Politik | Steuern

Mehrwertsteuer: Nun wird Umverteilung durch Land gefordert

Die Erhöhung der Mehrwertsteuer um einen Prozentpunkt bringt in Vorwahlzeiten auch heikle Steuerfragen auf den Tisch. Ein konkreter Vorwurf: Für Irap-Befreiungen ist seit Jahren Geld da, die Arbeitnehmer bleiben trotz Mehreinnahmen des Landes im Regen stehen.

Was heißt es, wenn die SüdtirolerInnen ab Dienstag für fast alle Konsumgüter inklusive Benzin 22 statt 21 Prozent Mehrwertsteuer zahlen müssen? Laut dem Handwerkerverband CGIA Mehrausgaben von rund 137 Euro pro Steuerzahler. Laut der Gewerkschaft SGB/Cisl oder Thomas Egger von „Wir Südtiroler“  aber auch klare Mehreinnahmen für das Land. Denn: Immerhin kassiert die Provinz 40 Prozent der Mehrwertsteuereinnahmen auf alle in Südtirol verkauften Produkte. Egger nennt in diesem Zusammenhang „offizielle Schätzungen von rund 25 Millionen Euro“, die dem Land durch die Erhöhung zufließen; bei der Gewerkschaft SGB/Cisl bezeichnet man solche Zahlenspiele als unseriös.

Klar ist aber für beide: Angesichts der neuerlichen Erhöhung des Steuereinkommens auf dem Rücken der Konsumenten ist es höchste Zeit für Gegenmaßnahmen. Denn, so die politische Ansage von Landtagskandidat Egger: „Die Landespolitik sollte  nicht nur scheinheilig auf Rom schimpfen und die sinkende Kaufkraft der Bürger beweinen, sondern in den Zuständigkeitsbereichen des Landes Gegenmaßnahmen und rasche Entlastungen für den Bürger beschließen.“

Eine der wichtigsten geforderten Gegenmaßnahmen? Die Abschaffung des regionalen Zuschlages auf die Einkommenssteuer Irpef. Eine Möglichkeit, die der Provinz seit 2010 in Folge des Mailänder Abkommens offen steht. Doch die Forderung nach einer Abschaffung der Zusatzsteuer in Höhe von 0,9 Prozent des Einkommens, die der SGB/Cisl seit damals vorbracht, stößt bis heute auf taube Ohren, sagt Gewerkschafter Michele Buonerba. Zumindest für jene Bevölkerungsschichten, die sie am notwendigsten hätte. Denn seit 2011 seien zwar die Einkommen bis 15.000 Euro vom Irpef-Zuschlag befreit. „Die betrifft allerdings nur 6000 Personen“, so der Gewerkschafter. Gleichzeitig habe das Land eine Befreiung in Höhe von 252 Euro pro Kind eingeführt – eine Summe, die dem Irpef-Zuschlag von einem Einkommen von 28.000 Euro entspricht. „Doch hier fallen alle Steuerzahler mit einem Einkommen unter 28.000 Euro durch den Rost, da eine Steuerbefreiung  nicht möglich ist, wenn der Irpef-Beitrag kleiner ist als die vorgesehenen 252 Euro“, sagt Buonerba. Sprich: Mit der Maßnahme des Landes sei die paradoxe Situation entstanden, dass die Steuerbefreiung umso höher ist, desto höher das Einkommen sei.

Insgesamt verzichtet das Land laut SGB/Cisl bislang aber nur auf rund acht der insgesamt 65 Millionen Euro, die aus dem regionalen Irpef-Zuschlag zustehen. Wie auch Thomas Egger sieht Buonerba die Mehreinahmen aus der Mehrwertsteuer nun als weiteren Grund, die geforderte Befreiung aller Einkommen bis 35.000 Euro endlich umzusetzen. Immerhin wird das Land ab 2014 zusätzliche 41 Millionen Euro aus der Tourismusabgabe einnehmen; damit würden auch jene 28 Millionen Euro im Landeshaushalt frei, die bislang für die Tourismusfinanzierung bereit gestellt würden. Vor allem aber würden Südtirols Unternehmen seit 2009 von Irap-Erleichterungen in Höhe von jährlich 90 Millionen Euro profitieren. Umso unverständlicher ist laut Michele Buonerba die anhaltende Weigerung, auf 30 Millionen Euro zu verzichten, die eine Befreiung von Einkommen bis 35.000 Euro vom Irpef-Zuschlag kosten würde – und somit 274.000 Südtiroler Steuerzahlern Einsparungen zumindest jährliche Einsparungen zwischen 135 und 252 Euro bringen würde.

Weiterer Druck auf Sozialgenossenschaften

Eine solche Entlastung der Arbeitnehmer wäre laut Pius Leitner von den Freiheitlichen auch angesichts der sprunghaften Erhöhung der Mehrwertsteuer auf soziale Dienstleistungen von vier auf zehn Prozent gefragt. „Denn das bedeutet, dass etwa in der Pflege auf eine Familie beachtliche Mehrausgaben zukommen. Zu befürchten ist auch ein Abdriften in die Schwarzarbeit, wenn etwa Personalkosten deutlich ansteigen“, so Leitner. Insgesamt verschärft die Steueranhebung die ohnehin schon prekäre Situation vieler Sozialgenossenschaften, die angesichts der zunehmenden Ausschreibung öffentlicher Dienstleistungen mit Lohndumping kämpfen.