Gesellschaft | Verstimmung

Der Haus(arzt)-Segen hängt schief und schiefer

Neue Protestaktion der Hausärzte: Ab Montag wollen sie die Ticketbefreiung aus Einkommensgründen auf den Rezeptzetteln nicht mehr eintragen.

Es muss nicht immer ein Streik sein. Sondern es gibt auch andere Mittel und Wege, um seinen Unmut zum Ausdruck zu bringen. Zu solchen haben nun auch die Südtiroler Hausärzte gegriffen. Ab kommenden Montag wollen sie sich weigern, auf dem Rezeptzettel die Codes für die Ticketbefreiung aus Einkommensgründen einzutragen. Was bedeutet, dass zahlreiche Patienten den vollen Preis für die verschriebenen Medikamente bezahlen müssen wird.

 

Keine Kodes auf roten Zetteln

Bislang war es so, dass sich ein Hausarzt mit der Steuernummer des Patienten in die Datenbank des Finanzministeriums einloggte, um zu kontrollieren, ob dieser aus Einkommensgründen Anrecht auf die Ticketbefreiung hat. Falls dies der Fall war, wurde der entsprechende Kode auf dem roten Rezeptzettel eingetragen. “Eine Prozedur, die uns Zeit kostet und vom Gesetz eigentlich gar nicht vorgesehen ist”, erklären die Hausärzte. Sie sind der Ansicht, “dass wir unter diesen Umständen diese Leistung nicht mehr erbringen müssen”.

die betroffenen Kodes:

  • E01 für Kinder von 0 bis 6
  • E21 für Kinder von 6 bis 14
  • E22 für Kinder bis 26, die zu Lasten leben
  • E99 für Über-65-Jährige

Die Umstände, von denen die Hausärzte sprechen sind schnell erklärt: Sie fühlen sich von der Provinz nicht ernst genommen und nach wie vor stiefmütterlich behandelt. Und das gleich in mehrerlei Hinsicht. So hatte etwa die Gewerkschaft Fimmg vor dem Arbeitsgericht die Aussetzung des letzten Vertrags beantragt. Durch diesen müssen zahlreiche Hausärzte seit 1. August 2015 auf bis zu ein Viertel ihres Gehalts verzichten. Der Antrag auf Aussetzung würde kürzlich wieder zurückgezogen, unter der Bedingung, dass die Provinz umgehend neue Verhandlungen aufnimmt, um einen neuen Vertrag aufzusetzen. Das sei laut Fimmg-Gewerkschafter Domenico Bossio nicht geschehen, “daher sehen wir uns gezwungen, zu protestieren”.


Schieflage beheben

Ein anderer Grund für die Missstimmung sind die in Martha Stockers Gesetzentwurf zur Reform der medizinischen Versorgung vor Ort vorgesehenen außerordentlichen Beiträge für Hausärzte in der Peripherie. Diese sollen zur Finanzierung von Ambulatorien und Ausrüstung gewährt werden. Das reicht nicht, meinen die Hausärzte. Denn sie sehen das Problem vor allem in Städten wie Bozen und Meran, wo die Mieten für die Ambulatorien zum Teil exorbitante Summen erreichen. “Ein wirkliche Stärkung der Gesundheitsversorgung vor Ort müsste zusätzliche Geldmittel für die Hausärzte vorsehen”, kritisiert Bossio im Corriere dell’Alto Adige, “der Großteil der Ressourcen wird aber nach wie an die sieben Krankenhäuser gehen”.

“Wir sind es einfach leid, uns schlecht behandeln zu lassen und nicht angehört zu werden”, geht die Klage der Hausärzte in Richtung Provinz. Dort fällt man aus allen Wolken. Machen die Hausärzte wirklich ernst, muss sich das Gesundheitsressort etwas einfallen lassen, wie den betroffenen Patienten doch noch das Recht auf Ticketbefreiung gewährleistet werden kann. Im Raum steht etwa die Möglichkeit, sich vor beziehungsweise nach dem Gang in die Apotheke an den Sozialsprengel zu wenden, um eventuelle Rückerstattungen geltend machen zu können.


Streik als ultima ratio

“Es ist völlig unverständlich, dass die Gewerkschaften solche Maßnahmen setzen, wenn man gleichzeitig am Verhandlungstisch sitzt”, wird Verhandlungsführer und Ressortleiter Michael Mayr in den Dolomiten zitiert. Er sehe nicht ein, warum “ein für die Bevölkerung wichtiger Dienst” plötzlich nicht mehr gemacht werde. “Diese Reform ist eine Beleidigung, wir erachten sie als inakzeptabel und schaffen es nicht, unsere Argumente den Bürokraten der Provinz verständlich zu machen”, kontern die Hausärzte und kündigen weitere Aktionen an.

Sie wollen ihren eingeschlagenen Weg des Protests unbeirrt weitergehen. Am 17. und 18. März werden sie daher auch am italienweiten Ärzte-Streik teilnehmen. Dazu aufgerufen haben neben den Haus- auch die Krankenhausärzte-Gewerkschaften. “Politiker haben jahrelang den Bürgern wohl alles gratis verpsrochen (für eine Legislatur?!), das können wir jetzt ausbaden”, liest man etwa im Positionspapier der Präsidentin der hiesigen Hausärzte-Gewerkschaft SNAMI, Susanna Hofmann. Mit dem Streik kommenden Monat wollen die Mediziner ihr Unbehagen und ihr “Nein” zu Kürzungen von Leistungen für die Bürger sowie zur “Gleichgültigkeit der Regierung und der Provinz” zum Ausdruck bringen.