Waltraud Kofler-Engl: "Schutzämter haben es schwer"
Frau Kofler-Engl, die Denkmalpflege wurde von der deutschen Kultur zum Bautenressort von Florian Mussner verlegt. Was bedeutet das?
Waltraud Kofler Engl: Für uns ist das natürlich eine Neuerung. Die Denkmalpflege war seit der Übernahme der Zuständigkeit durch die Autonome Provinz Bozen und der Errichtung des Denkmalamtes 1973 bei der deutschen Kultur angesiedelt. Die Gründe für diese Entscheidung kenne ich nicht und mit Landesrat Mussner hat es noch kein Gespräch gegeben.
Was glauben Sie, ist der Grund für die Abtrennung vom Kulturamt?
Diese Frage müssen Sie Landesrat Florian Mussner stellen. Ob es inhaltliche oder politische Gründe waren, weiß ich nicht. Die Denkmalpflege ist ein sprachgruppenübergreifender Kulturbereich der zwar bisher bei der deutschen Kultur angesiedelt war, aber genauso gut Teil des Assessorates für italienische Kultur sein könnte. Nun sind wir wie die Abteilung Museen der Bauerhaltung, der Mobilität und der ladinischen Kultur zugeordnet. In Österreich ist die Denkmalpflege beispielsweise beim Bundeskanzleramt angesiedelt, auch das ist eine Möglichkeit.
Bedeutet das eine Aufwertung des technischen Aspekts und ein Zurückstellen des kulturellen Auftrags für die Denkmalpflege?
Das denke ich nicht. Der bautechnische Anteil an der Denkmalpflege ist ein nicht unwichtiger, aber doch nur ein Teil. Denkmalpflege umfasst ja nicht nur die Bau-Denkmalpflege, sondern neben der Bau- und Kunstdenkmälern, wofür ich verantwortlich bin, steht gleichberechtigt das Amt für Bodendenkmäler und das Landesarchiv. Die Baudenkmalpflege ist zwar häufig im Fokus der Öffentlichkeit, jedoch ein Teilbereich des Ganzen. Der übergeordnete und übergreifende Auftrag ist ein kultureller. Denkmalpflegerinnen und Denkmalpfleger sind Vermittler bzw. Übersetzer des materiellen, kulturellen Erbes der Vergangenheit in der Gegenwart für die Zukunft.
Denkmalpflege hat den Auftrag, das materielle und kulturelle Erbe von der Vergangenheit in die Zukunft zu begleiten.
Seit wann betreuen Sie als Direktorin die Bau- und Kunstdenkmäler?
Ich bin seit 1986 in der Denkmalpflege tätig, die Direktionsstelle für das Amt für Bau- und Kunstdenkmäler habe ich seit 1995 inne und war bis zum Ausscheiden des damaligen Landeskonservators Helmut Stampfer auch seine Stellvertreterin.
Das Jahr 2007 war ein markantes Jahr für Sie, damals haben Sie sich für die Leitung der Denkmalpflege interessiert, doch hat man Leo Andergassen von außen berufen, jetzt nachdem Andergassen Direktor von Schloss Tirol wurde, ist die Stelle wieder vakant?
Die Stelle des Abteilungsdirektors der Denkmalpflege ist seit letzter Woche vakant, bzw. mit der geschäftsführenden Stellvertreterin Christine Roilo besetzt. Die Stelle wurde bereits im Juni 2013 ausgeschrieben. Das vorgesehene Kolloquium hat jedoch noch nicht stattgefunden und wird wohl demnächst durchgeführt werden.
Haben Sie sich beworben?
Ja, ich habe mich beworben. Die Prüfungskommission wird eine Auswahl treffen und der Landesregierung die KandidatenInnen vorschlagen. Da das Auswahlverfahren jedoch noch unter der letzten Landesregierung eingeleitet wurde, und es jetzt zudem den Wechsel in den Zuständigkeiten gab, stellt sich die Frage, wie die Ausschreibung zu Ende geführt wird.
In bestimmt über 90% der Fälle finden wir eine gute und einvernehmliche Zusammenarbeit mit Eigentümern, Planern, Handwerkern und Restauratoren.
Baudenkmalschutz ist ein heikler Auftrag, als er in das Privateigentum eingreift, wie vermitteln Sie hier?
Während in der Kunstdenkmalpflege und bei Burgen, Schlössern, Ansitzen, Kirchen und Kapellen kaum Interessenskonflikte entstehen, sind sie bei bewohnten Baudenkmälern nicht selten vorprogrammiert. Wenn Eigentümer einen völlig freien Umgang mit ihren Gebäuden haben möchten und den Denkmalwert nicht als erhaltenswerten Mehrwert und als Qualität anerkennen, sondern als Hindernis für ihre Interessen sehen, wird es schwierig. Heutige Denkmalpflege an Gebäuden die bewohnt werden, ist kein musealer oder allein konservierender Umgang, sondern bedeutet Erhaltenswertes zu schützen und es mit einer zeitgemäßen Nutzung zu verbinden. In bestimmt über 90% der Fälle finden wir eine gute und einvernehmliche Zusammenarbeit mit Eigentümern, Planers, Handwerkern und Restauratoren. Darüber wird im Unterschied zu den 10 oder 5 Prozent der Fälle, bei denen es zu Interessenskonflikten mit den Eigentümern kommt, und die als Negativmeldung schnell bei der Hand sind, leider viel weniger gesprochen und berichtet.
Sie haben den Ruf eine strenge Denkmalpflegerin zu sein, woher kommt dieser Ruf?
Was heißt streng? Ich denke es ist wichtig zur Erhaltung unserer Bau- und Kunstdenkmäler zu stehen, den Bürginnen und Bürgern dahingehend sowohl klare Auskünfte zu geben als auch gemeinsam denkmalverträgliche Lösungen zu suchen. Wenn es jedoch in Richtung Zerstörung eines Gebäudes geht, dann ist es unsere Aufgabe und auch mein persönliches Berufsethos, alles Mögliche für dessen Erhaltung zu tun. Wir haben den öffentlichen Auftrag Bauten zu schützen, die Menschen von ihrem Wert zu überzeugen und sie dafür zu gewinnen, Wege der Sanierung aufzuzeigen, auf öffentliche Geldmittel hinzuweisen und Vermittlungsarbeit zu leisten. Wenn Eigentümer jedoch nicht vom Wert der Erhaltung zu überzeugen sind, ist es unsere Pflicht auf die Erhaltungspflicht hinzuweisen, bzw. begründet Nein zu zerstörerischen Eingriffen zu sagen, unabhängig vom gesellschaftlichen Rang der Eigentümer oder von politischer Einflussnahme.
Wir haben europaweit dieselben Diskussionen. Schutzämter haben es zwischen dem gesetzlich-öffentlichen Auftrag Kultur- oder Landschaftsgüter zu schützen und den damit nicht verträglichen Einzelinteressen nicht leicht und geraten schnell und häufig ungerechtfertigt in den Ruf streng und Verhinderer zu sein.
Wieviel gibt es noch zu schützen in unserem Land?
In Südtirol stehen ca. 5.000 Bauten unter Denkmalschutz die zwischen 1974 bis 1988/89 von Salurn bis zum letzten Ort im Ahrntal systematisch erhoben und im Laufe der Jahre ergänzt wurden. Da der Denkmalbegriff – und wert kein statischer ist sondern sich verändert, ist die Denkmalliste laufend zu aktualisieren. Bauten, deren Wert man nicht kannte oder die das gesetzlich vorgesehene Mindestalter von 50 Jahren erst erreicht haben, sind nachzutragen. Weiter stünden die Unterschutzstellungen einer Auswahl der Bauten des Rationalismus in Bozen und Meran an; unbequeme Zeugen, jedoch mit bedeutenden Aussagewerten ihrer Entstehungszeit.
Zudem ändern sich die Kriterien dessen was schützenswert ist. Lange Zeit ging man vom herausragenden architektonischen oder kunsthistorischen Wert aus und schützte vorwiegend Zeugnisse der gesellschaftlichen Oberschicht. Mittlerweile besteht der Anspruch, sich auch um Objekte einer komplexeren historischen Realität zu kümmern, wie beispielsweise um solche der sozialen Unterschichten, bestimmter Bau- und Handwerkstechniken oder um technische Bauten. Auch Zeugnisse der Schattenseiten unserer Vergangenheit sind Teil des kulturellen Erbes. Spannend an der Denkmalpflege ist, dass es sich um einen im Wandel begriffenen zeitgenössischen Umgang mit den Zeugnissen unserer Vergangenheit handelt, der in der Werte- und Erinnerungskultur unserer Gesellschaft verankert ist. Denkmalpflege ist zeitgenössische Kulturarbeit, in der die Realität der Gegenwart einen ebenso großen Stellenwert wie die Vergangenheit hat.