Umwelt | Abfallwirtschaft

Müllordnung: Moris Einspruch

Der Chor der Kritiker von Bozens neuem Müllsystem ist um eine Stimme reicher: Edoardo Mori, mittlerweile pensionierter Richter, beurteilt die vorgesehenen Sanktionen für Müllsünder als „eindeutig rechtswidrig“.
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Foto: LPA / Maja Clara

Er ist bekannt dafür, nicht lange um den heißen Brei herumzureden. 42 Jahre lang war Edoardo Mori Richter, die meiste Zeit davon am Bozner Landesgericht. 2010 verabschiedete er sich in die Pension – weil er angewidert sei von einer „kranken Justiz, die zur Kaste geworden sei und viel zu stark von der Politik gesteuert wird“. Doch auch aus der Rente gibt der pensionierte Richter regelmäßig provokante Lebenszeichen von sich. Das jüngste Beispiel: Ein Editorial in der Tagezeitung Alto Adige, in dem Mori am heutigen Dienstag detailliert begründet, warum die Bozner Abfallordnung eindeutig gegen Verfassungsbestimmungen und Grundprinzipien der italienischen Rechtsordnung verstoße. „Wir haben es hier mit Bestimmungen zu tun, die beim ersten Rekurs fallen werden“, prognostiziert der Jurist und leidenschaftliche Publizist, der bereits einen möglichen Zusammenbruch des ganzen Systems in Aussicht stellt.

Welche Regeln hat Mori aber nun im Visier? Allen voran jene Bestimmungen, mit denen die Bewohner eines Kondominium gemeinsam zur Verantwortung gezogen werden. Dies passiert laut Mori einerseits in der Bestimmung der Gemeindeverordnung vom Dezember 2012, in der festgelegt wird, dass alle Bewohner eines Kondominiums den vorgesehen 10-prozentigen Zuschlag auf den Grundtarif zahlen müssen, wenn die 39 vorgesehenen Entleerungen pro Jahr auch nur um eine überschritten werden. „Auf Basis welcher rechtlichen Bestimmungen kann ein Hausbewohner dazu verpflichtet werden für den Müll des anderen zu zahlen“, beanstandet der pensionierte Richter, „ein Kondominium ist weder ein Sowjet-Kollektiv noch eine Kolchose“.  Dies werde nicht nur durch ein aktuelles Kassationsurteil bestätigt. Vor allem gebe es keine gesetzliche Grundlage dafür, dass ein Bürger zu Zahlungen verpflichtet wird, die von Handlungen anderer beeinflusst werden – wenn er weder die Pflicht noch die Möglichkeit hat, diese zu beeinflussen.

Punkt Zwei von Moris Einspruch betrifft dagegen die vorgesehenen Sanktionen für den Verstoß gegen die Müllordnung. 100 bis 300 Euro für nicht ordnungsgemäße Trennung, 200 bis 400 Euro wenn der Müllkübel nicht abgeschlossen wurde, 100 bis 300 Euro bei Entsorgung gefährlicher Materialien – um nur einige Beispiele zu nennen. Doch auch die vorgesehene Bestrafung des gesamten Kondominiums ist laut Mori gesetzlich nicht zulässig. Denn das Rahmengesetz für Verwaltungsstrafen lege klar fest, dass solche Strafen nur gegen Bürger verhängt werden können, die in vollem Bewusstsein gegen die Bestimmungen verstoßen. Im derzeitigen System sei es dagegen nicht einmal möglich festzustellen, wer von den Bewohnern die Bestimmungen verletzt habe – und zwar weder für den Kondominiumsverwalter noch für die anderen Bewohner.

Die Schlussfolgerung des pensionierten Richters: „Vielleicht sollten solche juristischen Bestimmungen doch besser von Rechtsexperten als von Abfallexperten geschrieben werden“.