Sport | Interview

„Eine Geschichte der Beharrlichkeit“

Jacquie Pierri, Kapitänin der EV Eagles, über den jüngsten Erfolg der Adler, Frauenhockey in Italien im Vergleich zu Kanada und Schweden und über das Nationalteam.
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Foto: Giulia Lombardi/EV Eagles
  • Die EV Eagles Südtirol haben es wieder geschafft. Das Frauenteam aus der Landeshauptstadt holte am Abend des 23. März wieder den Meistertitel, es ist der 13. Titel in der erst 16-jährigen Vereinsgeschichte. Die Finalserie gegen USG Zoldo gewannen sie mit 2:0, die Spiele konnten deutlicher nicht ausfallen: Auf einen 8:0-Erfolg auswärts folgte ein 10:0-Sieg in der heimischen Sparkasse Arena. Für die Nationalspielerinnen der Adler blieb aber nicht viel Zeit zu feiern, denn für sie ging es zwei Tage später nach Lettland, wo am Ostersonntag die Weltmeisterschaft der ersten Division Gruppe B startete. Neben den Lettinnen und Italienerinnen, nehmen auch Polen, Großbritannien, Slowenien und die Slowakei teil. Die ersten beiden Spiele gegen Großbritannien und Lettland verloren die Azzurre jeweils. Die 33-jährige Kapitänin der Adler Jacquie Pierri war vor ihrer Zeit in Bozen auch für schwedische und kanadische Teams auf dem Eis. 

    SALTO: Wie war die Party nach dem Ende des Spiels? 

    Jacquie Pierri: (lacht) Sie war gut. Die italienische Meisterschaft macht uns immer viel Spaß. Es bedeutet uns sehr viel, das zu erreichen, und es ist eine Leistung, die wir schon mehrere Jahre hintereinander vollbringen konnten. Es ist immer wieder schön, die Meisterschaft zu feiern.

    Können Sie uns einige denkwürdige Momente oder Höhepunkte aus dieser Saison mitteilen?

    Für uns war diese Saison tatsächlich ein bisschen schwierig. Wir hatten keinen so guten Start. Zu Beginn des Jahres haben wir sogar zwei Spiele verloren, was für uns ungewöhnlich war. Es war eine Geschichte der Beharrlichkeit, um wieder in die Spur zu kommen. Außerdem hatten wir im Laufe des Jahres einige Spielerwechsel. So fehlten uns zu Beginn der Saison vier, fünf Spielerinnen, die um die Weihnachtszeit zurückkamen. Sie kamen von einem Team in der Schweiz zu uns und waren eine gute Ergänzung für uns. Sie haben unseren Kader vervollständigt. Es war erfreulich, dass sie zu uns gestoßen sind.

     „Es war eine Geschichte der Beharrlichkeit, um wieder in die Spur zu kommen.“

  • Die Kapitänin mit dem Pokal: Jacquie Pierri spielt seit der Saison 2021/22 für die Eagles Foto: Gregor Lanzier/EV Eagles
  • Glauben Sie, dass Sie daraus eine Lehre gezogen haben? Aus diesem schwierigeren Start als sonst?

    Ich denke schon. Wir können aus jeder Saison etwas mitnehmen und als Gruppe lernen. Dieses Jahr sind wir auch ein recht junges Team. Ich bin seit drei Spielzeiten hier und wir waren schon immer eine junge Mannschaft. Aber heuer waren wir eine besonders junge Gruppe. Es ist wichtig, aus diesen Erfahrungen zu lernen und jedes Jahr zu wachsen.

    Aber im Großen und Ganzen liefert das Team eine zumeist ziemlich dominante Leistung ab. Fühlen Sie sich manchmal unterfordert? 

    Es wäre wünschenswert, wenn in der italienischen Liga mehr Ausgeglichenheit herrschen würde. Wir haben hier eine interessante Konstellation. Wir spielen in diesen beiden Ligen. Wir spielen in der europäischen Meisterschaft [die EWHL, eine multinationale Liga, Anm. d. Red] und wir spielen in der italienischen Meisterschaft. Wir haben einige Mannschaftskameradinnen, die mit uns in der europäischen Liga spielen, aber in anderen italienischen Ligateams aktiv sind. Das bringt ein bisschen Ausgeglichenheit. Wir haben einige Spielerinnen, die mit uns in der europäischen Liga und gegen uns in der italienischen Liga spielen. Es wäre generell aber gut, wenn die Liga mehr Ressourcen oder mehr Möglichkeiten für die anderen Teams bereitstellen würde, um ein bisschen stärker zu sein. Ich bin noch dabei, mich damit vertraut zu machen, wie die Dinge hier laufen.

    Im Grunde genommen mehr wettbewerbsorientiert?

    Ja, vielleicht hängt das davon ab, ob es für Mädchen Möglichkeiten gibt, in der Jugend zu spielen und sich zu entwickeln.

    Sie haben in Schweden und in Nordamerika gespielt. Welche Unterschiede gibt es im Vergleich zu Italien?

    Italien ist im Vergleich zu Schweden und Kanada, wo ich gespielt habe, noch ziemlich im Wachstum. In Schweden und Kanada ist Frauenhockey in den letzten Jahren im Wesentlichen professionell geworden. Ich hoffe, dass wir hier weiter wachsen können und ähnliche Ressourcen und ähnliche Unterstützung durch die Gemeinschaft erhalten werden. Zum Beispiel gibt es sowohl in Schweden als auch in Kanada viele Möglichkeiten für Jugendspielerinnen, sich zu entwickeln. Es gibt eine Pipeline, in der sich die Spielerinnen in dem für ihr Alter angemessenen Tempo entwickeln können, und es gibt viel mehr Ressourcen für Training und Ähnliches. Wir fangen an, hier etwas aufzubauen. Wir fangen an, mit unseren Trainingsprogrammen im Büro und unserer Zeit auf dem Eis etwas mehr Professionalität zu entwickeln. Das ist schön zu sehen und wichtig, um die nächste Stufe zu erreichen.

  • Auf der anderen Seite des großen Teiches: Pierri im Dress des Calgary Inferno Foto: Dave Holland

    Seit Sie hier sind, sehen Sie bereits eine Veränderung in dieser Hinsicht? 

    Definitiv. Ich denke, dass die Reise des italienischen Nationalteams dazu beiträgt. Die Qualifikation für die Olympischen Spiele im Fraueneishockey läuft so ab, dass das Gastgeberland automatisch qualifiziert ist. Ich glaube, das hat viele der Infrastrukturkomponenten hier in Italien dazu inspiriert, Druck zu machen, damit die Dinge wachsen. Ich hoffe, dass sie sich in den nächsten zwei Jahren weiter entwickeln werden, damit das Nationalteam für die Olympischen Spiele bestens gerüstet ist.

    Wie sind Sie zu den Eagles gekommen?

    Ich habe meinen Master in Schweden gemacht. Es hat mir sehr gut gefallen, in Europa zu leben, und ich wollte hier bleiben. Mein Vater wurde in Süditalien geboren und ich habe eine Tante, die in Mailand lebt, zu der ich jetzt auch über Ostern gefahren bin. Wir kamen jeden Sommer in dieses Land. Ich liebe Italien sehr. Ich habe beschlossen, dass ich hierher ziehen möchte. Die Eagles sind das beste Team in Italien. Das war dann eine leichte Entscheidung.

    Wie sind Sie damals zum Eishockey gekommen? 

    Ich habe ursprünglich auf gut Glück angefangen zu spielen... Mein Bruder machte einen Schulausflug in die Eishalle. Er mochte Eishockey und ich habe alles nachgemacht, was er gemacht hat, und versucht, besser zu sein als er. Die Geschichte mit vielen Geschwistern. Ich habe mich in Eishockey verliebt. Es ist meine Leidenschaft, seit ich sechs oder sieben Jahre alt bin.

     „Wir haben das Potenzial, wir haben eine Menge Talent.“

    Was sind Ihre Strategien als Kapitänin, um das Team in Drucksituationen motiviert und konzentriert zu halten?

    Ich versuche, eine beruhigende Präsenz zu sein. Ich versuche, mein Alter und meine Erfahrung einzubringen, um die Mädchen zu fokussieren und in der richtigen Energie für die verschiedenen Situationen der Saison zu halten. Mein Führungsstil ist, dass ich versuche, die anderen Mädchen zu unterstützen, dafür zu sorgen, dass die Mädchen Verantwortung für sich selbst übernehmen. Und dass sie auch für sich selbst etwas erreichen wollen. Nicht nur, weil jemand sie anbrüllt. Wir haben eine ziemlich gute Teamdynamik. Die Führung vor mir war auch sehr stark. Wir bauen also auf dem auf, was sie bereits geschaffen haben, und setzen die Schaffung einer Kultur fort, in der die Mädchen wirklich den Willen haben, erfolgreich zu sein und zu gewinnen. In der EWHL haben wir in den letzten beiden Jahren nicht so abgeschnitten, wie ich es mir gewünscht hätte, aber wir haben das Potenzial, wir haben eine Menge Talent. Es geht nur darum, den Marmor zu hauen, ein starkes Fundament zu legen und zu sehen, wie wir uns Jahr für Jahr steigern können.

    Was steht in naher Zukunft für Sie und das Team an? Einige von ihnen sind zur Weltmeisterschaft in Lettland gefahren. 

    Ganz genau. Ich glaube, wir haben sieben Mädchen, die gerade in Lettland unterwegs [vom 31. März bis zum 6. April, Anm. d. Red.] sind. Ich hoffe wirklich, dass sie bei diesem Turnier erfolgreich sein werden. Und dass sie die Erfahrungen, die sie bei diesen großen Turnieren gesammelt haben, in der kommenden Saison an die Eagles weitergeben. Wir werden in den nächsten beiden Spielzeiten weitermachen. Viele der Mädchen werden zurückkehren, so dass wir einen ähnlichen Kader haben werden. Und hoffentlich können wir nächstes Jahr etwas erfolgreicher sein. Wir haben das Potenzial, in der EWHL einen höheren Tabellenplatz zu erreichen.

     „Es ist wichtig, dass die jungen Mädchen wissen, dass sie in diesem Sport willkommen sind.“

  • Im Norden: Im Dress von SDE Hockey, ein Club aus der schwedischen Gemeinde Danderyd Foto: JB Pixels

    Und was sind Ihre persönlichen Highlights in Ihrer Karriere?

    Wir haben 2016 die nordamerikanische Meisterschaft gewonnen. Das war eine wirklich unglaubliche Erfahrung für mich. Ich habe mit mehreren Spielerinnen aus dem kanadischen Nationalteam zusammengespielt. Es war eine hart umkämpfte Meisterschaft. Wir hatten mehrere andere sehr, sehr gute Teams in der Liga. Das war ein bedeutender Moment für mich. Und im selben Jahr wurde ich eingeladen, im All-Star-Spiel zu spielen. Das war eine große Ehre, als eine der besten Verteidigerinnen ausgewählt zu werden. Aber ich habe auch alle Gelegenheiten, mit dem Eishockey zu reisen, sehr genossen. Als ich in Nordamerika gespielt habe, spielte ich in Westkanada, also auf der anderen Seite des Kontinets, auf dem ich aufwuchs. Dann bin ich nach Schweden gezogen. Ich hatte dazu die Gelegenheit, nach Japan zu gehen, weil wir einige Teamkolleginnen hatten, die Spielerinnen des japanischen Nationalteams waren, als ich in Kanada war. Unser Team ist für ein Spiel dorthin geflogen. Wir haben weiters ein paar Spiele in China gespielt. Es gab eine Menge cooler Gelegenheiten, Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund zu treffen. In Schweden waren viele meiner Mannschaftskameradinnen aus den Niederlanden. Der Hockeysport hat mir tolle Möglichkeiten eröffnet. Abgesehen vom Sport an sich. Natürlich hat es auch Spaß gemacht, drei italienische Meisterschaften zu gewinnen (lacht). Das möchte ich nicht kleinreden.

    Welche Ziele würden Sie gerne noch erreichen?

    Meine persönlichen Ziele sind auf jeden Fall meine Staatsbürgerschaft zu bekommen. Und hoffentlich dem Nationalteam bei der Weltmeisterschaft und den Olympischen Spielen zu helfen. Aber da drücke ich mir noch die Daumen. Es müssen noch viele bürokratische Dinge gut laufen, damit ich die Möglichkeit habe, diese Ziele zu verwirklichen.

    Welchen Rat würden Sie jungen Eishockeyspielerinnen geben, die mit dem Eishockey anfangen oder auf professioneller Ebene spielen wollen? 

    Leider ist die übliche Erfahrung immer noch, dass Mädchen einen Sport spielen wollen, der traditionell männlich ist. Es gibt immer noch eine Menge Entmutigung. Mein Rat wäre also, dabei zu bleiben, wenn man es liebt. Und hart zu arbeiten, um den Leuten, die nicht an dich glauben, das Gegenteil zu beweisen. Letzte Woche hatte ich ein Interview, und es war auf Italienisch, so dass ich nicht ganz sicher bin, ob ich die Frage verstanden habe. Sie lautete in etwa so: „Warum spielen Mädchen Hockey?“ Ich glaube nicht, dass er es genau so gemeint hat. Aber ich dachte nur, wir schreiben das Jahr 2024, warum müssen wir dann immer noch dieses Gespräch führen? Aber wir müssen dieses Gespräch eben nun mal immer noch führen. Es ist wichtig, dass die jungen Mädchen wissen, dass sie in diesem Sport willkommen sind. Er macht ihnen Spaß. Sie sollten die Beharrlichkeit haben, dabei zu bleiben.