Culture | Salto Weekend

Haltung und Spiegelbild

Zurückhaltend und mit formaler Strenge präsentieren sich die Arbeiten des italienischen Künstlers Italo Zuffi in der Galerie ar/ge kunst.
arge1.jpg
Foto: Salto.bz

Eine uniform gerahmte Bilderserie mit Zeitungs- und Magazinausschnitten, ausgedruckten Mails und Webseiten erstreckt sich über die Länge einer Wand. Der Werkreihe gegenüber hängen monochrome und bunte Kreisskulpturen mit Spalten, Lücken, Einschnitten, Zäsuren: Diagramme die ihr Wissen nicht preisgeben, obwohl sie es uns vor Augen führen.

 

Copyright

 

Die von Emanuele Guidi kuratierte Ausstellung postura, posa, differita (Haltung, Pose, Zeitversetzt) ist das Schlussspiel eines Ausstellungszyklus der 2015 in der Nomas Foundation in Rom begonnen und im MAN in Nuoro fortgesetzt wurde. Die drei sich ergänzenden, aber dennoch voneinander unabhängigen Ausstellungsprojekte stellen die Recherchearbeit und somit die Zeitlichkeit als Arbeitsinstrument Italo Zuffis in den Vordergrund. Das zur Schaustellen der Materialien auf die sich die konzeptuellen Arbeiten des in Mailand lebend Künstlers stützen, ermöglicht eine vielseitige und bewusste Anschauung seiner Werke. Die originären Ideen selbst gliedern sich als Relikte, beispielsweise als fotografische Dokumentation einer Performance, dem Konvolut ein. Was zu sehen ist, ist das Ergebnis eines über Jahre dauernden Prozesses.

 

Copyright

 

Italo Zuffis künstlerische Haltung zeigt sich in der Arbeit I rigidi (2006 - 2016). Ausgangspunkt dieser Auswahl von Bildern zeigt Performances anderer Künstler, sowie Werbeanzeigen aus Zeitschriften. Die darauf abgebildeten Körper stets in starren Positionen, wie Spiegelbilder mit Abweichungen. Ausgangspunkt für diese Bildersammlung bildet Zuffis eigene Performance The reminder, 1997. Ein Bild mit einfachen geometrische Formen inspirierte den damals noch studierenden Künstler zu der Performance, eine unnatürlich gestreckte Position einzunehmen und in diese dreißig bis vierzig Sekunden lang reglos zu verharren. Ähnliche Ansätze verfolgten bereits Bruce Nauman und Valie Export, die ebenfalls in der Bilderreihe zu sehen sind. Die Serie veranschaulicht allerdings keine systematische Recherche. Der Künstler hat nicht nach den Bildern gesucht, sondern hat sie eher zufällig gefunden: „gli raccoglievo“.  Italo Zuffis Interesse gilt vorrangig dem Experiment mit Körpern und Räumen, sowie dem Ausloten symbolischer Gesten:„Il motivo perché ho fatto questa prima performance, è che stavo lavorando sul corpo nello spazio e volevo rendere il mio corpo un oggetto. Un oggetto rigido nello spazio. Anche perché ero irrigidito. Gli altri artisti cui presento cui in mostra, penso seguano la stessa idea.“

La ragazza caduta nel vuoto sta meglio

Ein weiteres modernes und auch zeitgenössisches künstlerisches Motiv, dass sich in der Ausstellung wiederfindet ist das Fallen oder Stürzen, wie die Arbeit Broken Fall des niederländischen Video- und Konzeptkünstlers Bas Jan Ader, oder Yves Klein Sprung in die Leere im Jahr 1960. Der Arbeitszyklus La ragazza caduta nel vuoto sta meglio, 2001 – 2016 besteht aus einer Serie von Blechen, in die der Titel der Arbeit, den der Künstler vor Jahren auf einem Plakat gelesen hatte, gestanzt ist. Die Bleche werden von Zeitungsausschnitten begleitet, die von ähnlichen Ereignisse erzählen, so Zuffi: „Questo progetto nasce di una locandina che ho trovata che dice: La ragazza caduta nel vuoto sta meglio. Dopo un po’ mi sono accorto, che nei giornali ci sono tanti episodi di donne o ragazze che cadono. Spesso queste cadute sono mortali. Questo lavoro pero e una raccolta di articoli sulla salvezza, su donne e ragazze che si sono salvate. È anche un lavoro sulla vertigine, sul corpo e sulla gravità.“ Die künstlerische Arbeit ist eine persönliche Deutung des kontinuierlichen Stroms an Nachrichten, die vor allem durch Empathie geprägt ist.

Per me il fatto che una forma fosse generata e rigenerata dalle risposte delle persone era straordinario.

Herausragend, obgleich minimalistisch ist die jüngste Arbeit in der Ausstellung. Die Serie kreisrunder Keramiken, die der Künstler u.a. auch in den Werkstätten der Thun in Bozen hergestellt hat, abstrahiert das Ausgangs- bzw. Recherchematerial und eröffnet damit einen anderen ästhetischen Raum. Die Keramikskulpturen bilden öffentlichen Umfragen ab - auch diese in Zeitungen und Zeitschriften erschienen - die Themen wie Immigration, Euthanasie, Braindrain, Europa und die Krise behandeln. Diese Versuche einer Kollektivdarstellung der Meinung italienischer Bürger sparen jedoch die einzelnen prozentuellen Angaben der Umfragen aus. Die statistische Sichtweise wird untergraben. „Mi interessava come porre delle domande alle persone genera una forma. L’ idea parte da immagini trovati sui giornali, grafici di percentuali. Per me il fatto che una forma fosse generata e rigenerata dalle risposte delle persone era straordinario.“ Die Titel der Keramiken geben die Frage die hundert, oder tausend Personen gestellt wurde nüchtern wieder. In Zuffis Darstellung werden die Antworten zu einem formalen Fakt, abstrakt und unleserlich. Das Werk spiegelt allein die Frage wieder, stellt sie den Betrachter_innen. Der Kreis schließt sich.

 

Copyright

 

Italo Zuffi - postura, posa, differita
ar/ge kunst vom 23.09. - 26.11.2016