Culture | Salto Afternoon

Die Kunst als Herdentier

Mit Humor und einfachsten Materialien demontiert Judith Hopf soziale und künstlerische Konventionen.
Museion, Judith Hopf
Foto: Foto Luca Meneghel

salto.bz: In Ihrer künstlerischen Praxis spielen formale Aspekte, wie die Formensprache der Moderne, ebenso eine Rolle wie inhaltliche Auseinandersetzungen mit gesellschaftspolitischen Themen. In Bozen zeigen sie Skulpturen aus einfachsten Materialien, aus Ziegelsteinen oder Stoff. Was hat Sie zu diesen Interventionen im Museion inspiriert? Was ist der Motor Ihres künstlerischen Schaffens?

Judith Hopf: Ich habe in letzter Zeit vor allem versucht ein Verhältnis zu dem zu entwickeln, was ich überhaupt tue. Es ist eine sehr konfliktreiche Auseinandersetzung, da mir das ganze Selbstmanagement und auch das vor dem Computer hocken eigentlich ziemlich schwer fällt. Das Netzwerken - egal ob man jetzt Alleine oder im Kollektiv arbeitet - ist zu einer Grundbedingung geworden, um mit Kunst überhaupt an die Öffentlichkeit zu treten. Ich finde es interessant, dass wir denken alles vernetzen zu können und zu müssen, aber sich eigentlich alles zusehends individualisiert und vereinzelt. Mit meiner Produktion möchte ich soziale und politische Situationen kommentieren. Das Handwerkliche, die künstlerische Tätigkeit im Alltag ist mir sehr wichtig.

Der Humor erlaubt es mir einen gewissen Abstand einzunehmen und auf Dinge anders zuzugehen. 
Judith Hopf

Als ich zum ersten Mal im 4. Stock des Museions stand musste ich lauthals lachen. Ich hatte einen regelrechten Schock. Die Schönheit der Natur, der Landschaft die durch die Fenster in die Ausstellung hereinwandert ist künstlerische schwer zu überbieten. Die Idee mit Ziegelsteinen zu arbeiten kommt aus der Auseinandersetzung mit den architektonischen Bedingungen in denen wir uns bewegen. Architektur hat sehr direkte Auswirkungen auf unsere Wahrnehmung. Ich als Künstlerin muss mich auf das Design der Moderne beziehen, weil die Ausstellungsräume eben mit einer gewissen Art von Lichtdesign ausgestattet sind, oder bestimmten Größen aufweisen. Dann muss ich als Künstlerin mal eben 800 Quadratmeter in irgendetwas anderes verwandeln. Diese Praxis ist sicherlich ein Resultat der Moderne und ich versuche erst gar nicht dagegen zu arbeiten, sondern vielmehr diesem Kontext andere Gedanken anzuheften. Grundsätzlich versuche ich den Konfirmismus der sich so oft breit macht, kritisch zu hinterfragen. Dafür braucht es Kommunikationsräume, die andere Diskurse und Denkweisen zulassen. Es gibt immer weniger Foren in denen wir kritisch aufeinandertreffen. Kunst wird meist als gut oder schlecht beurteilt und weniger als Denkansatz oder Diskussionsvorschlag angenommen.

Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang der Humor? In der Ausstellung mit begegnen den Besucher_innen komische Figuren, wie beispielsweise eine Schafsherde aus Zement (Flock of Sheep, 2016). Machen Sie sich mit dieser Arbeit auch ein bisschen über die minimalistische Formsprache, bzw. den kunstgeschichtlichen Diskurs lustig?

In meiner Arbeit beziehe ich mich eigentlich immer auch auf Kunst die schon da ist. Der Humor hingegen entzieht sich diesem Diskurs auf gewisse Weise. Ich versuche in meiner Arbeit einen bestimmten Abstand zwischen der Welt der Dinge und mir als Wahrnehmende zu erhalten. Es ist nicht so, dass ich mir vornehme witzig zu sein. Auch dass sich diese Schafherde als komische Gruppe zeigt, war nicht von Anfang an so geplant. Aber dass es so ist, liegt wohl an meiner eigenen Wahrnehmung und sicher auch daran, dass es mir wichtig ist die Welt nicht nur als depressiven  Zusammenhang zu sehen, sondern eben auch als komischen. Der Humor erlaubt es mir einen gewissen Abstand einzunehmen und auf Dinge anders zuzugehen. Es ist sicherlich auch eine machtpolitische Frage. Ich denke Frauen ist es immer noch weniger erlaubt lustig zu sein. Gesellschaftliche Häme kann schnell gefährlich werden, das hat man hier im Museion ja auch schon erleben dürfen. Humor lässt sich schlecht planen und es gibt nichts Langweiligeres als eine erklärte Pointe.

Physische Erfahrungen spielen eine zentrale Rolle in Ihren künstlerischen Arbeiten, auch in den filmischen Werken. Der Sinn für Grenzen, für soziale Ausgrenzung steht im Mittelpunkt eines Ihrer bekanntesten Videos, in dem ein als Ei verkleideter Mann beim Versuch ein modernistisches Gebäude zu durchqueren seine „Schale” zerbricht. Welche Grenzen können die Besucherund Besucherinnen hier in der Ausstellung noch erfahren?

Ich wollte immer schon eine Mauer bauen! (lacht) Hier habe ich endlich die richtigen Voraussetzungen gefunden. Eigentlich möchte ich in der Ausstellung Grenzen verwischen, oder verschieben. Die „Cinemas“ die hier im Raum hängen, sind auch deshalb entstanden, weil in meiner Auseinandersetzung mit Skulptur, der Film immer schon eine wichtige Rolle eingenommen hat. Mit der Kamera geht man stets um etwas herum, filmt um etwas herum. Teile der festen Welt geraten in Bewegung. Ich mache jedes Jahr einen einzigen Film. Diese Filme spielen aber eine wichtige Rolle in meinem Werk. Sie sollten im Ausstellungsraum gezeigt werden, ohne ihn deshalb „abschalten“ zu müssen. Hier werden auch die Besucher Teil der Skulpturen, wenn sie in die „Cinemas“ untertauchen. Die Kinos werden durch die Besucher animiert. Die Relation zwischen Betrachter, Künstler und Kunstwerk ist in meiner Arbeit zentral. In diesem Zusammenhang ist es sehr spannend Grenzen zu untersuchen.

Auch in der Serie der 13 Raben stellen Sie Subjekt- und Objektbeziehungen in Frage. Während beim „birdwatching“ Vögel beobachtet werden, scheinen hier die Ausstellungsbesucherinnen und Ausstellungsbesucher in den Blick der Tiere zu geraten.

Ja, in dieser Arbeit geht es sehr stark um Blickregime. Die Menschen gehen davon aus, dass sie allein das Privileg haben zu beobachten. Sie rechnen oft nicht damit zurückbeobachtet zu werden. Gewisse Vögel, wie eben auch Raben, studieren aber aktiv unsere Verhaltensweise und nutzen sie für ihre Zwecke, zum Beispiel bei der Nahrungssuche. Ich glaube als Künstlerin hat man auch sehr viel mit Blickregimen zu tun. Was für Blickregime waren kunstgeschichtlich überhaupt erlaubt? Vom Modell zur tätigen Künstlerin war es ein langer Kampf. Die Frage wer guckt wen an, ergibt sich aus meiner eigenen Geschichte als Künstlerin.