Vom Faschismus gebrannte Kinder
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Bei den Landtagswahlen 1993 zieht erstmals die Lega Nord in den Südtiroler Landtag ein. In der SVP gibt es Überlegungen und Vertreter, die zu einer Regierungsbeteiligung der Bossi-Partei tendieren. Im Schatten von Mani pulite hat sich auf nationaler Ebene ein Bündnis der rechten, auch extremen Kräfte formiert, das bei den Parlamentswahlen 1994 siegreich sein und Silvio Berlusconi erstmals zum Ministerpräsidenten wählen wird. Trotzdem setzt Landeshauptmann Luis Durnwalder weiter auf altbewährte Credi und Partner und geht keine Koalition mit der italienischen Rechten, sondern mit der DC und der neuen sozialistischen PDS ein.
Die SVP und die italienische Rechte. Draht nach Rom–Autonomie–Vergangenheit: Wie war das unter Durnwalder? In fünf Teilen bringt SALTO Auszüge aus den gern hart geführten Diskussionen im Südtiroler Landtag bei den fünf Wahlen von Luis Durnwalder zum Südtiroler Landeshauptmann – in Originalsprache und zum Teil gekürzt. Das ist Teil 2.
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1993–1998: Vom Faschismus gebrannte Kinder
Oskar Peterlini (SVP): Wir haben bisher eine Republik erlebt, die jetzt das Ende gefunden hat, durch die aufgeflogenen Schmiergeldskandale, durch den Sumpf, in dem praktisch die gesamte Führungsschicht der Politik ganzer Jahrzehnte versunken ist und die an Glaubwürdigkeit alles verloren hat, was zu verlieren war. Und wir haben wohl mit einiger Zuversicht, und vielleicht auch mit etwas Mut oder vielleicht auch mit etwas Hoffnung wiederum auf jene Parteien gesetzt, die an diesem sinkenden Schiff beteiligt waren. Und ich sage ganz offen, dass in diesen Überlegungen meinerseits der neuaufgeflammte Partner Lega eigentlich eine Alternative und Möglichkeit gewesen wäre, die man mit in Betracht ziehen hätte können. Warum? Weil sich dieser Staat im Umbruch befindet, dieser Staat hoffentlich nicht mehr auf seinem zentralistischen Konzept aufbaut, sondern als neue Grundlage der Regionalismus hergenommen wird. Und zu den Hauptzielsetzungen der Lega Nord gehört es, eine ausgebaute Regionalautonomie auf föderativer Basis zu schaffen. Somit stellt sich die Frage: Was wäre für uns Südtiroler naheliegender gewesen, als sich mit dieser Lega Nord zu verbinden und unsererseits, als kleine Partei, mit dazu beizutragen, diesen Staat auf föderative Basis zu setzen? Es ist nicht diese Wahl erfolgt, wohl auch in der Hoffnung, dass die Repräsentanten, die hier im Saale sitzen, sei es aus dem neuen Partito Popolare, als auch aus der ex-kommunistischen Partei, ihre Vergangenheit, oder besser gesagt, die Vergangenheit ihrer ehemaligen Parteien, abgelegt haben. Und dieses Vertrauen können wir als Vorschuss eigentlich schon setzen.
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Für Südtirol ist es jedenfalls eine Herausforderung und ein Wagnis gewesen, sich diese Koalitionspartner auszusuchen. Aber es wäre wohl auch ein Wagnis gewesen, trotz der gedanklichen Nähe zum Föderalismus, die Südtirol und die Lega Nord verbindet, sich einfach jetzt vor den Parlamentswahlen und bevor man weiß, wie sich dann die Realität abzeichnen wird, mit der Lega zu verbinden. Rechts formiert sich doch, wenn auch nur zu Zweckbündnissen, eine Allianz zwischen Lega Nord und Forza Italia vom Cav. Berlusconi, der seinerseits wiederum ein Zweckbündnis mit der neuen Alleanza Nazionale vom Abgeordneten Fini eingegangen ist. Damit haben wir eine Nähe, die aus unserer Sicht unverständlich ist, weil wir uns nicht vorstellen können, wie ein förderatives Konzept mit einem ehemaligen, zumindest aus faschistischer Vergangenheit gewachsenen zentralistischen Konzept zusammenhängen kann. Aber das Wagnis wäre auf beiden Seiten gewesen, wie ich aufgezeigt habe. Und somit kann man nur an die ausgewählten Vertreter der italienischen Koalitionspartner appellieren, dass sie mit uns arbeiten, im Lande glaubwürdig für das Autonomiekonzept eintreten und auch im Staate glaubwürdig uns helfen, für einen Staat einzutreten, der möglichst viele Zuständigkeiten nach unten abgibt und nur das Notwendige an der Spitze zurückbehält, was einfach notwendig ist, um einen Staat zu koordinieren.
Ich sage ganz offen, dass der neuaufgeflammte Partner Lega eigentlich eine Alternative und Möglichkeit gewesen wäre.
Sie wissen, dass wir als Südtiroler – bei aller Hochachtung der persönlichen Qualitäten unserer Kollegen hier im Saale, ob das jetzt Benussi, Holzmann, Bolzonello oder Mitolo ist, die wir persönlich sehr schätzen und deren persönliche Integrität ich nicht in Diskussion stellen möchte – gebrannte Kinder vom Faschismus sind.
Giorgio Holzmann (MSI-DN): Vorrei riagganciarmi ad alcune affermazioni fatte dal collega Peterlini, in particolare a quella parte del discorso dove Peterlini ha espresso il suo stupore in relazione alle nuove forze politiche che si sono affacciate sul panorama locale e nazionale, e soprattutto per quanto riguarda le future alleanze e aggregazioni.
Non stupisce che la SVP abituata per anni ad una situazione cristallizzata, ovattata, che ha portato ad una alleanza sostanzialmente con i partiti al governo in campo nazionale, si trovi in questo momento a disagio perché non è ancora nelle condizioni di valutare quali saranno i nuovi equilibri che si determineranno dopo le prossime elezioni politiche e che porterebbero naturalmente anche riflessi non indifferenti per quanto riguarda l’atteggiamento del governo nazionale nei confronti della gestione dell'autonomia locale.
Non stupisce che la SVP abituata per anni ad una situazione cristallizzata si trovi in questo momento a disagio.
Però c'è un dato sul quale vorremmo ci si soffermasse ed è il risultato elettorale. Nella scorsa legislatura, all’indomani delle elezioni, la SVP portò in Consiglio provinciale 22 consiglieri, 3 ne portò la DC, uno il partito socialista per un totale di 26 consiglieri su 35. In queste elezioni la SVP ha perso 3 consiglieri, ne ha 19, il Partito Popolare è calato a due e il Partito Socialista è scomparso. Pertanto i consiglieri di quelle forze che hanno governato l’autonomia per 5 anni si sono ridotte da 26 a 21 consiglieri, con un calo secco del 21%. Credo che questo debba far riflettere, evidentemente la popolazione di entrambi i gruppi linguistici di questa provincia non ha ritenuto che la gestione dell’autonomia fosse stata impostata in base a criteri di correttezza e di equità.
Landtagswahlen vom 21. November 1993SVP (1.): 160.186 Stimmen | 52 % | 19 Sitze
Movimento Sociale Italiano-Destra Nazionale (2.): 35.833 Stimmen | 11,7 % | 4 Sitze
Lega Nord (7.): 9.115 Stimmen | 3 % | 1 SitzLandesregierung: SVP (1.) + DC-Partito Popolare Altoatesino (6.) + Democratici di Sinistra PDS (8.) | 22 Sitze
Wahl des Landeshauptmannes im Februar 1994
Luis Durnwalder (SVP): Nun wären verschiedene Möglichkeiten gewesen. Wir waren der Ansicht, dass wir auch hier Kontinuität in der Form bewahren sollten, dass wir mit einer Partei der Mitte, wie es die Ex-DC, PP, ist, und vor allem auch einer Partei der Arbeiterschaft, wie es der PDS ist, die Koalition bilden. Wir hatten bisher die sozialistische Partei in der Landesregierung vertreten. Nach diesen Wahlen ist leider kein Vertreter der sozialistischen Partei mehr im Landtag. Und aus diesem Grund konnten wir keinen Vertreter der sozialistischen Partei in die Landesregierung aufnehmen. Nun wissen wir, dass sich in letzter Zeit innerhalb der kommunistischen Partei einiges getan hat und daß ein großer Teil der früheren kommunistischen Partei sich zur sozialdemokratischen Partei entwickelt hat, d.h. es ist heute nicht mehr die kommunistische Partei von anno dazumal, sondern es ist eine sozialdemokratische Partei. Und aus diesem Grund, glaube ich, dass wir gut getan haben, mit einer Partei der Mitte, wie es die Partei der früheren DC ist und auch mit einer linksorientierten Partei, wie es der PDS ist, sozialdemokratische Partei, eine Koalition einzugehen.Es wird sicher auch Kollege Mitolo und alle seine Mannen einsehen, dass es unmöglich wäre, mit dem MSI eine Koalitionsregierung zu bilden.
Wir sind außerdem der Meinung, dass man nicht nur die Parteienideologie hernehmen, sondern vor allem auch auf Personen schauen sollte. Und schließlich und endlich ist es ja so, dass eine Koalitionsregierung immer aufgrund eines Programmes gebildet wird. Da kommt es darauf an, was die einzelnen Parteien, die eine Koalition eingehen, vereinbaren. Und ich glaube, jeder muss doch anerkennen, daß in diesem Koalitionsprogramm auch die Kontinuität bewahrt ist und dass nicht allzu viele gefährliche, wie manche glauben, linksorientierte Grundsätze in das Koalitionsprogramm aufgenommen worden sind. Es sind Programme, die wirklich darauf aus sind, dass Probleme der Bürgerschaft, dass Probleme unseres Landes erkannt, aufgegriffen und nach Möglichkeit gelöst werden.
Wenn gesagt wird, es ist eine Mussehe (Pius Leitner von den Freiheitlichen hatte in seiner Wortmeldung die neue Landesregierung als „keine Liebesehe, keine Vernunftehe, sondern eine Mussehe“ bezeichnet, Anm.), so stimmt das zum Teil schon. Es ist so, dass wir ja nur die Auswahl innerhalb der bestehenden Parteien gehabt haben, innerhalb der Parteien, die im Landtag vertreten sind. Jeder wird verstehen, dass wir aufgrund der grundsätzlichen Einstellung des MSI mit diesem sicher kein Koalitionsabkommen treffen können, denn wenn jemand von vornherein erklärt, dass er es bedauert, dass Südtirol so behandelt worden ist, dass er es bedauert, dass Südtirol überhaupt diese Autonomie bekommen hat, dann können wir doch nicht diese Partei hernehmen, um die Autonomie zu schützen bzw. weiterzuentfalten. Und aus diesem Grund wird sicher auch Kollege Mitolo und alle seine Mannen einsehen, dass es unmöglich wäre, mit dem MSI eine Koalitionsregierung zu bilden. Es sind noch zwei, drei weitere Parteien zur Verfügung gestanden. Einige haben kein allzu großes Interesse bekundet, in der Landesregierung vertreten zu sein, und andere wollte man nicht aufnehmen, weil man der Auffassung war, dass es besser ist, mit dem PDS die Koalitionsregierung zu bilden. Ich glaube also, so gesehen können wir sagen, dass wir sicher richtige Partner ausgewählt haben, dass wir aber natürlich auch unter einem gewissen Zwang diese Koalition gebildet haben. Das möchte ich ganz offen sagen. Für uns zählen aber die Programme und für uns zählen vor allem auch die Personen.
Lesen Sie in Teil 3: L’Europa si fa con le nazioni