Putschversuch in der Türkei
In der Nacht auf Samstag hat es in der Türkei einen Putschversuch gegeben. Mit der offiziellen Begründung, die demokratische Ordnung im Land wiederherstellen zu wollen, ließen Teile des türkischen Militärs am späten Freitag Abend Panzer auf den Straßen von Istanbul und Ankara anrollen. Das Kriegsrecht wurde ausgerufen, es kam zu Schießereien zwischen Soldaten und der Polizei, die sich gegen den Staatsstreich gestellt hatte. Kampfflugzeuge donnerten über Ankara, Bomben explodierten und forderten zahlreiche Verletzte. In Istanbul wurden die zwei Brücken über den Bosporus, die die Stadt mit dem europäischen Kontinent verbinden, gesperrt. Der Sitz des staatlichen Fernsehens wurde gestürmt, die Zugänge zu den sozialen Netzwerken Facebook und Twitter vorübergehend gesperrt.
Präsident Recep Tayyip Erdogan, gegen den der Putsch gerichtet war, forderte die Menschen in der Türkei per Handy (er, der als Präsident immer wieder soziale Medien zensiert und gesperrt hatte, meldete sich per FaceTime bei CNN Turkey) auf, auf die Straße zu gehen um die verfassunsgrechtliche Ordnung des Landes zu verteidigen. Tatsächlich kam es im Laufe der Nacht zu zahlreichen Protestmärschen in mehreren türkischen Städten. Immer wieder waren unzählige Menschen in den vergangenen Monaten und Jahren gegen Erdogan und die türkische Regierung auf die Straße gegangen. Mehr Demokratie, die Wahrung der Menschenrechte und anderer Prinzipien wie Pressefreiheit, ein Ende der Repression gegen Kurden und andere Minderheiten. All das fordern Teile der türkischen Bevölkerung seit langem von Erdogan. Doch Freitag Nacht wurde für den türkischen Präsidenten und gegen den versuchten gewalttätigen Putsch des Militärs protestiert. Neben großen Teilen der Bevölkerung stellten sich im Laufe der Nacht alle demokratischen Parteien auf die Seite Erdogans und verurteilten den Versuch, mit Gewalt die Macht im Land zu übernehmen. “Aus Prinzip und in jedem Fall sind wir gegen jegliche Art von Coup”, schrieb etwa die kurdenfreundliche HDP auf Twitter.
Die Reaktionen auf internationaler Ebene fielen ähnlich aus. Sowohl US-Präsident Barack Obama als auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel stellten sich hinter die “demokratisch gewählte türkische Regierung” (Obama) und mahnten, dass “alles getan werden muss, um Menschenleben zu schützen” (Sprecher der deutschen Regierung). Ebenso verurteilten NATO-Sekretär Jens Stoltenberg und UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon den versuchten Staatsstreich. Am frühen Samstag Morgen dann die Wende. “Der Putschversuch ist gescheitert”, verkündete der türkische Innenminister. Erdogan, der zuvor per Flugzeug außer Landes geschafft werden sollte, kehrte kurz vor 4 Uhr früh Ortszeit nach Istanbul zurück. “Der Präsident, den 52 Prozent der Menschen ins Amt gewählt haben, hat die Macht”, sagte er bei seiner Ankunft am Atatürk-Flughafen. Die Bilanz der letzten Stunden: mindestens 60 Tote, hunderte Verletzte; ein General, der den Putschversuch mit angeführt haben soll, wurde getötet, mindestens 750 weitere Personen verhaftet.