Culture | Film & Kunst

The Magnificent Seven

In der Galerie Prisma wird den Bildern das Laufen beigebracht. Bis 22. April präsentiert der Südtiroler Künstlerbund sieben Positionen zum Thema Film und Kunst.

Die Künstler_innen in der von Martin Hanni kurtatierten Ausstellung The Magnificent Seven setzen sich auf unterschiedliche Weise mit Film- und Kino auseinander, lassen Skulpturen und Bilder entstehen, bringen das bewegte Bild zum Stillstand oder stille Eindrücke in Bewegung. Im Galeriekino Cinema werden zudem zwei poetischen Dokumentarfilme, „Vera“ von Francesca Melandri und „Nauz“ von Jochen Unterhofer und Florian Geiser laufen. Die beiden Filme bringen Leben und Tod, die großen Themen der Menschheit, auf die kleine Galerieleinwand. Ein bewegender Dialog zwischen Film, Literatur, Skulptur, Fotografie und Theater.

Die Künstlerin Karin Ferrari untersucht in ihrer Videoserie „DECODING (THE WHOLE TRUTH)“ Symbole in Filmen und Videoclips. Ein Gespräch über die Magie der Bilder und Zeichen.

„Was man als kollektives Gedächtnis bezeichnet, ist kein Erinnern, sondern ein Sicheinigen – darauf dass dieses wichtig sei, dass sich eine Geschichte so und nicht anders zugetragen habe, samt den Bildern, mit deren Hilfe die Geschichte in unseren Köpfen befestigt wird. Ideologien schaffen sich fundierende Archive repräsentativer Bilder, die gemeinschaftliche Vorstellungen von dem, was bedeutsam sei, auf eine Formel bringen und voraussehbare Gedanken und Empfindungen auslösen. (Susan Sontag: Das Leiden anderer betrachten, S. 99)

Deine Arbeiten sind kulturwissenschaftliche und -historische Analysen von Symbolen und Bildern - teils assoziativ und spekulativ, teils akademisch. Eine Art künstlerische Wissensproduktion, welche ideologische Diskurse, die die Verbreitung von Bildern strukturieren und ermöglichen, auf sehr konzentrierte Weise erfasst. Du förderst dabei sowohl die historische Analyse, als auch politische Kritik. In „DECODING Katy Perry's Dark Horse (THE WHOLE TRUTH)“ spannst du einen direkten Bezug zu den Enthüllungen von Edward Snowden und Prism. So bringst du gesellschaftspolitische Entwicklungen spielerisch mit Popkultur, mit Musikvideos in Verbindung. Warum suchst du genau in diesem Genre nach versteckten „Wahrheiten“ und wie suchst du die Videoclips aus?

Karin Ferrari: Es sind Videos, die unter Verdacht stehen eine verborgene Agenda zu haben und eine große Reichweite besitzen. Katy Perrys Musikvideo Dark Horse hat vor ein paar Wochen die Milliarden Marke an Klicks erreicht. Meiner Analyse zufolge ist das Musikvideo Dark Horse die verschlüsselte Darstellung archaischer Ritualmagie, welche eine okkulte Elite benutzt um ihre Macht zu sichern. Dabei ist das Konzept einer okkulten Elite gar nicht so abwegig. Gewissermaßen ist die NSA eine okkulte Elite, weil sie im Verborgenen operiert und elitär ist ihr Zugang zu Informationen und Technologien. Das Symbol des allsehenden Auges taucht sehr oft im Musikvideo Dark Horse auf. Ich frage mich wie es dazu kam, dass dieses Zeichen, das einst spirituelle und religiöse Konnotationen hatte, zum Emblem von Verschwörungstheorien, aber auch eines real existierenden dystopischen globalen Überwachungsapparates wurde, der uns von oben mit Dronen beobachtet. Die Entwicklung dieses Symbols und seiner Bedeutung versuche ich im Video nachzuzeichnen.

Heute werden Bilder wie Sprache angeeignet und verwendet. Repräsentationsmechanismen zu hinterfragen, Bilder und Motive auf ihre Wirkungsweise und ihren Entstehungskontext zu untersuchen geht auch mit einer gewissen Selbstermächtigung einher. Allgemein hat die „Bildkompetenz“ zugenommen und ist nicht nur mehr „Expertenwissen“. Intentional oder nicht positionieren sich Bilder und zwingen die Betrachter_innen ihnen gegenüber Position zu beziehen. Deine Arbeiten haben auch etwas sehr didaktisches...

K.F.: Der didaktische Ansatz ist ein Stilmittel. Es geht mir aber auch darum ein bewusstes selbstreflexives Erleben zu befördern. Die Leute sollen bemerken, wie sich ihre Wahrnehmung entwickelt und was sie beeinflusst. Ich möchte die Art und Weise wie die Betrachter_innen sich diese Videos ansehen verändern.

Zudem betonst immer wieder, dass es geht dir um das entziffern versteckter Botschaften geht. Dabei bemühst du auch eine Rhetorik, die mich sehr stark an jene der Verschwörungstheorienerinnert, beispielsweise wenn du in deiner Analyse des Katy Perry Videos von okkulten Eliten sprichst. Nach 9/11 hatten verschwörerische Bild- bzw. Videoanalysen Hochkonjunktur im Netz. Allerdings analysierst du künstlerische Artefakte, eben Musikvideos. In welchem Maß ist dein Bezug auf diese Videos und Rhetoriken ironisch?

K.F.: Ironisch sind meine Arbeiten nicht und ich mache mich auch nicht über die Verschwörungstheorien lustig. Es ist vielmehr ein Stilmittel auf das ich mich beziehe. Ich eigne mir gewisse Techniken an und infiltriere das Medium mit meinen Videoanalysen. Ähnliche Videos die versuchen opake Machstrukturen zu entziffern, also die Vorbilder für meine Videoanalysen, finden sich im Internet. Wir leben in einer sehr komplexen Welt. Historisch hat es immer wieder Fälle gegeben, bei denen sich hausgestellt hat, dass die Bevölkerung manipuliert und belogen wurde. Das Misstrauen gegenüber kommerzieller und politischer Bildproduktionen hat seine gute Berechtigung.

Auch ist in deiner künstlerischen Praxis immer wieder die Rede von Magie. Azelia Banks hat deine Analyse ihres Videos in den Gefilden des www gefunden und getwittert: „Look guys, I m really a witch!“ Welche Rolle spielt Magie in deiner Praxis?

K.F.: Das Schreibkollektiv CCRU definiert Magie als den Einsatz von Zeichen um Veränderungen der Realität zu bewirken. Ich habe keine Scheu den Begriff Magie zu verwenden. Ich mag ihn, weil er das Versprechen birgt, dass es möglich ist die Wirklichkeit zu verändern. Ich glaube es ist sehr wichtig, dass wir neue Denkbilder und -modelle entwickeln, um über das Bekannte hinausgehen zu können. In den 90ern haben CCRU Texte geschrieben, die der Literaturgattung „Theory Fiction“ zugeteilt werden können, in denen sie unorthodoxe Methoden und fantastische Inhalte mit der Autorität einer akademischen Sprache verbinden. Der Neologismums „Hyperstition“ ist zusammengesetzt aus Hyper und Superstition und bezeichnet Fiktionen, die sich selbst Wirklichkeit werden lassen. Das passiert im Alltag beispielsweise in der spekulativen Finanzwirtschaft, wenn Prognosen den Markt ganz real beeinflussen.

Ein Pendant des Begriffs könnte die self-fulfilling prophecy, die selbsterfüllende Prophezeiung sein...

Ja genau, das ist spannend. In der Internetparanoia gibt es den Begriff des „predictive programming“ (vorhersagende Programmierung). Mit diesem wird umschrieben wie Blockbuster Filme, oder auch Nachrichtenformate unsere Realität formen, indem sie gewisse Konzepte oder Vorstellungen verbreiten. Grob gesagt - erst weil die Zuschauer_innen an die Nachrichten glauben, werden sie zur Realität. Im Rahmen der ORF III Artist in Residence Pixel, Bytes & Film habe ich in den Intros des Nachrichtenmagazins ZIB versteckte Botschaften aufgedeckt und u.a. auch die Absicht des predictive programmings unterstellt. Ich habe die Arbeit in Büchsenhausen in Innsbruck präsentiert bei der Veranstaltung „Hyperstition.  Challenging Dominant Reality Today“ ein Symposium mit Mark Fisher, übrigens einer der Gründungsmitglieder von CCRU, Armen Avenessian und mir. Dabei hat sich herausgestellt, dass Avanessian gemeinsam mit Suhail Malik vor kurzem das Konzept des post-contemporary entworfen haben. Sie verwenden zwar nicht den Begriff predictive programming, aber auch beim post-contemporary geht es ähnlich wie bei Hyperstition und predictive programming um eine Umkehrung von Ursache und Wirkung in der Organisation von Systemen und Zeit. Als Beispiel nennen sie die Algorithmen von Amazon, die unser zukünftiges Kaufverhalten durch Kaufempfehlungen vorherbestimmen.

Du stellst deine Videoarbeiten ins Internet...

K.F.: Ich denke die Distributionsmechanismen im Kunstfeld haben sich stark verändert. Das Internet ermöglicht es mir viel mehr Leute zu erreichen, als in den eigentlichen Kunsträumen. Außerdem kann bereits die Ettikettierung als „Kunst“ einen verharmlosenden Effekt haben. Im „Weird Part of Youtube“, wo meine Videos zu finden sind, gibt es viel Grenzwertiges, doch ich finde die kollektive Anstrengung Sachverhalte zu verstehen und nach alternativen Erklärungsmodellen zu suchen, also die investigativen Anstrengungen der Leute, die dort ihre Videos veröffentlichen, sehr aussagekräftig und symptomatisch für unsere Zeit.

In den Ausstellungszeitraum von „The Magnificent Seven“ fällt die 30. Ausgabe des Bolzano Film Festival Bozen, welches vom 13.-17.4.2016 in den Sälen des Bozner Capitolkinos, in Kaltern und in Meran Filmkunst und Filmkünstler nach Südtirol holt. Die Galerie Prisma dient an fünf Tagen als Info-Point.
 Die Premiere des Films „Nauz“ findet am Freitag, 15.4. um 18.00 Uhr im Museion statt. Am Sonntag 17.4. wird „Nauz“ um 17.30 Uhr im Capitol Kino, Club 3, wiederholt.