Dorfkaiser? Von wegen
„Soll ich für 900 Euro arbeiten“, ist die provokante Frage, die Bürgermeister Ulrich Veith vor dem Hintergrund seines Prozesses zur Frage der Sozialbeiträge von Bürgermeistern aufwirft. Wer kein Arbeitsverhältnis im Hintergrund hat, ist als Bürgermeister zum Prekariat verdammt, lässt sich aus den Aussagen des Malser Bürgermeisters schlussfolgern. Oder landet wie er vor dem Kadi, weil er sich zwecks Absicherung ein Arbeitsverhältnis organsiert hat – und zwar nach Beratung durch den Gemeindenverband, wie Ulrich Veith behauptet. Eine Version, die der aktuelle Präsident des Gemeindenverbandes Andreas Schatzer derzeit weder bestätigt noch dementiert. Immerhin war zum fraglichen Zeitpunkt im Jahr 2009 noch sein Vor-Vorgänger, der heutige Landwirtschaftslandesrat Arnold Schuler, in seinem Amt. „Ich persönlich kenne den Fall ehrlich gesagt nur aus den Zeitungen“, räumt Schatzer ein. Eine Klärung sollen nun genauere Recherchen und ein persönliches Treffen mit Veith am morgigen Donnerstag bringen. „Laut einer ersten telefonischen Auskunft aus dem Verband gab es zwar ein Gutachten in dem Fall“, erklärt der Gemeindenverbandspräsident. „Doch dieses soll erst im Juli ausgestellt worden sein, also nach der Wahl Veiths zum Bürgermeister im Mai 2009“, sagt Schatzer.
„Wir brauchen mehr Gerechtigkeit“
Volle Rückendeckung gibt der Vahrner Bürgermeister seinem Malser Kollegen dagegen bei der generellen Kritik an der prekären versicherungstechnischen Situation vieler Bürgermeisterinnen und Bürgermeister. Die können nur von Sozialbeiträgen in Höhe von bis zu 212.000 Euro träumen, wie sie beispielswiese zuletzt einige 2008 erstmals gewählte Landtagsabgeordnete ausgezahlt bekommen haben – darunter auch ehemalige Bürgermeister wie Veiths Vorgänger Sepp Noggler, Arnold Schuler oder Christian Egartner. Und: Erhält ein Landtagsabgeordneter nach der Abschaffung der Leibrente von der Region umso mehr Einzahlungen in einen Zusatzrentenfonds je weniger er vorhin verdient hat, ist es bei den Bürgermeistern genau umgekehrt. Wenn heute ein Bankdirektor Bürgermeister wird, kostet er eine Gemeinde fast doppelt so viel wie beispielsweise ein Landwirt, sagt Andreas Schatzer.
„Wir brauchen mehr Gerechtigkeit – nicht nur gegenüber anderen Politikern, sondern auch unter den Bürgermeistern selbst“, fordert er. Doch eine seit langem angestrebte einheitliche Lösung für die Ersten BürgerInnen im Land ist nach wie vor nicht abzusehen. Zu kompliziert die unterschiedlichen, vielfach staatlichen Vorgaben, zu delikat das Thema nach dem Volkszorn über die Politikerrenten. Und so können derzeit nur Angestellte ein Bürgermeisteramt ohne Sorgen um ihre Altersvorsorge, aber auch eine eventuelle Abdeckung bei Unfällen und Krankheit ausüben. „Wenn sie sich in politischen Wartestand versetzen lassen, sind sie durch ihr Angestelltenverhältnis abgedeckt und die Gemeinde ist verpflichtet, der Firma die Pensionsbeiträge zurückzuerstatten“, erklärt Andreas Schatzer. Klarerweise in voller Höhe des betreffenden Arbeitsverhältnisses.
„Früher oder später kommt man zum Schluss, dass man sich das alles nicht mehr antun kann, denn sonst wird man krank“
Gerade einmal den Mindestversicherungsbeitrag gibt es dagegen für alle Selbstständigen. Im Fall eines Landwirtes sind das 1900 Euro im Jahr, gibt der Gemeindenverbandspräsident zu bedenken. Doch auch diese Abdeckung ist seit einer Gesetzesänderung keineswegs mehr sicher. „Letzthin darf dieser Mindestbeitrag von der Gemeinde nur mehr ausbezahlt werden, sofern der Bürgermeister glaubhaft versichert, keine berufliche Tätigkeit mehr auszuüben“, so Schatzer. Kann also beispielsweise der Landwirt nicht davon überzeugen , dass er nicht einmal bei der Heuernte mithilft, schaut er versicherungsmäßig durch die Finger.
Breiter freiwilliger Verzicht
Doch es sind nicht nur fehlende Sozialbeiträge, die zunehmend an der Attraktivität des Bürgermeisteramtes kratzen. „Früher oder später kommt man zum Schluss, dass man sich das alles nicht mehr antun kann, denn sonst wird man krank“, begründet der Franzensfester Bürgermeister Richard Amort am Mittwoch seinen Entschluss, nach einer Periode als Bürgermeister nicht mehr zu kandidieren. Und er ist bei weitem nicht der einzige. „Für mein Gefühl sind es diesmal relativ viele Bürgermeister, die aus freier Wahl nicht mehr antreten“, sagt deren Präsident Schatzer. Gekürzte Amtsentschädigungen, immer mehr Verantwortung und Zeitaufwand – das sind nur einige weitere Gründe, die Schatzer als Hintergrund für die aktuelle Entwicklung sieht.
Nicht nur in den großen Städten hätten Bürgermeister immer öfter Klagen am Hals hängen; auch das Beispiel Lüsen, wo sich Bürgermeister Josef Fischnaller derzeit in zwei Fällen vor Gericht verantworten muss, zeigt laut Schatzer, wie weit die persönliche Haftung eines Bürgermeisters gehe. „Wenn man heute sein Amt pflichtbewusst ausüben will, ist es schon in einer Gemeinde ab 3000 Einwohnern fast ein Vollzeitjob“, sagt er. Doch den könne sich unter den Bedingungen in kleinen Gemeinden kaum jemand leisten. Außer er ist bereit, um 900 Euro zu arbeiten.