Politica | Koalition

Nalser Premiere

Erstmals stimmt eine breite SVP-Basis über eine Regierungskoalition ab. Ob es am Montag aber wirklich dazu kommt, hängt nur von einem Mann ab: Roberto Calderoli.
Calderoli, Bessone, Mattei
Foto: Lega
Die Entscheidung fällt am 5. Jänner. An diesem Tag kommt der Mann nach Bozen von dem alles abhängt: Roberto Calderoli.
Calderoli, Lega-Schwergewicht, Vizepräsident des Senats und Vorsitzender des Verfassungsausschusses, hat die Wahl. Er kann die bisherigen Koalitionsverhandlungen zwischen SVP und Lega adeln oder sie desavouieren. Denn von seinem Verhalten am Samstag hängt es ab, ob der Südtiroler Landtag Mitte Jänner eine neue Landesregierung wählen wird oder nicht. 
Dabei ist der politische Fahrplan längst festgelegt. Am heutigen Donnerstag wird die Verhandlungsgruppe zwischen SVP und Lega den letzten und dritten Teil des Koalitionsprogramms diskutieren. Weil man die politisch kontroversen Themen bereits vorher abgehakt hat, gehen beiden Seiten davon aus, dass man sich einigen wird. Der Freitag steht noch für etwaige Korrekturen zur Verfügung. Am Montag will der erweiterte SVP-Parteiausschuss das Koalitionsprogramm mit der Lega dann absegnen.
Ob es allerdings dazu kommt, steht noch in den Sternen.
 

Vergiftetes Klima

 
Offiziell habe ich noch keine Nachricht“, sagt Arno Kompatscher zu salto.bz, „aber ich gehe davon aus Calderoli am Samstag zu treffen“. Allein diese Tonart macht deutlich wie tief die Risse zwischen dem Landeshauptmann und dem einflussreichen Lega-Senator sind.
Ausgangspunkt ist der Gesetzvorschlag der Lega zur Verfassungsänderung und Verkleinerung des Senats. Mit dem Reformgesetz soll festgelegt werden, dass in der Region Trentino-Südtirol nur mehr insgesamt 4 Senatoren gewählt werden. Das würde für Südtirol – das derzeit allein vier Senatoren hat – eine Halbierung der Sitze bedeuten. Bei zwei Südtiroler Senatoren wäre rein numerische ein italienischer Kandidat chancenlos. Außer man verändert die Wahlkreise so, dass in Bozen-Leifers und Unterland ein italienischer Kandidat gewählt wird. Dann würde es im Senat nur mehr einen deutschsprachigen Mandatar aus Südtirol geben.
 
Es ist verständlich, dass sich die SVP dagegen wehrt. Doch der Streit hat bisher diese inhaltliche Ebene kaum berührt. Vordergründig geht es noch um die Form. 
Landeshauptmann Arno Kompatscher hat unmittelbar nach der Behandlung dieser Bestimmung im Verfassungsausschuss die österreichische Regierung und den österreichischen Staatspräsidenten informiert. Laut Verfassung muss die Regierung bei allen Änderungen des Autonomiestatutes sowohl das Einvernehmen mit Südtirol als auch jenes mit Österreich suchen. Doch das hat man bisher unterlassen.
Die öffentliche Anrufung Wiens durch Kompatscher war und ist für Robert Calderoli aber eine Majestätsbeleidigung. Der Lega-Politiker empfindet dieses Vorgehen als persönlichen Affront und als Versuch der „linken SVP“ die Koalition mit der Lega im allerletzten Moment platzen zu lassen.
 

Treffen als Regierungschef

 
Seit Kompatschers Alarmruf nach Wien herrscht absolute Funkstille. Roberto Calderoli hat mehrere direkte Anrufe des Südtiroler Landeshauptmannes bewusst ignoriert. Auch Karl Zeller kommt zu dem Lega-Mann nicht mehr durch, mit dem er jahrelang in Rom gut zusammengearbeitet hat. „Ich habe auf meine SMS keine Antwort bekommen“, sagt der SVP-Vizeobmann.
Robert Calderoli redet dafür mit jener SVP, die er für Lega freundlicher hält. Das sind Pusterer Senator Meinhard Durnwalder und vor allem SVP-Obmann Philipp Achammer. Achammer ist es, der den direkten Kontakt zu Calderoli hält und auch alle Informationen über dessen Bozner Stippvisite am Samstag als erster erfahren wird.
Dabei könnte es beim Treffen zum nächsten Eklat kommen. Arno Kompatscher hat ausrichten lassen, dass er am Samstag den Lega-Senator in seinem Büro empfangen werde. Der Landeshauptmann sieht das Gespräch als einen institutionellen Akt. 
Es geht hier nicht um eine Parteiangelegenheit oder um einen Nebenschauplatz bei den Koalitionsverhandlungen“, sagt Kompatscher, „sondern um eine formale Aussprache zwischen dem Südtiroler Landeshauptmann und einem Exponenten der Regierung“. Arno Kompatscher ist in diesem Punkt kategorisch: „Ich bestehe auf eine institutionelle Klärung“.
 
Arno Kompatscher geht davon aus, dass Roberto Calderoli am Samstag eine konkrete Lösung anbietet, wie man aus der Sackgasse um die geplante Reform herauskommt. Aber auch dass diese Lösung dann formell von der italienischen Regierung nach Wien übermittelt wird. „Bevor diese Frage nicht geklärt ist, werde ich kein Koalitionsprogramm mit der Lega unterschreiben“, sagt der Landeshauptmann.
Was aber wenn Roberto Calderoli nicht mitspielt? Was wenn der Lega-Senator das Treffen am SVP-Sitz oder auf neutralem Boden will? Es gibt noch viele offene Fragen. Die Stimmung ist jedenfalls mehr als gespannt. Auch innerhalb der SVP weiß man: Ein Wort zu viel und das geplante Treffen am Samstag könnte platzen oder böse in die Hose gehen.
 

Historische Abstimmung

 

Dass man in der Brennerstraße aber dennoch zuversichtlich ist, zeigt sich daran, dass die SVP ihre Parteifunktionäre für Montagabend nach Nals eingeladen haben. Offiziell zum Neujahrsempfang. Auf dieser Versammlung soll auch die Abstimmung über das Koalitionsprogramm erfolgen und damit der Startschuss für die neue Südtiroler Landesregierung aus SVP und Lega.
Es würde damit in Nals zu einer historischen Premiere kommen. Denn bisher hat immer nur der SVP-Parteiausschuss über das Koalitionsprogramm abgestimmt. In Nals hat die SVP aber ganz bewusst den Kreis der Abstimmenden erweitert. Neben den Mitgliedern des Parteiausschusses sollen auch die Landtagsabgeordneten, die SVP-Ortsobleute und die Bürgermeister mitentscheiden und mitstimmen.
„Es ist eine Richtungsentscheidung“, sagt Vizeobmann Karl Zeller, „und wir wollen die Basis dabei möglichst breit einbinden“. Vor allem SVP-Obmann Philipp Achammer hat von Anfang an in diese Richtung gedacht und gehandelt. Die Parteispitze kann damit den Funktionären direkt die Beweggründe für diese Koalition und die Inhalte des Regierungsprogramms erläutern.
Im Umkehrschluss wird damit die gesamte Partei in die Verantwortung genommen. „Niemand wird danach sagen können, ich wurde nie gefragt“, sagt ein Mitglied des Parteiausschusses.
 
Auch die Diskussion in Nals wird lebhaft werden. Vor allem dann, wenn Roberto Calderoli zwei Tage zuvor, jenes Feuer in Bozen nicht wieder löschen kann, das er in Rom entfacht hat.
Aber auch wenn alles nach Plan geht, wird man sich in der SVP an die Nase fassen müssen. 
Denn Arno Kompatscher und Philipp Achammer waren vor zwei Monaten angetreten mit der klaren Aussage, dass die Zusammenarbeit mit der Lega ausschließlich „ein lokales Bündnis“ sein werde und man keinerlei Abmachungen oder Einmischungen mit der römischen oder Mailänder Lega-Spitze wolle.
Jetzt aber spielt ausgerechnet einer die Hauptrolle, der mit Südtirol eigentlich nichts zu tun hat: Roberto Calderoli.