Krankenpfleger "usa e getta"
Bereits Anfang des Jahres 2013 gab es den ersten Hilferuf der Fachgewerkschaften CGIL über die Gefahr des Arbeitsplatzverlusts von ungefähr 30 Krankenpflegern im Bozner Krankenhaus. Gewerkschafter Marco Maffeis warnte damals vor dem schleichenden Abbau der Verträge zwischen der Sanitätseinheit und der Sozialgenossenschaft SOS, die dem Krankenhaus bis dahin professionelle Ressourcen zur Verfügung gestellt hatte. Schleichend war der Abbau dann weniger, denn von einem Tag auf den anderen wurden 22 dieser Krankenpflegerinnen entlassen, bzw. ihr Vertrag nicht mehr erneuert. Offiziell fehlte den Frauen die Voraussetzungen für eine Aufnahme in den öffentlichen Dienst. Denn sie sind weder im Besitz der Staatsbürgerschaft noch der Zweisprachigkeitsprüfung.
Ausländische Pfleger um die Löcher in der Sanität zu stopfen
Artan Mullaymeri, UIL-Gewerkschafter für Einwanderungsbelange kennt die Geschichte nur zu genau: Vor zirka 10 Jahren habe man Pflegekräfte nach Italien und Südtirol geholt, um der starken Nachfrage im soziosanitären Bereich nachzukommen: in Altenheimen, Sozialdiensten und Krankenhäusern fehlte es plötzlich an Personal. So wurden im ganzen Land Sozialgenossenschaften gegründet, über die die Arbeitgeber der öffentlichen Hand an Personal aus dem Ausland kamen. Über den Passus „Ingresso per lavoro in casi particolari“ (Art. 27, Buchstabe G) im italienischen Einwanderungsgesetz 286/98, schaffte man eine Vorzugsspur für ausländische Arbeitskräfte, für „mansioni privilegiati“. Die Pfleger mussten eine berufliche und sprachliche Prüfung ablegen und erhielten ab dann Verträge von bis zu einem Jahr mit der Sozialgenossenschaft SOS oder der Arbeitsagentur Altro Lavoro aus Florenz.
Den Pflegern wurde die Aufenthaltsgenehmigung und Wohnmöglichkeiten zur Verfügung gestellt, auch die Aussicht auf die Staatsbürgerschaft nach 10-jähriger Ansässigkeit. Die Arbeitsgenossenschaft bzw. Agentur hingegen war mit der Sanitätseinheit längerfristig vertraglich gebunden. So war zwar die Auftragslage der Agentur einigermaßen gesichert, die dort vermittelten Arbeitskräfte blieben jedoch in ihrer prekären Situation hängen mit zum Schluss nur mehr 3 bis 6-monatigen Aufträgen. „Wir von der Gewerkschaft wissen immer noch nicht genau, wieviele Krankenpfleger auf diese Weise am Bozner Krankenhaus tätig waren,“ sagt Mullaymeri, „die Fluktuation ist unglaublich hoch, denn die Sozialgenossenschaft bzw. die Agentur hat eine bestimmte Anzahl an Arbeitskräften zur Verfügung, die nicht nur hier in Südtirol zum Einsatz kommt, sondern auch im übrigen Italien.“
Kurzsichtige Arbeitspolitik
Derzeit seien indische Krankenpfleger auf diese Weise am Bozner Krankenhaus tätig, als Freiberufler mit Mehrwertsteuernummer. „Was mich an der ganzen Situation stört,“ meint Artan Mullaymeri, der vor einigen Jahren noch den Einwanderungsbeirat der Stadt Bozen anführte, „ist die Kurzsichtigkeit, mit der hier Arbeitspolitik betrieben wird. Wenn ich als Politiker weiß, ich brauche in den nächsten Jahren eine gewisse Anzahl an Pflegekräften, weil die Bevölkerung um soundsoviel wächst und älter wird, dann kann ich diese Kräfte auch hier im Land ausbilden. So ist man hergegangen und hat Leuten von auswärts einen Arbeitsplatz gegeben, der für einige zu einem sicheren Posten geworden ist, während die Staatszugehörigkeit und der Zweisprachigkeitsnachweis für andere unüberwindliche Hürde blieb. Die zahlen jetzt den Preis.“
Gleichbehandlung von Arbeitskräften?
Derzeit wird von der Sanitätseinheit Bozen eine öffentliche Rangliste aufgestellt. Ob die ausländischen Krankenpfleger hier zum Zug kommen? Das Prinzip der Staatsbürgerschaft, das als Voraussetzung für die Aufnahme in den öffentlichen Dienst gilt, wurde nämlich von etlichen Rekursen widerlegt. Denn Italien hat bereits 1981 die sogenannte „Convenzione Oil“ ratifiziert, die eine Gleichbehandlung von ausländischen Arbeitskräfte mit gültigem Aufenthaltsnachweis und nationalen Arbeitskräften vorsieht. Auch sieht das Abkommen vor, dass jedwede institutionelle Hürde die eine solche Gleichbehandlung verhindern würde, vom Gesetzgeber abzuschaffen ist. Südtirol ist davon wegen des Proporzes ausgenommen.