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"Style is everything"*

Alexander Ebner schwärmt mit offenen Augen und ohne Rücksicht auf Verluste - fürs Skaten.

Der DJ und Musikproduzent Alexander Ebner aka Lois Lane besitzt kein Smartphone, sondern ein ganz simples Mobiltelefon. In seinem Auto liegt ein frisch entzweites Skateboard. Er trägt einen dicken Schnauzbart und eine selbstdiagnostizierte Sehnenscheidenentzündung (samt selbstverpasstem Verband). Wir treffen uns im Picchio in Bozen und unterhalten uns an diesem Abend über Musik und Arbeit und wie und wo sich die beiden berühren, und wie man sich dabei selbst definiert, und schließlich gerät Alexander Ebner ins Schwärmen – über die Welt des Skatens.

Welche Strategien verfolgst du beim Auflegen?
Ich bin sehr intuitiv. Man muss ein bisschen die Situation lesen können. Man fängt eher gemütlich an, bei 6 Stunden-Vernissagen oder bei Messen ist das zumindest so, du holst die Leute ab, du spielst langsames Tempo, und wenn du das allmählich über Stunden steigerst, dann kannst du zum Schluss auch Techno spielen.
Irgendwann hast du die Leute soweit, dass du alles spielen kannst, weil sie dir vertrauen. Das ist super. Wenn du es schaffst, die Überhand zu gewinnen über die Menge, dass du dann irgendwann so etwas wie Britney Spears reinhauen kannst und die Leute gehen dabei ab, ist das super. Aber da musst du erst mal hinkommen!

Britney legt Lois Lane zwar nicht auf, aber er legt Wert auf Brüche: Eine Linie, eine Reise ist gut, aber die Brüche sind genauso wichtig. Nicht zu viele, weil sonst kommst du nicht rein.

Live-Sets sind anders, da ist die Arbeit vergleichbar mit einer Band, weil ich üben muss und jeden Sound selbst mache. Ich hab relativ schnell relevante Gigs gekriegt. Ich war vielleicht technisch nicht der sauberste und der perfekteste, weil es mir mehr um die Vermittlung von Emotionen ging. Wenn da ein Kritiker kam und sagte, ok, das klingt nicht gut, war mir das scheißegal. Man lernt im Lauf des Prozesses und ich wollte damals einfach raus mit meiner eigenen Musik.

Angefangen hab ich ich damit, Töne in einem Programm herumzuschieben. Danach habe ich immer mehr Instrumente selbst aufgenommen und bin in die Natur gegangen, um Field Recordings zu machen. Und am Ende hat sich mir die Frage gestellt: wie kann ich Instrumente durch Synthesizer ersetzen und wie kann ich z.B. ein Klatschen nur durch Oszillatoren und Rauschgeneratoren erzeugen?
 


Mein letztes Live-Set hat sich darauf aufgebaut: keine Samples, keine Aufnahmen. Zukünftig werde ich mich bei Live-Sets wieder mehr darauf konzentrieren. Ich möchte, dass die Leute z.B. den Sound von einem vorbeifahrenden Auto hören, und dann verfremde ich ihn so, dass er z.B zu einer Melodie oder einem perkussiven Instrument wird. Die Leute sollen verstehen: du brauchst eigentlich nur einen Impuls, und ein paar Effekte, und es klingt schon - wenn du es gut einstellen kannst. Theoretisch ist das so.

Woher holst du die Inspirationen für deine Sounds?
Wenn ich Musik selber mache: so wenig wie möglich. Wenn ich in der Früh aufstehe, und an Sounds arbeiten will, versuche ich so wenig wie möglich zu hören. Man wird ja eh schon ständig überall ungewollt beschallt und beeinflusst. Am besten, du wachst auf, und fängst direkt an, ohne Kaffee, dass du überhaupt nichts checkst. Da bist du völlig intuitiv.
Ich geh dann ziemlich naiv an meine Tasten und Noppen dran: ok, das ist cool, fein, probieren wir mal da... ah, das passt gut zusammen, usw. Dabei gehe ich von einer Sache aus, und baue auf der dann auf.
 


Als DJ geh ich in Plattenläden, und dort bin ich erstmal komplett verloren. Plattennamen weiß ich nicht, ich kenn nicht so viele. Ich geh z.B. zum Genre „Techno“, ah, geiles Cover, nehm mir dann alle Platten von dem Label raus, höre sie alle durch und sortiere sie: das ist gut, und das ist vielleicht. Dann hör ich sie mir wieder an und sortiere weiter. Damit verbringst du Stunden. Das letzte Mal in Paris war ich jeden Tag 8 Stunden in einem Laden.

Warum interessiert dich gerade Sound?
Überlegt. Sound ist für mich ein Medium, um meinen Emotionen ein Ventil zu bieten. Ein Maler hat die Malerei, ein Bildhauer die Bildhauerei, und ich hab den Sound.
Ich sehe mich nicht als Künstler. Ich mache Musik. Alles kann Kunst sein, genauso wie nichts Kunst sein kann, das wissen wir eh. Kunst hat für mich einen extrem hohen Wert, und viele missbrauchen das Wort Künstler. Ich bezeichne mich deshalb nicht als Künstler, weil für mich ist das viel zu hoch. Ich bin auch kein Musiker, habe das auch nie gelernt, kein Konservatorium usw., und ich kann davon auch nicht ganz leben. Wenn ich komplett von der Musik leben könnte, dann würde ich legitim sagen können: ja, ich bin Musiker.
Frage: wenn eine_r auf der Akademie studiert hat, ein paar Skulpturen gemacht hat – ist er oder sie deswegen KünstlerIn? Eher nicht. Ich glaube, du wirst eher als KünstlerIn geboren. Es gibt auch Leute, die keine Kunst machen, oder gar nichts machen, und doch KünstlerInnen sind. Man ist es einfach, oder man ist es nicht.

Als was bezeichnest du dich dann?
Ich sage immer, ich mache Musik, was Besseres fällt mir nicht ein. Auf meiner Visitenkarte steht zwar musician and composer, aber diese Titel hab ich mir nicht gegeben. Was willst du auch draufschreiben: Musikmacher? Ich hab mir das echt schon mal überlegt.

Was macht die Kunst für dich so heilig?
Was wäre die Welt ohne Kunst? Sie ist eh derzeit auf dem besten Weg dorthin. Vieles geht verloren.
Nehmen wir mal ein Bild her, das dir richtig gut gefällt. Das kannst du einfach ein Leben lang anschauen. Ich habe ein Bild von meinen Eltern, das hat mein Opa gekauft, und das kriege ich irgendwann (ich habe keinen Platz gerade), das schaue ich schon an, seit ich ein Kind bin. Das kann ich immer anschauen, ständig, die ganze Zeit. Wenn ich irgendwann einen Track mache, der so zeitlos ist, den man immer wieder, die ganze Zeit anhören kann, dann sag ich vielleicht, ja...

Man hört sich oft so Musiksachen an, versteckte Tracks oder Outros, die gab es früher sehr oft bei Bands (als man noch sich ganze Alben angehört hat). Die dauern teilweise nur Sekunden. Du hörst du dir diese Sachen an und denkst dir: so, jetzt kann ich es lassen, Musik zu machen. Weil es so gut ist!
Manchmal kommt es aber auch vor, dass ich mir denke: hab ich das gemacht? Wie hab ich das gemacht?! Keine Ahnung. Super. Cool. Das ist schon auch eine Genugtuung, wenn du von dir selber einen Track hören kannst. Oder du machst ein Preset bei deinem Synthesizer, und du drückst auf die Taste, und aaah, geil. Das ist es. Da brauche ich dann auch nicht mehr dazu.

Ich brauche bei Musik auch nur relativ wenig. Noise finde ich auch fetzgeil - nur ein Geräusch. „Every arranged sound is music.“ Das stimmt einfach. Das Zitat stammt von einem Typ, der Megasynthesizer gebaut hat, Tonto, der hat daran gearbeitet, dass mehrere analoge Synthesizer miteinander reden können.
 


Schau dir einen der renommiertesten Komponisten des 20. Jh. an, Stockhausen, und wenn du da sagst, das ist nicht Musik, dann musst du was anderes hören. Wenn ich allein bin, oder im Auto, und ich mir solche Sachen anhöre, denke ich oft: genial.

Schauen wir mal, wie es bei mir weitergeht. Ich hab keine Ahnung. Es geht halt auch nicht allein. Ich erwarte mir auch nicht, dass einer vorbeikommt und sagt, du bist der neue Star, da sag ich: nein, wenn, dann muss ich mir schon den Arsch aufreißen, wenn ich das machen will. Im Moment ist die Audio- und Videoproduktionsfirma im Mittelpunkt, die ich letztes Jahr zusammen mit meiner Schwester von meinem Vater übernommen habe, und das ist auch gut und passt auch gut. Ich werde das Musik machen nie lassen. Ob ich jetzt Geld damit verdiene oder nicht, ist mir eigentlich wurscht. Wenns geht, super! Und sonst mach ichs doch. Ich mach ja auch nicht nur Musik, damit sie jemanden gefällt. Oder? Schreibst du nur, damits jemandem gefällt?

Was ist das Coole an einer tanzenden Menge?
Was ist das Coole wenn hunderttausend Leute zu dir kommen und sagen: boah, das ist ein cooler Artikel. Ist genau das Gleiche. Einfach: Anerkennung für das, was du machst und das, woran du glaubst. Wenn du ehrlich bist, ist es Anerkennung.

Was ist das ideale Publikum für dich?
Jenes, das meinen Sound versteht.  Das hört man. Da fangen sie an zu schreien, oder ich krieg Komplimente.

Für was schwärmst du?
Skaten. Das ist eine sehr koole Sache. Du bist voll konzentriert. Du tust dir weh. Und wenn du was schaffst, fühlst du dich erhaben. Beim Skaten geht es nicht in erster Linie darum, wer besser ist und wer schlechter, sondern wie gut bist du, was schaffst du. Wenn einer den ganzen Tag lang einen Trick probiert, der für den anderen eine totale Lappalie ist, aber am Abend schafft er ihn, dann freuen sich alle mit ihm.
Aber eigentlich bist du allein, du machst deine Sache alleine, alles scheißegal. Du fällst so oft hin, direkt auf den Scheißbeton, du hast die ganzen Füße offen, alles wurscht, und wenn dus dann schaffst, ist es das schönste Gefühl. Ich kann nicht besonders gut Skaten.
Ich hatte das mal komplett gelassen für ne Zeit lang, 8, 9 Jahre. Wieder angefangen, und es ist super. Es ist auch so eine komische Kunstform, irgendwie.

Skaten ist eine Mentalität. Skaten ist sicher nicht nur auf einem Brettl stehen und ich mach den besten Trick, sondern Skaten ist alles Mögliche, da sind die Musikszene, die Kunstszene, die Graffitiszene, Punkszene und Hiphopszene involviert. Das ist alles verbunden mit Skaten. Es ist auch kein Sport, es ist zwar körperliche Betätigung, aber es gibt keine Punkte. Es geht nicht um Ausdauer in erster Linie.
Skaten ist einfach ehrlich: du machst was falsch, du fliegst raus, und zwar bei der kleinsten Scheißsache. Und du bist zwar allein, aber doch in einer Gemeinschaft. Wenn du in eine Stadt gehst und sagst: Hallo, kann ich mal kurz dein Skate nehmen und n Kickflip machen, jeder wird dir sagen, ja, überhaupt kein Problem.

Mode spielt auch eine Rolle, es ist da sehr sehr offen: geiles T-Shirt, wo hast du das her? Letztens war ich im Pyjama skaten, und einer kam an: boah, woher ist das denn? Das war im Kleid von meiner Oma.
Style: aber nicht vom Aussehen her, sondern wie du dich bewegst. Jay Adams fällt mir ein, ein sehr bekannter Skater, leider letztes Jahr verstorben, und die Filme „Dogtown and Z-Boys“ und „Lords of Dogtown“, ein super gemachter Film, nicht nur für Skater, sehr authentisch. *Jay Adams hat gesagt: „Style is everything.“ Das kommt vom Surfen, wie du dich bewegst. Es ist ein Fluss. Viele Pro Skater vergleichen das auch mit Rockstars. Logisch, du stehst im Rampenlicht, es werden Videos über dich gemacht, es geht darum, wie du aussiehst. Das ist dein Leben, du verdienst dein Geld damit.
 


Skaten ist heute so kommerziell wie noch nie zuvor. Schon in den 80er und 90er Jahren war es richtig kommerziell. Aber jetzt ist es so groß wie überhaupt noch nie. Es wird total versportlicht, es ist alles nur mehr Contest. Sportmarken machen Skate-Sachen mittlerweile. Aber: was hat ne Scheißsportmarke mit Skaten zu tun? Skate-Sachen sollten von Skatern gemacht werden, weil die wissen am besten, was man braucht. Und da gibt es dann Sportmarken wie Nike, die sagen: wir haben das Geld, sie schaffen das beste Team, die geilsten von jeder Sparte. Aber das ist ja kein Team! Meinst du, die hängen einfach immer so zusammen ab? Nein. Du gehst allein Skaten, und wenn, dann mit deinen Leuten, die du kennst, deiner Crew, oder wie auch immer man das nennt.


Alexander Ebner ist ein unabhängiger Musikproduzent aus Südtirol. Er produziert mit Ebner Film Sounds und Konzepte u.a. für Werbung, Imagefilme, Dokumentationen, Theater und TV-Sendungen. Mit seinem Alter Ego Lois Lane komponiert er eigene Musik und spielt Live-Sets.

 

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Andy H Wed, 04/20/2016 - 09:09

Der Titel ist ein Volltreffer! Ich gratuliere!
Vorgestern habe ich diesen Typen elegant die Museumstrasse runterskaten gesehen. Er fällt auf, auch weil er nicht mehr der jüngste ist und sein Brett cool beherrscht. Durch diesen Beitrag weiss ich auch wer er ist...

Wed, 04/20/2016 - 09:09 Permalink