Society | Festival dello Sport

Fußball erzählt von Meistern

Es war ein würdiges Finale des “Festival dello Sport” In Trient. Drei Meister ihres Faches erzählen ihren Lebensmittelpunkt, ihren Fußball.
Arrigo Sacchi, Carlo Ancelotti, Pep Guardiola.jpg
Foto: Salto.bz

Es hatte sich angedeutet. Um 15:30 Uhr war der Event angekündigt, schon um 13 Uhr schlurften die ersten langen Gesichter der in Hunderten anstehenden Menschen zurück von der Kassa des Teatro Santa Chiara. Nix, alles weg. Die Eintrittskarten zum Event der Superlative waren futsch. Keiner wollte es sich nehmen lassen, diese großen Persönlichkeiten, diese drei Lehrer der schönsten Nebensache der Welt hautnah zu erleben. Zehn Champions-League- und unzählige nationale Titel nahmen für eine Stunde auf einer Bühne Platz: Pep Guardiola, Carlo Ancelotti und Arrigo Sacchi gaben sich am Höhepunkt des „Festival dello Sport“ in Trient die Ehre. Die pathetischen Monologe Sacchis, die detaillierten, hektischen Beiträge Guardiolas, die kumpelhaft anmutenden Kommentare Ancelottis - sie offenbarten nicht nur einen Teil ihrer Charakter, man konnte direkt fühlen, wie sie in der Umkleide versuchen, ihren Fußball an ihre Mannschaft zu bringen.

„Mi piacciono dominio, bellezza, spettacolo“ – mit drei Wörtern fasste Arrigo Sacchi seine Philosophie und die seiner beiden Sitznachbarn perfekt zusammen. Manch einem italienischen Catenaccio-Romantiker mag da reflexartig die Ancelottische Augenbraue kurz in die Höhe geschossen sein, aber genau deswegen saßen alle drei da: Sie stehen für Revolution im Fußball, jeder für seine eigene kurze Epoche, jeder mit seinen eigenen Ideen, jedoch in einem Gedanken Brüder im Geiste: den ästhetischen und taktischen Anspruch, den ihre Mannschaften erfüllen sollten. „Con Arrigo abbiamo iniziato ad allenare la tattica. Prima di lui ci si riscaldava, si facevano tiri in porta e poi partitella. Era stravolgente“, erinnerte sich Ancelotti, als er als verlängerter Arm Sacchis auf dem Feld Teil des „Grande Milan“ der späten 80er war. „Una vittoria senza merito non è una vittoria“, philosophierte Sacchi weiter und unterstrich damit nochmal, wie wichtig ihm der offensive Ansatz im Fußball war. „Se giochi con un assetto offensivo come giocatore hai un approccio più ottimista alla partita. Quindi sei più creativo – ed è la creatività che può farti vincere le partite.” Es war dieser optimistische Weg, der seine Rossoneri zwischen 1987 und 1991 von Erfolg zu Erfolg führte. Sein Vorbild damals: Johann Cruyff, Ikone des “totaalvoetbal”, des Totalen Fußballs. Der Niederländer brachte seine Philosophie schließlich nach Barcelona, wo sie dem jungen Pep Guardiola in Fleisch und Blut überging. „Johan Cruyff ci ha fatto capire il calcio in maniera diversa. Lui ci poteva letteralmente spiegare perché vincevamo.”

„Mi piacciono dominio, bellezza, spettacolo“ - Arrigo Sacchi

Der katalanische Taktiker kreierte mit dem „totaalvoetbal“ im Blut und seinem grenzenlosen,  in die Wege gelegten Spielverständnis seinen eigenen Weg. Das „Tiqui Taqua" war geboren. Ein am Ballbesitz orientiertes System, das perfektes Positionsspiel, eine hohe technische Veranlagung und überdurchschnittliche Spielintelligenz voraussetzt. „Non mi piace il termine ‚Tiqui Taqua‘. È troppo ludico. Si tratta di un sistema altamente complesso che devi avere dentro di te. Non è solo un modo di giocare”, predigte Guardiola, angesprochen auf sein Werk. Trotz – oder genau deswegen – konnte Guradiola von 2008 bis 2012 beim FC Barcelona 14 Titel mit teils blutjungen Eigengewächsen einheimsen. Seine Mannschaft bestand aus jungen, hungrigen Spielern, die in der Vereinsakademie „La Masia“ von klein auf das Cruyff-Gen eingeimpft bekamen. Gerard Pique, Andres Iniesta, Sergio Busquets, die älteren Xavi und Carlos Puyol, und nicht zuletzt Lionel Messi waren Produkt einer Schule, deren Stil über Jahre den Weltfußball dominieren sollte. „Ma non era solo il ‚Tiqui Taqua‘. Volevamo dimostrare al mondo che noi giovani siamo all’altezza. Volevamo mangiarcelo. Poi ho avuto la fortuna di lavorare con delle stelle che così ti capita solo una volta nella vita.”

"Volevamo dimostrare al mondo che noi giovani siamo all’altezza. Volevamo mangiarcelo." - Pep Guardiola

Ancelotti, seinerseits ein Schüler Sacchis, führte die Lehre seines Meisters weiter. Er passte sie dem Fußball der 00er-Jahre an und holte so mit dem AC Milan Titel um Titel. Es waren noch glorreiche Zeiten des italienischen Fußball. Jahre, in denen die Serie A gespickt war von Ausnahmekönnern und doch langsam aber sicher dem Loch entgegen raste, in dem sie ab 2010 festsitzen sollte. Ancelotti ging auf Entdeckungsreise durch Europa, wo er in allen großen Ligen Titel einfuhr. „Ci abbiamo messo un po‘, però ci stiamo riprendendo. Sta diventando più propositivo”, erläuterte Ancelotti angesprochen auf die Entwicklung des heimischen Fußballs. „Un bell’aspetto è che anche le piccole squadre hanno un‘identità. Una volta si cercava solo di difendere il risultato contro le big.”

Nach einer Stunde war leiteten die Moderatoren das Ende ein, man hatte schon zehn Minuten überzogen. Geblieben ist ein wohliges Gefühl für den Fußballbegeisterten, ein Gefühl der Zufriedenheit. Die hunderten Zuschauer waren für kurze Zeit in die Umkleidekabine von Sacchi, Guardiola und Ancelotti versetzt worden und durften an deren Expertise schnuppern. Zum Abschluss meldete sich nochmals Sacchi zu Wort und gab den Fans noch eine Weisheit mit: „Il giocatore non deve essere al servizio del gioco, ma il gioco al servizio del giocatore.“