Gesellschaft | Justiz

Gerichtliche Außenstellen: Symbolische Anklage gegen Richter

Vorwurf an die lokale Richterschaft vom Präsidenten der Rechtsanwaltskammer Bozen: Laut Andrea Pallaver hätten die Richter in Trient einen mutigeren Beitrag zur Rettung der gerichtlichen Außenstellen leisten sollen.
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Foto: upi

Die Deadline 13. September für die gerichtlichen Außenstellen rückt immer näher. Kommt es bis dahin zu keiner Einigung mit Justizministerin Anna Maria Cancellieri geht in allen vier Südtiroler Außenstellen für immer das Licht aus. In dem Fall hieße es:  Vergebens alle  Rekurse und Verhandlungen zur Rettung von zumindest einer oder zwei Außenstellen. Und: Aus der Traum von einem italienweit einzigartigen Pilotprojekt, dank dem mit Mitteln der Region zumindest ein Teil der gerichtlichen Aktivitäten außerhalb von Bozen erhalten bleiben würde.

Nicht zuletzt deshalb hält der Präsident der Anwaltskammer Bozen Andrea Pallaver nicht mit seinem Ärger über die lokale Richterschaft und die „Nicht-Lösung“ zurück, die laut seiner Einschätzung am vergangenen Donnerstag vom regionalen Gerichtsrats in Trient gefunden wurde. Denn statt ein Gutachten zum Antrag der Präsidenten der Landesgerichte von Bozen und Trient zu erstellen, in dem Gründe für einen Aufschub der Schließung geliefert werden, zogen die Richter ein altes Gutachten aus dem Jahr 2012 hervor. Damals stand auch noch in Rom zur Diskussion, nur einen Teil der gerichtlichen Außenstellen in ganz Italien zu schließen. Auf Anfrage des Ministeriums begründete die regionale Richterschaft damals darin, warum in Südtirol und dem Trentino vor allem die Außenstellen von Bruneck und Tione erhalten werden sollten.

Verpasste Gelegenheit

Ein Zug, den Kammerpräsident  Andrea Pallaver als schwach einstuft. „Ich hätte mir mehr Mut erwartet, die Politik und die Anwälte mit einer klaren Aussage zu unterstützen“, sagt er. Immerhin habe Justizministerin Cancellieri bereits 42 Dekrete erlassen, mit denen die Schließung von gerichtlichen Außenstellen in verschiedenen italienischen Regionen aus organisatorischen oder logistischen Gründen um zumindest ein Jahr aufgeschoben wurde. Da in Südtirol und dem Trentino zumindest innerhalb der Justiz kein akutes Problem bestehe, Richter sowie Akten aus den Außenstellen nach Bozen zu transferieren, habe der Richterrat die Anträge der Gerichtspräsidenten jedoch nicht einmal behandelt. „Man hätte statt dessen aber sehr wohl eine Begründung finden können, mit der man die Besonderheit der Außenstellen in der Region darlegt“, meint Pallaver.

Schaden tragen Bürger

Schließlich sei es auch im Interesse der Richter, gemeinsam mit Politik und Anwälten das Möglichste zu versuchen, um in Rom erst Mal einen Aufschub für die Schließung zu erhalten. „Denn sollte das regionale Pilotprojekt tatsächlich gelingen, ist davon auszugehen, dass die Richterschaft mehr Verwaltungspersonal erhalten würde“, so Pallaver. Allen voran gelte es aber an die Bürger zu denken. Für diese hätten sich die Kosten für den Zugang zur Gerichtsbarkeit bereits in den vergangen Jahren durch ein massive Anhebung von Gerichtgebühren um ein Vierfaches erhöht. Nun müssten Bürger in den Tälern nicht nur mit einem wesentlich größeren zeitlichen Aufwand für jeden Gerichtsgang rechnen. Auch die Kosten steigen weiter, weil es künftig selbst für einfache gerichtliche Wege vielfach einen Anwalt brauchen werde.

„Statt uns indirekt vorzuhalten, dass wir davon ohnehin nur profitieren  würden, wäre es besser gewesen, gemeinsam  daran zu arbeiten, das es nicht so weit kommt“, meint Pallaver. Er vergleicht das Vorgehen der Richterschaft mit Ärzten, die ein Spital organisieren, ohne an die Bedürfnisse von Krankenschwestern oder Patienten zu denken. „Doch die Justiz ist nun mal keine Angelegenheit, die nur Richter betrifft.“ Ob sich die Chancen auf einen Aufschub von Ministerin Cancellieri nun verschlechtert haben, will Pallaver nicht einschätzen. "Klar ist auf jeden Fall, dass sie sich nicht verbessert haben."