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Vaterland ist abgebrannt: Bruno Vespa auf österreichisch

Desillusionierung am Runden Tisch der RAI Südtirol: Südtirol muss sich nicht nur mit dem Neid aus dem Süden herumschlagen. Auch im Norden verliert die Schutzmacht langsam, aber sicher die Lust auf ihre alte Rolle, unterstreicht ORF-Mann Georg Laich.

Alles deutete am Montag Abend am Runden Tisch der RAI Südtirol auf eine weitere Bruno-Vespa-Runde hin: Einmal mehr wurde den Gästen von Moderator Zeno Braitenberg vorgeführt, wie der Buh-Mann der Region in der mittlerweile berühmten Porta-Porta-Folge den Namen Kompatscher nicht über die Lippen bekommt. Der passende Einstieg, um – ebenfalls nicht zum ersten Mal – die Frage aufzuwerfen, warum das Bild Südtirols im restlichen Land derart miserabel ist, dass uns am kommenden Samstag bereits die dritte TV-Sendung bevorsteht, in der das Land als Privilegienstadl vorgeführt wird.

Ein aktuelles Thema und mit Senator Karl Zeller und den Journalisten Lucio Giudiceandrea sowie Gerhard Mumelter interessante Gäste. Doch, wie bereits nach den ersten Minuten klar wurde, auch ein absehbares Ergebnis. Die Wirtschaftskrise im restlichen Land, der Neid, der Hochmut, die Skandale in anderen Regionen, die bösen Buben aus dem Veneto: Vor allem nach der intensiven Beschäftigung mit innerstaatlichen Beziehungen, die uns Bruno Vespa seit Mitte Jänner bescherte, drohte sich die Diskussionsrunde zum Deja-Vu der langweiligen Art zu entwickeln.  Der nebenbei auch noch die These abhanden zu kommen drohte, als Rom-Korrespondent Gerhard Mumelter glaubhaft versicherte, dass kein Mensch in Italien etwas gegen Südtirol habe – und daran auch TV-Sendungen mit abgehalfterten Moderatoren wenig ändern würden.

Glücklicherweise hatte Moderator Braitenberg mit dem ORF-Journalisten Georg Laich einen vierten Gast an den Runden Tisch geladen, um bei der Nabelschau auch einmal die Himmelsrichtung zu wechseln. Der Süden neidet uns unsere Privilegien, doch welches Bild hat die alte Heimat von uns Südtirolern?  Mit dieser Perspektive sollte der Chef vom Dienst von „Tirol heute“ die Diskussion bereichern  – und das gelang ihm ohne Zweifel. Denn was Laich so ungeschminkt über die Lippen kam, mag zwar ebenfalls nicht ganz neu sein. Gerade in Zeiten wiederaufwallenden Patriotismus hatte es aber eine ernüchternde wie belebende Wirkung, in positivem Sinne als „Rosinenpicker“ und im negativen als „Wendehals“ beschrieben zu werden, der „im Land gerne die verfolgte Minderheit und nach außen den besseren Tiroler gibt“.

Südtirol hat eine vorbildliche Autonomie, einen Status in Italien, der international abgesichert ist – also, warum kommen die noch immer, und sagen, helft uns, wenn die Alemagna gebaut wird.

Das war allerdings nur die Einleitung für die politische Einschätzung des ORF-Mannes. Es gehöre zwar bis heute zum fixen Zeremoniell, führende Südtiroler Politiker in Wien mit allen Ehren zu empfangen und die üblichen Erklärungen von Herzensangelegenheit und Zusicherung der Schutzmachtfunktion abzugeben, meint Laich. „Doch auch wenn das niemand offiziell bestätigen wird: Wenn man hinter den Kulissen mit den Beteiligten spricht, gibt es immer mehr Unverständnis dafür, was von Südtirol immer noch eingefordert wird“, so Laich. Denn, so die inoffiziellen O-Töne zu den Südtirol-Besuchen: „Südtirol hat eine vorbildliche Autonomie, einen Status in Italien, der international abgesichert ist – also, warum kommen die noch immer, und sagen, helft uns, wenn die Alemagna gebaut wird.“

Da sei es doch besser, endlich vorwärts zu schauen, und die eigenen Erfolge mit neuen Techniken statt den ewig gleichen alten Geschichten abzusichern, so Laichs Tipp an die Tiroler hinter dem Brenner. „Denn die Zeiten gehen weiter, die Grenzen sind gefallen und der Protektionismus gehört der Vergangenheit an.“

Der Begriff Vaterland stammt aus dem 11. Jahrhundert und ist in einer globalisierten Gesellschaft völlig unpassend

Ein Wink mit dem Zaunpfahl, den Gerhard Mumelter dankbar aufnahm. Während Senator Karl Zeller noch betonte, wie nützlich die Anrufe aus Wien seit jeher in römischen Krisensituationen, zerschmetterte der Rom-Korrespondent mit dem Begriff Vaterland noch weiteres teures Familienporzellan. Ein Begriff aus dem 11. Jahrhundert, der in einer globalisierten Gesellschaft „völlig unpassend sei“, meinte Mumelter. Dass der neue Landeshauptmann vergangene Woche in Wien dennoch davon Gebrauch machte und nebenbei das alte Märchen von der Doppelstaatsbürgerschaft aufwärmte oder die Wichtigkeit des muttersprachlichen Unterrichts unterstrich, sei einfach nur enttäuschend. Denn, so Gerhard Mumelter: „Ich würde mir jetzt wirklich neue Töne wünschen“.

Vielleicht tragen die Vespas und Laichs am Ende doch noch etwas dazu bei, sich langsam aber sicher dem Europa des 21. Jahrhunderts anzupassen. Den Sound dazu könnte die nächste Generation liefern – die sich wie die Band Homies4Life schon jetzt fragt: Wo ist das Problem? 

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pérvasion Di., 04.02.2014 - 12:02

Da schlagen einmal die Grünen vor, sich (bzgl. Alemagna) an die Schutzmacht zu wenden... und schon werden sie abgewatscht. Das finde ich ungerecht. Schon nur, weil es — Vaterland hin oder her — normal sein sollte, zu hochsensiblen Themen wie diesen international nach Bündnispartnern zu suchen. Wer dies nicht versteht, ist wohl selbst noch in einem anderen Jahrhundert.

Di., 04.02.2014 - 12:02 Permalink
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Benno Kusstatscher Di., 04.02.2014 - 12:40

Gerhard Mumelter hatte gestern auch eine Empfehlung an unseren LH ausgesprochen, sich einmal bei den Kollegen im Friaul und im Belluno nach dem Zustand derer Autonomie zu erkundigen. Laut Mumelter hätte das bis dato noch kein LH gemacht (womit mit ich eine meiner mich heimlich quälenden Fragen beantwortet hätte). Wäre doch ein erster Schritt, Oliver, oder? Und beim Sertori in Sondrio könnte er dann auch einmal nachfragen...

Di., 04.02.2014 - 12:40 Permalink