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Das Mädchen von Spinges

Lois Craffonara und Helga Dorsch haben vor kurzem im Meraner Frauenmuseum das Buch über Catarina Lanz vorgestellt. Ein Rückblick auf eine Buchvorstellung.
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Foto: Foto: Salto.bz

Der Name der Catarina Lanz ist in unseren Breiten recht gut bekannt. Wer sich aber dahinter verbarg, ist weniger klar. Oft ist es nur das legendenumwobene Bild der Tiroler Jungfrau, die die Franzosen in der Schlacht von Spinges auf der Friedhofsmauer stehen mit einer Mistgabel in die Flucht schlug, und so Heimat und Glauben verteidigte. Tatsächlich wurde sogar in der Wissenschaft das Leben der Catarina Lanz eher zusammenfantasiert als erforscht, sowie alte aber unbelegte Überlieferungen einfach wiederholt aufgeschrieben. Zum Beispiel, dass sie aus Buchenstein stamme, oder sogar aus dem Eisacktal, und demnach keine Ladinerin gewesen sei.

Herwig Prinoth vom Museum Ladin zeigte sich deshalb erfreut darüber, im Rahmen des Projekts „Meran begegnet Ladinien“ das neue Werk von Lois Craffonara und Helga Dorsch präsentieren zu können, das seiner Meinung nach in Zukunft als die historische Quelle schlechthin über Catarina Lanz‘ Leben dienen wird, weil es so gründlich recherchiert wurde, und nur dessen Schlussfolgerungen sich ausschließlich aus Fakten ergäben. 

"Wir haben mit diesem Buch praktisch aufgeräumt, und ich glaube, das ist gut so."

Historiker Lois Craffonara nannte gleich am Anfang seines Vortrags einen weiteren wichtigen Verdacht an, der sich durch die Literatur über Catarina Lanz zieht: Die Frau hätte es gar nicht gegeben. Den Zweifel an Catarina Lanz‘ Existenz wischt Craffonara gleich vom Tisch, sie hat gelebt, und davon zeugt jetzt ein dicker Wälzer mit rotem Einband. Äußerlich ist das Buch nicht gerade verführerisch, das Deckblatt zeigt ganz nüchtern nur Titel und Namen der Autoren, nicht einmal ein Klappentext ist da, um potentielle Neugierige an die Hand zu nehmen. Die Anziehungskraft des Buches wird aber eine ganz andere, sobald Craffonara beginnt, Catarina Lanz‘ Geschichte zu erzählen.

Craffonara blättert in seinem Werk während er, nach Historiker-Manier, chronologisch das Leben der Catarina Lanz zu erzählen beginnt. Er spricht über einige ihrer Vorfahren, die sich im Pustertal und Ladinien umher bewegten, ihre Geburt am 20. September 1771 auf einem Hof oberhalb von St. Vigil in Enneberg, ihre Kindheit als Nesthäckchen des Bauern und Künstlers Matthäus Lanz, die drei Jahre Volksschule, in der hauptsächich lateinische Gebete und Kirchenlieder gelehrt wurden, dem finanziellen Ruin des Vaters, ihren Jahren als Magd auf Höfen in Lüsen und Stefansdorf. Die Schlacht bei Spinges im Jahr 1797, während der Catarina Lanz drei franzöische Soldaten erstochen haben soll, kommt bei Craffonara und Dorsch nur als eine Episode von vielen vor. Schlicht deshalb, weil nicht belegt werden konnte, ob Catarina Lanz sich tatsächlich bewaffnet in den Kampf stürzte, oder den französischen Soldaten lediglich den Zugang zur Spingeser Kirche verwehren wollte, hatten jene doch kurz zuvor die Kirche in St. Michael an der Etsch gestürmt und geschändet. Mit anderen Worten, Craffonara und Dorsch enthalten sich des Urteils darüber, ob Catarina Lanz als Tirolerin kämpfte oder als fromme Christin.

Als Volksheldin wurde Catarina Lanz sowohl instrumentalisiert, unter anderem von der NSDAP, als auch zu untergraben versucht, von Tolomei oder dem Duce höchstpersönlich.

Denn fromm war sie bestimmt, das belegt auch die Tatsache dass sie, wie zwei ihrer Schwestern jahrelang als Häuserin tätig war. Am längsten in Verseil, laut Craffonara „dem schönsten Ort Ladiniens“. Der dortige Widum diente auch als Herberge für Reisende unterwegs ins Venezianische oder zur Pilgerstätte Santa Maria delle Grazie, und Catarina Lanz war somit Haushälterin, Gastwirtin und Kleinbäuerin. In der kleinen Ortschaft war sie beliebt, die Einheimischen nannten sie „Tante“.

Gegen die Figur der Tiroler Freiheitskämpferin und „Gefährtin Andreas Hofers“ Catarina Lanz spricht außerdem, dass sie selbst mehrfach behauptete, sie hätte nicht am Kampf und Blutvergießen teilgenommen, und dass sie es allgemein vermied, über die Geschehnisse von Spinges zu sprechen. Daher dauerte es auch siebzig Jahre, bis ihr Name in ganz Tirol mit den Freiheitskämpfen in Verbindung gebracht wurde. Ob dies die Wahrheit ist, oder ob die fromme Catarina Lanz an der Schlacht beteiligt war und wegen ihres schlechten Gewissens ihre Taten verdrängte, vermochten Craffonara und Dorsch nicht herauszufinden.

Mitten im Redefluss blickt Craffonara auf die Uhr, sieht, dass er seine Redezeit bereits überschritten hat und kommentiert das mit einem „Oppala“. Er ist nicht einmal bis zur Hälfte des Buches gekommen, sagt aber noch ein paar Worte über die Behandlung der Figur Catarina Lanz von rechts, der ruhig ein eigenes Buch gewidmet werden könnte. „An dieser Stelle wird das Buch sogar teilweise interessant“, verspricht Craffonara. Als Volksheldin wurde Catarina Lanz sowohl instrumentalisiert, unter anderem von der NSDAP, als auch zu untergraben versucht, von Tolomei oder dem Duce höchstpersönlich. Craffonara wurde vor einigen Jahren vorgeworfen, er würde mit seiner Forschung die Figur der Catarina Lanz aufwerten, und somit der Instrumentalisierung von rechts weiter die Bahn ebnen. Er sieht das ganz anders. Craffonara befürchtet eher, einigen Leuten die Freude an „ihrer Catarina“ genommen zu haben, da sie durch seine Arbeit nicht mehr so romantisch und tapfer erscheint, sondern zu einer realen Person geworden ist: „Wir haben mit diesem Buch praktisch aufgeräumt, und ich glaube, das ist gut so.“