Culture | Salto Afternoon

Der verschwundene Mussolini

Eine kleine Skulptur pinkelt im Sommer in den Dorfbrunnen von St. Ulrich. Nur für knapp eine Stunde. Dann war der Spuk des Bronze-Diktators vorbei. Warum?
Benito Mussolini Skulptur
Foto: Salto.bz

Bei der fünften Auflage der bereits am 11. September zu Ende gegangenen Biennale Gherdeina gab es am Eröffnungstag (21. Juli 2016) ein kaum beachtetes Kunstwerk im Dorfbrunnen von St. Ulrich. Die Arbeit stammte vom spanischen Künstler Fernando Sánchez Castillo. Sein kleiner Mussolini verschwand allerdings kurze Zeit nach den Eröffnungsreden. Ein Beweisfoto ist nun "aufgetaucht". Salto hat mit dem Künstler über seine Kunst gesprochen.

Salto.bz: In Ihrer künstlerischen Praxis spielen historische Denkmäler und Monumente eine zentrale Rolle. Was fasziniert Sie an diesen Machtdemonstrationen und warum dekonstruieren Sie mit den Mitteln der Kunst Geschichte, schreiben sie um?

Fernando Sánchez Castillo: Walther Benjamins Ausspruch: Jedes kulturelle Dokument ist auch ein Dokument der Barbarei, hat mich sehr bewegt und beeinflusst meine künstlerische Praxis bis heute. Die Realität ist niemals nur eine. In meiner Arbeit suche ich nach den verborgenen Bedeutungen der Monumente. Auf einem anderen Teil des Planeten sind die, die wir als unsere Helden feiern vielleicht Verbrecher. Ich finde es interessant die erzieherische Absicht dieser Machtdemonstrationen zu unterwandern und in Frage zu stellen. Vielleicht war die Realität der Fakten früher einfacher zu durchschauen. Vor einigen Jahren wurde eine Inschrift am Kolosseum entdeckt die lautet: ...EX MANIBUS... Dank des Militärs hat Rom Jerusalem erobert, den Tempel Salomons zerstört und Juwelen, Elfenbein und Gold erbeutet...

Zur Biennale Ghardeina haben Sie eine kleine Bronzestatue des pinkelnden Mussolini, als Anspielung auf das belgische Wahrzeichen Manneken Pis in den Dorfbrunnen von St. Ulrich gestellt. Die Figur wurde nach kürzester Zeit wieder entfernt. Um was ging es bei dieser Intervention?

Die Intervention war ein spontaner, privater Scherz meinerseits. Ich hatte diese Skulptur bereits vor einigen Jahren angefertigt und dachte sie würde im öffentlichen Raum von St. Ulrich für kurze Zeit ganz gut hineinpassen.

Sei es Faschismus, als auch Nationalsozialismus haben Südtirols Geschichte im 20. Jahrhundert geprägt. Trotz der weithin bekannten Brutalität und den Gräueltaten des faschistischen Regimes, bestehen in Italien weiterhin unangetastet faschistische Monumente. Auch das Mussolini-Relief in Bozen ist ein Beispiel dafür, dass der Staat es nicht einmal für notwendig hält, diese Hommagen an den Faschismus historisch zu kontextualisieren bzw. auf ihre Geschichte aufmerksam zu machen. Wie wird in Spanien mit der faschistischen Geschichte umgegangen?

Spanien ist voll von solchen Relikten. Dort ist der Diktator vor gerade mal 40 Jahren im Bett entschlafen. Die Zeugnisse dieser Geschichte sind solch ein fester Bestandteil unserer Landschaft, dass es oft sogar schwierig ist sie zu identifizieren. Es gibt in Spanien ein Gesetz das die Überbleibsel aus dieser Zeit beseitigt werden müssen. Ich denke, dass es durchaus Sinn macht sie nicht zu entfernen sondern sie zu reinterpretieren und sie historisch angemessen zu kontextualisieren. Zeitgenössische Kunst kann das leisten.

 

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alfred frei Wed, 10/26/2016 - 17:12

Könnte man im Winter nicht einen pinkelnden Hitler aufstellen mit einer kleinen Erinnerungstafel: "die Ladiner sind dabei immer abseits gestanden"

Wed, 10/26/2016 - 17:12 Permalink
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F. T. Wed, 10/26/2016 - 23:18

Schade, der würde doch bestens passen, so wie in Brüssel Männeken Pies, vom Finanzgebäude herunterzubrunzen.

Wed, 10/26/2016 - 23:18 Permalink