Chronik | Aus dem Blog von Gerhard Mumelter

Tsunami in der Lagune von Venedig

Nur wenige Wochen nach der Expo-Affäre in Mailand platzt im Veneto ein gigantischer Korruptionsskandal. Gegen Venedigs Bürgermeister Giorgio Orsoni (PD) und den langjährigen Regionalpräsidenten Giancarlo Galan wurden Haftbefehle erlassen.

Noch ist das Echo des Korruptionsskandals um die Weltausstellung in Mailand nicht verebbt, da fegt ein folgenschwerer Sturm über die Lagune von Venedig. In einen gigantischen  Bestechungsskandal sind über 130 Personen verwickelt, gegen 35 wurden Haftbefehle erlassen. Beim Bau des Großprojekts Mose, das in elf Jahren bereits 5,5 Milliarden verschlungen hat, sollen Dutzende Millionen Schmiergelder geflossen sein.

Unter den Angeklagten befinden sich der langjährige Gouverneur des Veneto und Ex-Minister, Giancarlo Galan (FI), über dessen Verhaftung der parlamentarische Immunitätsausschuß befinden soll, Venedigs linker Bürgermeister Giorgio Orsoni, der sich im Hausarrest befindet und der mächtige Regionalassessor für öffentliche Arbeiten, Renato Chisso (FI), der sich ebenso in in Haft befindet wie weitere drei Dutzend Unternehmer, Banker, Politiker, Richter des Rechnungshofs und des magistrato delle acque sowie der Ex-General der Guardia di finanza, Emilio Spaziante.

Der Skandal erschüttert eine Region bis ins Mark, die sich für "genetisch divers" hält und letzthin mit einem umstrittenen Referendum die Unabhängigkeit von Italien erreichen wollte. Galan sollen jährlich eine Million Euro und die Renovierung seiner Villa in den Colli euganei zugestanden worden sein, Orsini eine Wahlkampfunterstützung von 560.000 Euro.

Der Skandal erschüttert eine Region bis ins Mark, die sich für "genetisch divers" hält und letzthin mit einem umstrittenen Referendum die Unabhängigkeit von Italien erreichen wollte.

Die Staatsanwälte sprechen von einem Skandal, der "die Ausmaße von tangentopoli übetrifft": "Ciascuno di essi, per anni e anni, ha asservito totalmente l'ufficio pubblico agli interessi del gruppo economico-criminale, lucrando una serie impressionante di benefici personali."  Das mit dem Mega-Projekt zur Hochwasserbekämpfung beauftragte "Consorzio Venezia", das die Arbeiten als alleiniger Konzessionär ohne Ausschreibung durchführen konnte, erscheint in der Anklageschrift als kriminelle Vereinigung, die Schmiergelder in Millionenhöhe auf ausländische Konten zahlte und Hunderte getürkter Rechnungen vorlegte.

Der Skandal beweist einmal mehr, daß grandi opere und Korruption in Italien unvermeidlich zusammengehören. Der Mega-Skandal setzt Premier Matteo Renzi unter Druck, der nach der Expo-Affäre den ehemaligen Anticamorra-Richter Raffaele Cantone zum Bevollmächtigten für die Korruptionsbekämpfung ernannte und der nun im Eiltempo endlich ein effizientes Gesetz gegen Bestechung und Amtsmißbrauch durchs Parlament jagen muß. Venetiens markiger Präsident Luca Zaia begnügte sich vorerst damit, die betroffenen Regionalpolitiker zu suspendieren und einen "spaccato impressionante" festzustellen.

In einem Punkt wird Zaia in Zukunft erhebliche Mühe haben: zu behaupten, seine Region sei "genetisch verschieden".