Wirtschaft | Krise

Sinicher Ohnmacht

Kommen die Chinesen nach Sinich? Das ist nur einer der Punkte, die von der Politik in Sachen Memc dringend geklärt werden müssen, fordert die Gewerkschaft AGB/Cgil.

Es sind die Chinesen mit ihren Billigprodukten, die maßgeblich dazu beitrugen, dass das Sinicher Ex-Memc-Siliziumwerk im vergangenen November ein weiteres Mal den Eigentümer wechselte: An die Stelle von SunEdison, für die sich die qualitativ  hochwertige Produktion in Meran trotz zahlreicher Sonderkonditionen wie der in Aussicht gestellten Lieferung günstigerer Energie über eine Stromleitung aus Österreich nicht mehr rentierte, trat der süditalienische Unternehmer Massimo Pugliese mit seiner Gesellschaft Pufin Power.  Sollen es nun ausgerechnet die Chinesen sein, die den 155 verblieben Angestellten nach monatelangem Warten wieder neue Hoffnung geben? In diese Richtung gehen die jüngsten Spekulationen rund um das Chemie-Werk, dessen Maschinen seit mittlerweile drei Jahren still stehen.  In den Morgennachrichten von RAI Südtirol kommentierte selbst der Landeshauptmann die Aussicht, dass es in Sinich mit einer Übernahme durch den weltweit führenden chinesischen Produzenten von Photovoltaik-Modulen Trinasolar erneut zu einem Eigentümerwechsel kommen könnte: „In der freien Markwirtschaft ist es legitim, dass Unternehmen gekauft und wieder veräußert werde“, erklärte Arno Kompatscher. „Wir werden im Rahmen unserer Zuständigkeit darauf bedacht sein, auch die Interessen der BürgerInnen zu schützen.“

Tra dire e fare....

Zumindest was die Interessen der verbliebenen 155 Angestellten betrifft, ist ein dringendes Eingreifen des Landes und des römischen Wirtschaftsministeriums notwendig, fordert Stefan Schwarze, Gewerkschafter der zuständigen Fachgewerkschaft im AGB/CGIL. Chinesische Übernahme? „Das ist nur eine der unzähligen Aussichten und Versprechen, die Massimo Pugliese seit seinem Einstieg in Sinich in den Raum getellt hat“, erklärt der resignierte Gewerkschafter. Tatsache sei, dass Pugliese im Sommer stolz ein Lieferabkommen mit dem chinesischen Marktführer präsentiert habe. Demnach sollte das in Sinich produzierte Silizium – die Rede war von 5000 Tonnen im Jahr - in Pufin Power-Niederlassungen in Holland und Frankreich zu Solarzellen weiterverarbeitet werden. Zu Endprodukten zusammengebaut werden sollen diese dann in Avellino sowie, nach dem jüngsten Abkommen, auch von der chinesischen Trinasolar, erklärt der Gewerkschafter die Produktionskette.

Kaputte Kühlung

Doch so schön das Konzept auf dem Papier klingt, so problematisch sieht die Umsetzung aus. Denn in Sinich wurde seit dem Einstieg Pugliese kein Gramm Silizium produziert. Alle in Aussicht gestellten Termine für die Produktionsaufnahme wurden bisher verschoben. Zuletzt war von Anfang September die Rede – doch bevor überprüft werden konnte, ob Pugliese diesmal Wort hält, trat im Sinicher Werk ein weiteres Problem auf: ein für die Produktion unabkömmliches Kühlgerät gab seinen Dienst auf. Ohne eine mehrere 100.000 Euro schwere Ersatzinvestition ist ein Anfahren der Maschinen angesichts der explosiven Materialien undenkbar, erzählt der Gewerkschafter.

Der finanzielle Zustand der Gruppe lässt jedoch die Frage aufkommen, ob Pugliese überhaupt die Mittel für Investitionen herausrückt. Denn mittlerweile wurde bekannt, dass für die holländische Pufin Power-Tochter Solland Solar ein Ausgleichsanstrag eingereicht wurde. Auch aus allen anderen Werken der Gruppe werden Probleme gemeldet. In Sinich haben die verbliebenen Mitarbeiter bereits seit Juli kein Geld mehr gesehen - weder die rund 100 Angestellten noch die 50 Mitarbeiter in Lohnausgleichskasse, für die das Unternehmen die INPS-Zahlungen vorstrecken sollte.

Abgesagtes Treffen

Am heutigen Dienstag hätten all diese Probleme in Meran bei einem Treffen mit Massimo Pugliese auf den Tisch kommen sollen. Doch der Firmenchef  sagte das Treffen kurzfristig ab – „offenbar weil er in Holland Feuerwehr spielen muss“, so Schwarze. Weiteren Termin gibt es vorerst nicht. Der ohnmächtigen Gewerkschaft bleibt derzeit nur mehr der Protest – für Freitag wurde ein Sit-in in Sinich ausgerufen.

Vor allem ist es nun aber höchst an der Zeit, dass die Politik ihre Aufgaben macht, fordert der AGB/CGIL. Sowohl das Land als auch das römische Ministerium hätte im vergangenen Dezember das Abkommen mit Pugliese unterzeichnet, sagt Schwarze. „Damals hieß es angesichts unserer Zweifel, wir sollten nicht so pessimistisch sein“. Nun  sollte ein für alle mal geklärt werden, ob sie damit nicht doch Recht hatten.

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Oskar Egger Di., 01.09.2015 - 16:54

Wahrscheinlich alles schon zu spät: was bei der Gefahr der Herstellung von polykristallinem Silizium und dem damit verbundenen Sondermüll in Sinich seit Jahrzehnten gepacktlt wird, steht in keinem Verhältnis zu den angestrebten Arbeitsplätzen. Das Land hat die Meraner schon längst verlassen und die Gemeindeverwaltung diesbezüglich auch.

Di., 01.09.2015 - 16:54 Permalink