an Berufserfahrung, aber (noch) keine Lehrbefähigung haben werden auf den Ranglisten einfach überholt.

Wenn Sie von “wir” sprechen, wen meinen Sie da?
Es sind an die 230 Lehrerinnen und Lehrer, die derzeit die Sonderkurse zum Erhalt der Lehrbefähigung besuchen. Ungefähr 100 davon haben Geld gesammelt um die Anwaltskosten für die Erstellung eines Gutachtens aufzubringen. Dieses bescheinigt uns die Verfassungswidrigkeit des neuen Bildungsgesetzes. Nun hat Achammer angekündigt, seinerseits ein Gutachten einholen zu wollen.

Auszug aus dem Gutachten, welches der Redaktion vorliegt.

Philipp Achammer hat also bereits auf Ihre Rekurs-Ankündigung reagiert. Gab es weitere Reaktionen?
Ich habe heute (30. Dezember, Anm. d. Red.) eine E-Mail von Magdalena Amhof erhalten, wo sie uns zur Anhörung des neuen Bildungsgesetzes im Landtag am 8. Jänner einlädt. Ich hoffe, dass Achammers Gutachten bis dahin vorliegt. Mitte Jänner soll dann im Plenum abgestimmt werden.

Wie gestalten sich die Beziehungen zum neuen Bildungslandesrat insgesamt?
Er hat eine sehr angenehme Art und Weise, das hat sich auch während dem Bildungsdialog bewiesen. Er hat Verständnis für unsere Anliegen gezeigt und zugehört. Wir haben gemerkt, dass er mit der Aufrechterhaltung des Vorbehaltes bis 2017 für jene Lehrpersonen kämpft, die sich für ein berufsbegleitendes Lehramtsstudium entschieden haben. Und dafür zeigen wir vollstes Verständnis, wenn das jemand auf sich nimmt, hat er oder sie eine gute Position verdient. Aber es gibt auch diese “ewigen Studenten”, die sich dazumal eine gute Ausgangslage reserviert haben. Und diese sollen bitte nicht bevorzugt werden.

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Judith Nachname Fr., 09.01.2015 - 17:08

Ich selbst habe mir diesen Platz „reserviert“. Ich habe aber seit drei Jahren fertig studiert und wollte nach meinem Studienabschluss ins Ausland um Erfahrungen zu sammeln. Ich habe an verschiedenen Schulen und Sprachschulen unterrichtet. Also: Ich habe gearbeitet. Im Ausland. Also ERFAHRUNG gesammelt. Daran fehlt es mir also nicht! Ich habe auch während meines Studiums gearbeitet – u.a. in Schulen, als Supplentin. Viele StudentInnen machen das.
Nun frage ich mich, was für ein Argument die 230 LehrerInnen haben, welche sich so aufregen. Haben die auch gearbeitet und deshalb nicht die didaktische Ausbildung vorher besucht?
Ich kenne genug „alte“ Lehrer, die sich sofort aufgemacht haben und nach Innsbruck gependelt sind (oder es immer noch tun!) um die didaktische Ausbildung nachzuholen! Ich kenne auch genug „alte“ Lehrer, die gleich das ganze Studium absolviert haben - BERUFSTÄTIG!!!
Ganz wichtig ist hier zu unterscheiden, dass dieses „reservieren“ keinesfalls bedeutet, man habe das Studium nicht abgeschlossen. Ich bin selbst gerade dabei, die Anerkennung meiner Lehrbefähigung in Rom durchzubekommen – und das dauert. Ich habe, wie oben erwähnt, mich nur nicht gleich für Südtirol entschieden. Werde ich jetzt dafür bestraft?
Die 230 Lehrer haben sich auch ganz schön lange Zeit gelassen „Wir, das sind Lehrpersonen mit teilweise Jahrzehnten an Berufserfahrung“ um ihre Lehrbefähigung zu erhalten, oder („ Jahrzehnte“)? Da darf ich auch im Ausland Erfahrungen sammeln, oder?
„Man muss sich schon bewusst sein, dass auch wir, die die Kurse besuchen, allesamt Akademiker sind und ein vier- oder fünfjähriges Studium hinter uns haben, plus die didaktische Ausbildung – wir gehen den vom italienischen Gesetzgeber vorgesehenen Weg der Lehrerausbildung.“ - ich gehe denselben Weg, nur mit Umweg : Ich lasse mir meine Lehrbefähigung in Rom anerkennen. Falls diese 230 Lehrer, die genannt werden, auch „ den vom italienischen Gesetzgeber vorgesehenen Weg der Lehrerausbildung“ gehen, dann verstehe ich nicht, warum ihre Ausbildung in Rom nicht anerkannt wird und sie noch diese Kurse besuchen müssen, um ihre Lehrbefähigung zu erhalten?? Diese 230 Lehrer haben sich auch ganz schön lange Zeit gelassen „Wir, das sind Lehrpersonen mit teilweise Jahrzehnten an Berufserfahrung“ um ihre Lehrbefähigung zu erhalten, oder („ Jahrzehnte“)? Haben sie also dann „Jahrzehnte“ lang ohne Lehrbefähigung unterrichtet und sich auch „Jahrezehnte“ lang vor der didaktischen Ausbildung gedrückt?

Fr., 09.01.2015 - 17:08 Permalink