Politica | Migration

Flüchtlingswege: Endstation Brenner

Nicht nur die Tragödie von Lampedusa, auch aktuelle Daten vom Brenner machen deutlich, dass Europa neue Wege im Umgang mit illegalen Flüchtlingen finden muss: Allein seit Juli hat die österreichische Polizei von dort 881 Menschen zurück nach Italien geschickt.

Der Brenner als Unrechtsgrenze: Was die Südtiroler Freiheit am Sonntag einmal mehr mit der Niederlegung einer Dornenkrone deklarierte, erhält vor aktuellen Daten zur illegalen Einwanderung eine neue Symbolik. Denn für rund 1500 Flüchtlinge und Migranten hat sich die Grenze zu Österreich in diesem Jahr bereits als unüberwindbare Hürde zur Festung Europa erwiesen. Wie Quästor Lucio Carluccio dem Alto Adige bestätigte, wurden dort allein seit Juli 881 Menschen von der österreichischen Polizei aufgegriffen und zurück nach Italien geschickt. Männer, Frauen und rund ein Viertel Minderjährige, knapp die Hälfte auf der Flucht aus Syrien, fast alle auf der Suche nach Familienangehörigen oder einer besseren Zukunft im Norden Europas.

Während die Tragödie von Lampedusa einmal mehr das Licht auf das Bossi-Fini-Gesetz wirft, das jegliche Hilfeleistung für Flüchtlinge und Migranten auf dem Meer als „Beihilfe zur illegalen Einwanderung“ ahndet, wie nicht zuletzt die Grünen kritisierten, zeigt sich in den Bergen vor unserer Haustür ein weiterer problematischer Aspekt einer fehlenden europäischen  Einwanderungspolitik. Breite öffentliche Aufmerksamkeit erhielt die zunehmende Abschottung der österreichischen Grenze bereits Ende August, als 25 syrische Flüchtlinge nach Italien zurückverwiesen wurden. Hintergrund dieser Aktionen ist laut dem Verein Volontarius die strengere Gesetzeslage jenseits des Brenners: Demnach dürfen in Österreich im Gegensatz zu Italien auch Frauen, Kinder oder Personen in Gefahr abgeschoben werden;  darüber hinaus könne jedes österreichische Bundesland laut Gesetz nur eine begrenzte Zahl an Flüchtlingen aufnehmen. Klares Ziel dieser Politik, die auch andere Länder wie Deutschland verfolgen: den Strom der Flüchtlinge vom Süden in den Norden Europas zu stoppen.

Wunschland adé

Für viele der Flüchtlinge wird der Brenner damit zur ungewollten Endstation eines langen und hindernisreichen Fluchtweges. Zwar müssen sie nach ihrer Abschiebung durch die österreichsiche Polizei wieder in Italien aufgenommen werden. Doch sobald ihre Daten von den italienischen Behörden aufgenommen wurden, können sie nicht mehr in jenen Ländern um politisches Asyl ansuchen, in die sie ursprüglich  wollten. Denn laut dem Vertrag von Dublin, mit dem zumindest die Zuständigkeit für das Asylverfahren innerhalb der Euopäischen Union geregelt wird, müssen sie innerhalb jenes Staates bleiben, in dem sie das erste Mal aufgegriffen wurden.

Der dramatische Anstieg der rückverwiesesenen Flüchtlinge – nach 181 im Juli waren es im September bereits 411 – sorgt auch in Südtirol selbst für immer mehr Alarmstimmung. Quästor Carluccio fordert im Alto Adige trotz prinzipiell guter Zusammenarbeit mit den österreichischen Behörden ein Überdenken der bestehenden Abkommen und internationaler Verträge. Denn bereits jetzt seit klar, dass das Problem angesichts der zunehemenden Flüchtlingsströme immer gravierender werde und die Lasten zwischen Italien und seinen Nachbarn im Norden nicht gleichmäßig verteilt sein. Auch Caritas-Präsident Pio Fontana sprach sich für die dringende Aufnahme von Verhandlungen aus, mit denen das Transitrecht geklärt wird. „Denn es kann nicht sein, dass jemand am Brenner eine komplette Sperre vorfindet.“  Die Abschottung, die Österreich und Deutschland gegenüber den Flüchtlingen praktizieren, werden laut Fontana auch zunehmend zu Engpässen bei ihrer Aufnahme in Südtirol führen. Denn die Plätze in den Aufnahmestrukturen seien wenige; vor allem nachdem viele der Heime, die infolge der Balkan-Konflikte eröffnet wurden, mittlerweile wieder geschlossen wurden und kaum finanzielle Mittel vorhanden seien.  

 

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Harald Knoflach Lun, 10/07/2013 - 20:38

In risposta a di Harald Knoflach

ist in der tat nicht ganz leicht, aber leider werden in der debatte oft dinge miteinander vermengt. ich versuch mal, einen überblick zu geben - hoffe er ist richtig:

wir haben auf der einen seite die migration - also den fall, in dem menschen ihren aufenthaltsort aus welchen gründen auch immer wechseln möchten
auf der anderen seite haben wir flüchtlinge - jene fälle, wo menschen gezwungen sind ihren aufenthaltsort zu verlassen und andersowo um asyl anzusuchen

beides kann legal und illegal erfolgen. d.h. ich kann in ein land als migrant einreisen ohne über die notwendigen rechtstitel dafür zu verfügen. auch kann ich als asylsuchender mich illegal in einem land aufhalten (z.b. wenn mein bescheid negativ ist oder ich meinen aufenthaltsort wechsle, bevor mein verfahren abgeschlossen ist usw.)

illegale flüchtlinge in dem sinne gibt es also nicht. denn weder der grund, der mich zum flüchtling macht, ist "illegal" noch bin ich nach wie vor flüchtling, wenn mein asylansuchen negativ bescheidet wurde. dann ist es nämlich illegale einwanderung, wenn ich nicht irre. wenn ich allerdings noch nicht um asyl angesucht habe, bin ich auch nicht "illegal", da die legalität meiner einreise ja erst mit dem positiven asylbescheid bestätigt oder mir diese eben auch abgesprochen wird.

Lun, 10/07/2013 - 20:38 Collegamento permanente
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Manfred Gasser Lun, 10/07/2013 - 15:22

Also, wenn die Flüchtlinge, egal woher sie kommen, das erste Mal in Österreiche aufgegriffen werden, warum werden sie dann zurückgeschickt? Der Vertrag von Dublin sagt doch. dass die Flüchtlinge in dem Land aufgenommen werden müssen, wo sie das erste Mal aufgegriffen, und die Daten erfasst werden. Wenn dies Flüchltinge also unerkannt durch Italien kommen und in Österreich aufgegriffen werden, ist doch Österreich zur Aufnahme verpflichtet, oder zählt nur das Land, in welchen die Flüchtlinge die EU betreten haben?

Lun, 10/07/2013 - 15:22 Collegamento permanente
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Harald Knoflach Lun, 10/07/2013 - 19:33

In risposta a di Manfred Gasser

ich hab auch gehört, dass es darauf ankommt, wo die flüchtlinge erstmals eu-boden betreten. österreich hat keine eu-außengrenze und doch eine der höchsten asylantragsquoten der eu. wie geht das denn. die kommen doch nicht alle mit dem flieger? weiß wer, wie das gehandhabt wird?

Lun, 10/07/2013 - 19:33 Collegamento permanente