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Über Wahrheit in Politik, Beharren auf Positionen und Mut zu unpopulären, aber nachhaltigen Lösungen

Warum konnen Politiker selten von ihren Positionen weichen? Viele von uns unterstellen Politikern
notorische Verlogenheit. Tatsachlich gibt es zig Beispiele dafur. Und doch tun wir ihnen damit (oft) unrecht. Ein etwas anderer Zwischenruf, um den Politikern die Last der Positionierung zu nehmen.


Note: This article is a community contribution and does not necessarily reflect the opinion of the salto.bz editorial team.

„Wenn man erst einmal als Machtmensch angesehen wird, der alles kühl plant, gerinnt selbst der Zufall zur ausgeklügelten Strategie“, hat der ehemalige deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder einmal festgestellt. Ob in Deutschland, Italien oder anderswo auf der (demokratischen) Welt: Überall, wo die Medien, die vierte Säule der Demokratie, gut funktionieren, erfährt der Bürger genug über die Politker und deren Aussagen und Versprechungen. Im Zeitalter des Internet ist nicht einmal mehr auf die Vergesslichkeit der Menschen Verlass. Und so wird der politischen Klasse von Bürgern und Medien unterstellt, sie sage stets etwas, was sie gar nicht meine. Zumeist sage sie sogar das genaue Gegenteil von dem, was sie eigentlich meine. Sage sie aber einmal das, was sie meine, meine sie das auch schon wieder strategisch, da es unerwartet und besonders ausgefuchst sei.

In den Medien und an den Stammtischen werden Theorien entworfen und verworfen. Und am Ende wird einem Politiker angelastet, mit dieser oder jener Aussage einen raffinierten strategischen Schachzug gemacht zu haben. Dies kann mitunter durchaus zutreffen. Aber dieser verallgemeinernden Analyse von politischen Prozessen liegt leider genau jenes negative Menschenbild zugrunde, welches wir an Politikern beklagen. Man weiß gar nicht mehr recht, wie ein Politiker sich heute eigentlich verhalten müsste, um nicht als reiner Stratege wahrgenommen zu werden. Der Psychologe Paul Watzlawick unterstellte so einer kommunikativen Beziehung in seiner „Theorie menschlicher Kommunikation“ durchaus gewisse Anomalien und fand dafür ein treffendes Bild: Ein Junge bekommt von seiner Mutter zum Geburtstag zwei Pullover geschenkt. Sobald er den einen anzieht, sieht sie ihn strafend an und fragt: „Gefällt dir der andere etwa nicht?“ Wie man sich auch verhält, man macht es falsch. Was wäre dann die Lösung? Vielleicht einfach immer ehrlich sein? Oder es mit Konrad Adenauer, einem der Väter der europäischen Einigung, zu halten, der einmal gesagt hat, er unterschiede drei Stufen von Wahrheit: die einfache, die reine und die lautere Wahrheit? Leider bringt auch reine Wahrheit die Politik nicht immer weiter, denn ein Politiker, so wird zumindest aus der Gesellschaft suggeriert, sollte zu jeder Zeit über alles Bescheid wissen, sonst wird ihm im besten Fall Unfähigkeit oder Dummheit, im schlimmsten Fall Verlogenheit vorgeworfen. So wie es Franz Müntefering, dem mehrfachen Vorsitzenden der SPD, ergangen ist. Er hat einst eine Kommission eingesetzt, die sich mit der Frage beschäftigte, ob denn ein gesetzlicher Mindestlohn eingeführt werden soll. Auf der Pressekonferenz ist er gefragt worden, was er denn für eine Meinung zum Mindestlohn habe. Noch keine, antwortete er, deshalb wolle er ja die Experten hören. Tagelang hatte er nach dieser Aussage die Überschriften lesen müssen: „Wer nichts weiß, setzt eine Kommission ein.“ Dass Meinung und Wissen nicht das Gleiche sind, haben die Medien geflissentlich unterschlagen. Wirkliches Nachdenken wird nicht gestattet.

Früher einmal haben Spitzenpolitiker und Führungskräfte in der Wirtschaft ähnlich viel verdient, und Fachleute gingen auch gerne in die Politik. Mittlerweile gehen die wenigsten wegen der Diäten in die Politik, wenngleich sich dort sicher auch Leute tummeln, die in der freien Wirtschaft nur einen Bruchteil dessen verdienen, was sie als Mandatare beispielsweise im Landtag einstreichen. Wenn man die Nettobezüge unseres Landeshauptmanns in einen Stundenlohn umrechnet, ergibt sich angesichts des Jahresarbeitspensums ein Wert, der nicht wesentlich über dem liegt, was ein Spitzenkoch netto einstreicht. Muss man die Politiker deswegen bedauern? Nein, auch das ist nicht angebracht. Das Gestalten und Lenken von gesellschaftlichen Entwicklungen gibt auch große Genugtuung und Freude. Nur sollten wir den Politikern auch zugestehen, was wir uns selbst verzeihen, nämlich dass sie auch Fehler machen dürfen, ohne zerrissen zu werden (wer in führender Position große Fehler begeht, sollte allerdings die Konsequenzen ziehen). Und Politiker sollten auch einmal Meinungen wechseln dürfen, ohne dafür als „Fähnchen im Wind“ abgestempelt zu werden. Um es erneut mit Konrad Adenauer zu sagen: „Man kann immer seinen Standpunkt ändern, weil dir niemand verbieten kann, klüger zu werden.“ Und als Wähler sollten wir so klug sein, auch derzeit unpopuläre Entscheidungen zu akzeptieren, wenn sie notwendig sind und langfristig Nutzen stiften. Wenn wir Politikern, die unangenehme Beschlüsse fassen, regelmäßig bei den nächsten Wahlen das Vertrauen entziehen, handeln wir kurzsichtig und zwingen die Politiker, nicht nachhaltig zu agieren. Wenn wir unsere negative Haltung nicht ablegen (und die Politiker können und müssen dies durch kluge, auch auf sich selbst gerichtete Maßnahmen unterstützen, zumal sie nicht unschuldig sind), dürfen wir uns nicht wundern, dass jedes Wort auf die Waagschale gelegt wird, dass jede Äußerung vorher zwecks aller Möglichkeiten durchgespielt und somit doch das eine oder andere als Kalkül geplant wird.

Kommunikation und gute Rhetorik heißt nicht verstellen, manipulieren oder schwammig daherreden, also nichtssagend sein. Gute Rhetorik heißt konkret werden, zu Positionen stehen, Meinungen haben oder diese auch mit anderen zusammen bilden zu dürfen. Gute Rhetorik bietet die Möglichkeit, die eigenen Gedanken und Überlegungen klar und prägnant auf den Punkt zu bringen – mit möglichst wenig Interpretationsspielraum. An den Möglichkeiten der Rhetorik liegt es also nicht, dass Politiker oft allgemein bleiben und langweilig wirken. Der eine oder andere kann es vielleicht wirklich nicht (und hat es nie gelernt), manche glauben aber auch, sich nicht anders verhalten zu können – in der Annahme, die Wähler ließen ihnen keinen Spielraum.

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Maximilian Ben… Sun, 03/24/2013 - 09:51

Anche se nel mezzo scritto spesso l'ironia non viene colta - questo voleva essere IRONICO. Ah, il maiuscolo è come se GRIDASTE. Sono andato fuori tema?
Non credo. Klaus ci spiega il suo punto di vista. Condivido il suo pensiero - anchi i politici sono persone. Argine alla cosiddetta antipolitica. Ma io vorrei aggiungere che abbiamo bisogno di facce nuove, anche nella community di salto e mandati più corti (2 legislature alla grillina?). Infatti persino negli USA il perido più produttivo sono il 4-6 anno del secondo mandato del presidente. Perchè? Semplice, non può più essere eletto!

Sun, 03/24/2013 - 09:51 Permalink
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Harald Knoflach Sun, 03/24/2013 - 13:10

du sprichst mir aus der seele, klaus.

begründeterweise seine meinung zu ändern ist nicht nur kein problem, sondern ein muss, wenn ich erkenntnisse erlangt habe, die einer vorher eingenommen haltung entgegenlaufen.

sich einzugestehen, dass man nicht alles wissen kann und dass man sich eventuell vorher informieren muss (wissen aneignen) um sich eine fundierte meinung zu bilden, ist verantwortungsvoll und richtig.

es ist nichts verwerfliches daran, wenn man als führender politiker auch ein entsprechendes gehalt bezieht - vorausgesetzt, man übernimmt und steht zur verantwortung. vergleiche dazu diese infografik: http://www.brennerbasisdemokratie.eu/?p=14289

einer der wenigen politiker, der mir einfällt, der obigen prämissen nahe kam, war alexander van der bellen. leider haben ihm die dynamiken, die du beschreibst, oft probleme bereitet.

oder um es mit volker pispers zu sagen: das sind aber auch deppen, die WIR da immer wählen.

Sun, 03/24/2013 - 13:10 Permalink
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Alberto Stenico Sun, 03/24/2013 - 22:22

Magnago diceva saggiamente che in politica serve anche una "giusta" dose di demagogia. Gli elettori vogliono comprensibilmente sentire dai politici quello che si aspettano e a loro piace. Tant'è che prima delle elezioni si sente dire spesso:"questa cosa è giusta, ma è meglio non trattarla in campagna elettorale, perché fa perdere voti".
Ma la dose di demagogia ha evidentemente superato i limiti in questi ultimi decenni, se è é vero che siamo riusciti in Italia a decidere così tante spese prive di copertura. Abbiamo speso i soldi che non avevamo, favorendo la conservazione del potere così com'è ed accontentando momentaneamente l'elettorato. E così siamo arrivati a 2022 miliardi di debito pubblico (..tendenz steigend..). Restituiranno le prossime 2/3 generazioni. Non è il momento allora di fare politica con la verità (scomoda) e non più con la demagogia? Ai rappresentanti politici chiediamo di smetterla di "lisciare il gatto secondo il verso del pelo", di avere il coraggio di rischiare consenso e impopolarità , per ripartire dalla nostra crisi e dal contributo che ognuno di noi può dare per uscirne. Smettendola di dire che le colpe sono sempre e solo degli altri e che noi siamo sempre vittime innocenti del "sistema". Rimbocchiamoci le maniche e prendiamo l'iniziativa.(Baden Powell)

Sun, 03/24/2013 - 22:22 Permalink
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Oskar Egger Sun, 03/31/2013 - 17:06

Schon die alten Griechen beschrieben den Menschen als politisches Wesen. Es ist also Aufgabe eines jeden, sich an der res publica zu beteiligen und sei es nur als Steuerzahler, aber schon das tut vielen zu weh und es werden Schleichwege gesucht, ...Wo bleibt das Bewußtsein, dass wir alle im gleichen Boot sitzen? Dass wir uns in unseren Politikern wiederspiegeln? Möglichkeiten wie diese, bei salto, sind wertvoll um den Dialog wieder aufleben zu lassen, durch den Neues entstehen kann und fordern jeden, seinen Beitrag zu leisten. Ich bin sicher, es wird etwas Gutes daraus entstehen und wir finden endlich einen Weg aus der Opferhaltung!

Sun, 03/31/2013 - 17:06 Permalink
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Martin Geier Sun, 03/31/2013 - 17:17

Wieder mal ein guter Artikel von Klaus Egger. Mit diesem verbunden ist mA ein weiterer Artikel der hier erst vor kurzem erschienen ist:
http://www.salto.bz/de/article/30032013/richard-theiner-schlaegt-auf-de…
Ein Politiker kann seine Position ändern; bei erwiesener Unhaltbarkeit soll er sie auch ändern. Aber er soll sich immer auch bewußt sein welche Kernbotschaft er hat und was der Kern der eigenen Partei ausmacht. Ansonsten führt das zur Beliebigkeit oder zum Populismus(wenn man glaubt man müsse dem Volk nach dem Maul reden). Es ist nicht so einfach. Allerdings wird bei Positionsänderungen dem Politiker von den Medien gerne auch ein Strick gedreht; manchmal wird im auch zu Unrecht nur 'Taktik' unterstellt. Aus unserer Sicht(als politische Kommentatoren und Beobachter) ist es nicht immer ganz leicht zwischen Taktik, wirklicher Meinungsänderung oder gar Neuausrichtung der Partei zu unterscheiden.

Sun, 03/31/2013 - 17:17 Permalink
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kurt duschek Mon, 04/01/2013 - 12:12

Kompliment Klaus, ein Artikel der nachdenklich macht!
Taktik, wirklicher Meinungsänderung oder gar Neuausrichtung, dies ist alles zulässig, nur die grundsätzlichen Voraussetzung für einen Politiker sollten sein: er muß 2 Dinge fähig sein zu sagen: "dies kann ich nicht" und "dies war ein Fehler von mir".

Mon, 04/01/2013 - 12:12 Permalink
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Sylvia Rier Sun, 04/07/2013 - 18:58

Dazu fällt mir ein Sprichwort von (ich glaube) Friedrich Hebbel ein: "Es gehört mehr Mut dazu, seine Meinung zu ändern, als ihr treu zu bleiben". Leider aber gehört Mut ja nicht (mehr) zu den vorzüglichen Eigenschaften unserer Politiker. Jedenfalls: Wer seine Meinung mutig (!) ändert, kann niemals Gefahr laufen, in den Augen anderer als Opportunist, Rückgrat- oder Richtungsloser dazustehen.

Sun, 04/07/2013 - 18:58 Permalink