"Südtirol ist immer noch zu autoreferentiell"
Auf die Belegschaft der lokalen Spitäler folgen im Ausland tätige Mediziner und Forscher: Zahlreiche Primare und Ärzte des Südstern-Planeten Medizin erhielten am Freitag Nachmittag einen Einblick in Martha Stockers Leitlinien der Gesundheitsversorgung Südtirol 2020. Nach den teils heftigen Protesten aus den heimischen Krankenhäusern legt die Gesundheitslandesrätin Wert darauf, auch die Meinung und Vorschläge von im Ausland lebenden Fachpersonen zum „sehr emotionalen Thema“ der Gesundheitsreform zu hören, wie sie unterstrich. „Inzwischen ist der erste Schock überwunden und die Diskussion hat sich auf eine rationale Ebene verlagert“, erklärte Stocker. „Fast allen ist bewusst, dass eine Reform notwendig ist, auch wenn unterschiedliche Meinungen darüber bestehen, wo und wie diese umzusetzen ist.“
Mehr Raum für Forschung
Zumindest laut Landespresseamt erntete Stocker eine grundsätzliche Zustimmung zu ihrer Reform. Übereinstimmend aber auch die Überzeugung, dass die Forschung in Südtirols Gesundheitswesen zu kurz kommt. Südtirol sei immer noch zu „autoreferentiell". „Wir kommen aus einer Kultur der Versorgungsmedizin. Eine Kultur der Forschungsmedizin muss erst aufgebaut werden", lauteten einer der Kritikpunkte. Dafür müsse auch die Trennung zwischen Wissenschaft und Klinik abgebaut werden, lautete der Tenor der Wortmeldung beim Treffen in der Bozner Eurac. Interessierten jungen Ärzten sollte die Möglichkeit geboten werden, auch innerhalb des Sanitätsbetriebs Forschungsarbeiten durchzuführen; dafür seien einerseits finanzielle Mittel, vor allem aber auch ein angemessenes Zeitpensum neben der Routinearbeit vorzusehen.
Betreuung zu Hause
Impulse gab es auch aufgrund von Erfahrungen der TeilnehmerInnen in anderen Ländern. Auch dort sei kämpft man fast überall mit ähnlichen Schwieirigkeiten wie in Südtirol, wurde festgestellt. Ein Beispiel, wie man die drohenden Kostenexplosion in der Schweiz in den Griff bekommen hat, brachte die in Zürich tätige Kinder- und Jugendpsychiaterin Veronika Mialänder-Zelger. Sie berichtete, dass dort die ambulante Behandlung so weit wie möglich durch Formen der Betreuung zuhause ersetzt wurde. So würden junge Mütter in der Schweiz sehr rasch nach der Entbindung aus dem Spital entlassen, erhielten dafür aber mindestens zehnmal Besuch von einer Hebamme, die sie während der ersten Wochen unterstützt und eventuell weitere Hilfsangebote zur Verfügung stellt. Dies sei im Endeffekt wesentlich billiger und mindestens gleich effektiv wie ein längerer Spitalaufenthalt, erklärte Mailänder-Zelger.
Ein Trend, den auch Susanne Elsen, Prodekanin für die Forschung an der Universität Bozen, bestätigte. Sie wies darauf hin, dass die Änderung in der Demographie eine enge Zusammenarbeit zwischen den Hausärzten und den Pflegekräften notwendig mache. In Zukunft sollte vermehrt auf die Ausbildung von Laienhelfern gesetzt werde; in Japan habe man damit schon gute Erfahrungen sammeln können, berichtete Elsen.