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SELbstmordkommando

Die Landesregierung will die Vergabe der Stromkonzessionen mit den alten SEL-Umweltplänen wiederholen. Ein absurde und gefährliche Aktion.

Wenn es darum geht, zu bluffen und Zeit zu gewinnen, dann kann man die Aktion als strategischen Schachzug sehen. Wenn man es aber ernst meint, dann dürfte es der schnellste Weg vom Regen in die Traufe sein.
Am 16. Dezember 2014 hat die Landesregierung den Beschluss Nummer 1527 mit dem Titel „Neuorganisation des Elektrizitätssektors in Südtirol“ gefasst. Darin wird nicht nur die Fusion zwischen „SEL AG“ und „Etschwerke AG“ politisch untermauert, sondern auch der Weg festgelegt, wie man die Rechtmäßigkeit der manipulierten SEL-Konzessionen wiederherstellen will.
Außerdem gedenkt das Land das Verfahren zur vergleichenden Neuprüfung der Wasserkonzessionen laut Beschluss der Landesregierung Nr. 562 vom 15. 04. 2013 abzuschließen“, heißt es im Text. Gemeint ist damit die Entscheidung der alten Landesregierung und von Stromschlichter Giuseppe Caia angeregt, dass man an eine Neubewertung der Konzessionsansuchen der 12 ehemaligen ENEL-Großkraftwerke durchführen soll, in dem man für die SEL, die ursprünglichen nicht manipulierten Umweltpläne bewertet.
Was gut und logisch klingt, hat aber gleich einige entscheidende Haken.

Der Schwindel

Die Vorgeschichte ist bekannt. Aber zur Erinnerung: Bis zum 31. Dezember 2005 mussten die Konkurrenten für die großen Enel-Kraftwerke die Ansuchen und Unterlagen beim Amt für Stromversorgung einreichen. Das taten auch alle. Bis auf die SEL.
Maximilian Rainer & Co gaben ihre Unterlagen direkt im Büro von Michl Laimer ab. Inzwischen ist durch ein Gerichtsurteil bewiesen, dass es in den Monaten danach zu entscheidenden Manipulationen gekommen ist. Michl Laimer leitete im Februar/März 2006 alle wichtigen Kennzahlen der Konkurrenzprojekte an Maximilian Rainer weiter. Der SEL-Direktor lies umgehend die Umweltpläne aller SEL-Projekte daraufhin überarbeiten.
Am 14. April 2006, dem Karfreitag, tauschte man im Laimer-Büro dann sämtliche SEL-Umweltpläne aus. Mit Erfolg. Vier Jahre später gewinnt die Landesenergiegesellschaft fast alle Stromkonzessionen.

Die Neubewertung

Der Plan der Landesregierung klingt einfach: Weil die Konzessionen erschwindelt wurden, soll es zu einer Neubewertung und – vergabe kommen. Die zuständigen Ämter wollen dazu die ursprünglichen Umweltpläne der SEL – also jene die vor dem Austausch im Büro Laimer lagen – heranziehen.


Das Problem an der ganzen Aktion: Diese Umweltpläne gibt es offiziell aber nicht mehr. Denn Maximilian Rainer & Co haben am Karfreitag 2006 insgesamt mehrere tausende Seiten ausgetauscht und die ursprüngliche Version wohlweislich verschwinden lassen.
Als aber die Beamten der Carabinieri-Sondereinheit im November 2011 den Dienstcomputer von SEL-Generaldirektor Maximilian Rainer beschlagnahmen und analysieren, finden sie, in einem für Rainer reservierten Bereich, einen unscheinbaren Ordner mit dem Titel „home-rainer\ Alte Dateien\Büro\Enel Produktion\umweltpläne_dezember_2005“. In diesem Ordner sind 14 Word-Dokumente enthalten – es sind die Entwürfe der Umweltpläne der SEL, die alle am 30. Dezember 2005 zwischen 4.58 und 7.07 Uhr zum letzten Mal gespeichert und am selben Tag im Büro von Michl Laimer hinterlegt wurden.
Diese Dateien sollen jetzt für die Neubewertung herangezogen werden.

Das Problem

Die Landesverwaltung musste sich im vergangenen Sommer diese Dateien erst von der Staatsanwaltschaft und den ROS-Beamten aushändigen lassen. Der Versuch, damals, von der Staatsanwaltschaft eine Art amtlichen Stempel zu bekommen, scheiterte am Widerstand der Ermittler. Sie gehen auch noch heute davon aus, dass „diese Unterlagen keinerlei rechtliche Relevanz haben“.
Die Gründe dafür liegen klar auf der Hand. Die Umweltpläne, die man jetzt für die Neubewertung heranziehen will, sind reine Word-Dokumente. Es gibt weder ein Deckblatt, noch auf den mehren tausend Seiten irgend eine Unterschrift oder gar einen Stempel. Weder von den beauftragten Technikern, noch von der Landesverwaltung. Es gibt nicht einmal ein klares Datum.


Alle Umweltpläne beginnen direkt mit dem Inhaltsverzeichnis und enden mit der Angabe „Bozen, Dezember 2005“. Das ist aber auch schon alles. Zudem werden in allen Umweltplänen am Ende Anlagen angeführt, die aber nicht beigelegt sind.
Woher nimmt man jetzt diese Anlagen? Wiederum aus der zweiten ausgetauschten Version der SEL-Umweltpläne?

Zwei Nullnummern

Zieht die Landesregierung trotz rechtlicher Bedenken ihre Linie durch, wird sie mindestens vor zwei unlösbaren Problemen stehen.
In den alten Word-Files aus dem Rainer-Computer sind zwar alle Enel-Kraftwerke angeführt, doch bei genauerem Hinsehen, hat der am 27. Dezember 2005 erstellte Umweltplan des Kraftwerks Lappach eine Dateigröße von 0 Bytes. Es ist in diesem Ordner ein leeres Blatt. Das heißt dieser Umweltplan fehlt.


Was aber tut man bei diesem Kraftwerk? Demnach müsste in Lappach die Konzession einem der Konkurrenten zugesprochen werden. Das sind in diesem Fall: Enel, Edison oder Etschwerke.
Dazu kommt noch ein Fall, den die Landesregierung in ihrem Beschluss anscheinend vergessen hat: Das Kraftwerk Laas. Auch dort ist der Tausch des Umweltplanes durch die SEL-Spitze aktenkundig und gerichtlich bewiesen. Nur auf dem Rainer-Computer gibt es keinen alten Umweltplan für das Kraftwerk Laas.
Wie will man in diesem Fall aber ein Neubewertung machen? Auch hier müsste man dann die Konzession einem der Konkurrenten erteilen. Das wären die Edison oder das Vinschger Energie-Konsortrium (VEK).

Ein neuer Fall?

Es gibt aber einen weiteren Punkt, den die Landesregierung und die zuständigen Beamten wohl kaum bedacht haben. Ein Detail, das zu neuen größeren rechtlichen Problem führen könnte.
In dem Ordner aus dem Computer von Maximilian Rainer liegt auch der Umweltplan zum Kraftwerk St. Florian. Genauer gesagt gibt es zwei Umweltpläne zu diesem Kraftwerk. Weil das Kraftwerk sowohl Südtirol wie auch das Trentino betrifft, war lange nicht klar, wer diese Konzession vergibt. So haben Rainer und die SEL sowohl in Trient wie auch Bozen ihre Projekte und Ansuchen hinterlegt.
Am Ende einigten sich die beiden Länder, dass Südtirol für die Konzessionsvergabe zuständig sei. Die Konzession wurde an die „SF Engery“ vergeben, einer Gesellschaft, die der SEL, der ENEL und der Trentiner „Dolomiti Energia“ gehört.
Bis heute hat aber niemand nachgeschaut, ob Maximilian Rainer & Co am Karfreitag im Laimer Büro auch den Umweltplan von St. Florian ausgetauscht haben. Vieles spricht dafür.
Was passiert jetzt, wenn man den Umweltplan St. Florian aus dem Rainer Computer mit jenem vergleicht der im Amt für Stromversorgung liegt? Muss die Staatsanwaltschaft dann von Amtswegen einem neuen Fall von Manipulation nachgehen?
Vor diesem Hintergrund könnte die Neubewertung der Konzessionen so wie sie Richard Theiner jetzt durchziehen will, rechtlich und politisch leicht zum Selbstmordkommando für die Südtiroler Energiepolitik werden.