Kultur | Salto Afternoon

Emotionsgeladene Reise

Der Kinodokumentarfilm „Die fünfte Himmelsrichtung“ von Martin Prinoth feiert heute seine Weltpremiere auf dem DOK-Fest Leipzig. Ein Vorgespräch.
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Foto: Against Reality Pictures

salto.bz: Sie verarbeiten in Ihrem Film den Tod Ihres Cousins Georg, der 2009 bei einem Flugzeugabsturz über dem Atlantik ums Leben kam. Er war als Südtiroler Adoptivkind, in Brasilien auf der Suche nach den wahren Eltern. Wie verwandt darf man als Filmemacher einer Thematik sein, um die nötige Distanz zu bewahren?
Martin Prinoth: Die Frage von Nähe und Distanz seinem Thema und seinen Protagonisten gegenüber ist eine Frage, die jedes Mal neu austariert werden muss. Im dokumentarischen Arbeiten geht es nicht ohne eine emotionale und räumliche Nähe, allerdings auch nicht ohne eine kritische Distanz. In Die fünfte Himmelsrichtung war diese Frage von Anfang an eine sehr präsente da Georg, Markus und ich uns von klein auf kannten und uns aber dann im Jugendalter aus den Augen verloren hatten.
Die Arbeit am Film hat Markus und mich schließlich nach vielen Jahren wieder zusammengeführt und wir mussten uns wieder neu annähern; das ging nicht immer ohne Reibungen und Auseinandersetzungen. Es ist keine alltägliche Situation jemanden mit einer Kamera auf eine so wichtige und emotionsgeladene Reise in die eigene Vergangenheit zu begleiten. Da war viel Geduld notwendig und das Gespür nicht zu viel zu fordern ohne dabei die Dramatik der Filmerzählung aus dem Auge zu verlieren.    

Welche Rolle spielt Markus im Film?
Markus ist die tragende Rolle im Film. Er begibt sich auf dieselbe Suche, auf die sich Georg ein paar Jahre vor ihm begeben hatte. Wir folgen ihm über mehrere Orte und Gefühlsstadien zurück in seine Vergangenheit. Zunächst kehren wir nach Gröden zurück, in das Dorf in dem er und Georg aufgewachsen sind. Markus erzählt wie es für ihn damals war als er als erstes Kind schwarzer Hautfarbe in dem kleinen Dorf aufgenommen wurde. Es war nicht immer einfach für ihn und seine Brüder und ist es auch heute noch nicht. Schließlich fliegen wir in das Land seiner Geburt, nach Brasilien in die Millionenstadt Salvador da Bahia und suchen nach Anhaltspunkten, die Markus näher an seine eigene Geschichte und seine leibliche Mutter bringen können. Diese Reise wird allmählich zu einer Reise in das eigene Innere.

Der Ozean ist eine, wie ich finde, sehr starke Metapher dafür. Seine dunklen Tiefen und endlosen Weiten bergen seit jeher Geheimnisse, die der Mensch zu lüften und erforschen versucht.

Die Spurensuche nach Identität zwischen Brasilien und Südtirol führt mitunter auf den Meeresgrund. Gefahr und Faszination des Atlantik werden zusammengeführt. Sie fragen im Film auch: Woher kommen wir? Und wohin gehen wir?
Ja, es geht um diese Fragen und darum, warum es für uns Menschen so wichtig ist, Antworten darauf zu finden. Der Ozean ist eine, wie ich finde, sehr starke Metapher dafür. Seine dunklen Tiefen und endlosen Weiten bergen seit jeher Geheimnisse, die der Mensch zu lüften und erforschen versucht. Der Ozean birgt aber auch unendlich viel Raum für Schöpfungsmythen die sich in sehr vielen Kulturen wiederfinden. In Die fünfte Himmelsrichtung markiert der Atlantische Ozean sowohl das Verschwinden eines Flugzeuges und Georgs Tod als auch den Ort in dem das Leben vor Millionen von Jahren begann und immer wieder neu entsteht. 

Welchen Beitrag leistet der Film zum plötzlichen Tod Georgs für die Familie? Für Sie selbst?
Ich kann nicht sagen inwiefern und ob ein Film einen Beitrag dazu leisten kann. Was ein Film vermag, ist eine Person oder eine Thematik ins Blickfeld zu rücken oder sie der Vergessenheit zu entreißen. 

Trailer: Die Fünfte Himmelsrichtung / Miramonte Film

Wie war es für Sie für diesen Film in ein Flugzeug zu steigen?
Nachdem das Flugzeug in dem Georg saß abgestürzt war, hatte sich bei mir ein Unwohlsein eingestellt, dass ich seither jedes Mal verspüre wenn ich in ein Flugzeug steige.

Sie sind für den Dokumentarfilmpreis des Goethe-Instituts nominiert. Was ist bei einem Sieg zu erwarten?
Bei dem Preis des Goethe Institutes geht es um ein Preisgeld und die Übersetzung des Filmes in bis zu zehn Sprachen.

Martin Prinoth: Geboren 1983 in Bozen. Bachelorabschluss der Kommunikationswissenschaften in Salzburg. Später Diplom an der Hochschule für bildende Künste Hamburg. Filmemacher und Kameramann. Videoperformer für Theaterproduktionen u.a. von Nicolas Stemann. Mitglied im Künstlerkollektiv YOVO! YOVO!. Teilnahme an internationalen Kunstausstellungen (Westafrika, Vereinte Arabische Emirate, Marokko). Lebt und arbeitet in Hamburg.