Politik | Nach den Landtagswahlen 2013

Landtagswahlen: Frauentriumph der Quotengegner

Welche ParteigängerInnen sind in der Wahlurne am frauenfreundlichsten? Jene der rechtspopulistischen Parteien, behaupten zumindest die Freiheitlichen.

Grüne WählerInnen wählen mehr Frauen, Freiheitliche mehr Männer? Am Mythos, dass Kandidatinnen von Parteien, die sich für die Frauenquote und Geschlechtergerechtigkeit in der Politik einsetzen, ein leichteres Leben haben, wurde bereits vor den Wahlen gekratzt. Im Juni hatte das Meinungsforschungsinstitut „Dr. Gruber & Partner“ in einer Polit-Umfrage im Auftrag des Rai Senders Bozen unter anderem aufgezeigt, dass Frauen bei den Grünen geringere Chancen haben gewählt zu werden als bei den Freiheitlichen. 

Das mag die Freiheitlichen nun motiviert haben, sich hinzusetzen und die Wahlergebnisse im Detail zu studieren. Zumindest laut ihrem Ergebnis hat sich die Grundtendenz der Umfrage von Gernot Gruber bestätigt. „Die Wählerinnen und Wähler der Freiheitlichen und der Südtiroler Freiheit haben ihre Vorzugsstimmen sehr gleichmäßig auf Frauen und Männer verteilt“, so der stellvertretende Bezirkssprecher der Freiheitlichen Pustertal Roland Niederhofer. Bei SVP, PD und Grünen, die sich für die Frauenquote stark machen, hätten die Frauen dagegen nur halb so viele Vorzugsstimmen wie ihre männlichen Mitbewerber erhalten. 

Basis für diesen Vergleich sind jedoch nicht die absoluten Stimmen, die laut den Freiheitlichen wegen der unterschiedlichen Anzahl von Kandidaten und Kandidatinnen auf den verschiedenen Listen kein aussagekräftiges Ergebnis liefern würden. Immerhin stellten Frauen bei Grünen und PD mit je 17 Kandidatinnen knapp die Hälfte, während sich SVP, Südtiroler Freiheit und Freiheitliche an die Drittel-Quote hielten. Statt die Summe der Vorzugsstimmen für Frauen mit der Summe der Vorzugsstimmen für Männer zu vergleichen, analysierten die Freiheitlichen deshalb, wie viele Pro-Kopf-Vorzugsstimmen Frauen und Männer der fünf Parteien im Durchschnitt erhielten. Bei der Südtiroler Freiheit sind dabei die Frauen bei einem Verhältniswert von 1,17 gar vorne, bei den Freiheitlichen mit einem  Wert  von 0,9 fast Kopf an Kopf mit den Männern. Bei den anderen drei Parteien bleiben sie dagegen weit zurück: mit einem Verhältnis von 0,6 bei der SVP, 0,56 bei den Grünen und 0,48 beim Schlusslicht PD.

Die provokante Schlussfolgerung der Freiheitlichen: „Was die einen in der  Theorie fordern, haben die anderen in der Praxis umgesetzt.“

 

Bild
Profil für Benutzer Sepp.Bacher
Sepp.Bacher Do., 07.11.2013 - 11:36

N.B. Was nicht erwähnt wird ist, dass die SVP - als einzige Partei - einen getrennten Frauen- oder Quotenwahlkampf gemacht hat. Durch ihr Gejammer beim Finden von Kandidatinnen, der Taktiererei und die drei zuletzt nominierten Kandidatinnen, hat sie gratis noch eine ganze Menge Medienaufmerksamkeit erhalten. Zwei der drei neuen Sterne wurden schon als Landesrätinnen gehandelt. Und dann die überwältigende Entschäuschung!
Oben genanntes Ergebnis und die hier beschriebene Beobachtung scheinen meine Annahme zu bestätigen, dass ein übermäßiges Um-die Quote-Herumreiten kontraproduktiv ist. Mich freut es auch, dass es so ist. Denn mir geht - wie vielen anderen - das, was die SVP-Frauen aufgezogen haben, schlichtweg auf die Nerven.

Do., 07.11.2013 - 11:36 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Kurt Spornberger
Kurt Spornberger Do., 07.11.2013 - 13:01

"Statt die Summe der Vorzugsstimmen für Frauen mit der Summe der Vorzugsstimmen für Männer zu vergleichen, analysierten die Freiheitlichen deshalb, wie viele Pro-Kopf-Vorzugsstimmen Frauen und Männer der fünf Parteien im Durchschnitt erhielten."

Da viele progressive Wähler (und Wählerinnen) bemüht sind, ihre Stimmen bewußt gerecht auf Kandidaten und Kandidatinnen aufzuteilen, oder sogar bewußt als Ausgleich für den Mißstand bevorzugt Kandidatinnen zu wählen, haben sie bei Parteien die nur die 1/3 Quote befolgen (wie STF, SVP und F) weniger Auswahl auf die sie ihre Stimmen verteilen können. Zudem kann es auch ein Zeichen des Protests sein, gerade wenn wenig Frauen aufgestellt sind, für eine stärkere Gewichtung des weiblichen Geschlechts innerhalb der Partei zu wählen. Man könnte sogar so weit gehen zu behaupten, daß bei manchen Parteien, die in ihren Reihen Gleichberechtigung aktiv und informiert zu erreichen versuchen der Kampf der Geschlechter zu Gunsten von Sachpolitik in den Hintergrund tritt. Natürlich sind das nur Vermutungen, um dem auf den Grund zugehen braucht es mehr als eine einfache Statistik, die auf sehr eigenartige Weise errechnet wird.

So wäre gerade im Fall der Südtiroler Freiheit die Anwendung des Medians statt des Durchschnitts aussagekräftiger, da sich die Stimmen fast vollständig auf die beiden Spitzenkandidaten aufteilen, eine davon eine Frau. Bei den Grünen hingegen waren dieses Mal eben zwei der drei Kandidaten bei denen man mit einem Einzug in den Landtag rechnen konnte Männer. Bei allen Parteien, bis auf die SVP ist genaugenommen die Anzahl der Daten zu gering um statistisch signifikante Aussagen treffen zu können, vielmehr noch um diese statistisch fragwürdigen Erkenntnisse monokausal auf ein Argument gegen eine Quotenregelung zurückführen zu können.

Wieder mal bewahrheitet sich der Ausspruch: "traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht / beschönigt hast"

Do., 07.11.2013 - 13:01 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Roland Niederhofer
Roland Niederhofer Do., 07.11.2013 - 15:40

@Kurt Spornberger
Auswertung bezüglich des Medians

SVP: oberhalb des Medians liegen 5 Frauen und 12 Männer, unterhalb des Medians liegen 7 Frauen und 10 Männer.

Freiheitliche: oberhalb des Medians liegen 4 Frauen und13 Männer, unterhalb des Medians liegen 8 Frauen und 9 Männer.

Grüne: oberhalb des Medians liegen 6 Frauen und 11 Männer, unterhalb des Medians liegen 11 Frauen und 6 Männer.

Südtiroler Freiheit: oberhalb des Medians liegen 5 Frauen und 12 Männer, unterhalb des Medians liegen 7 Frauen und 10 Männer.

PD: oberhalb des Medians liegen 7 Frauen und 10 Männer, unterhalb des Medians liegen 9 Frauen und 8 Männer

Gedanken über die Auswertung bezüglich des Medians soll sich jeder selbst machen.

Do., 07.11.2013 - 15:40 Permalink
Bild
Profil für Benutzer David Gruber
David Gruber Do., 07.11.2013 - 15:43

Wenn man statt des Mittelwerts (aka Durchschnitt) den Median heranzieht (gerade bei derartigen Stichproben, insbs. mit "Spitzenkandidaten" ergeben sich zu hohe Standardabweichungen um vernünftig mit dem Mittelwert arbeiten zu können), so ergibt sich ein komplett anderes Bild. Vergleicht man beispielsweise nur die Mediane der Vorzugsstimmen zwischen Männer und Frauen der Grünen mit den Freiheitlichen so haben wir:

Vorzugsstimmen Grüne: 606 (Männer), 570 (Frauen)
Vorzugsstimmen Freiheitliche: 881 (Männer), 575 (Frauen).

Bildet man also das Verhältnis Frau/Mann so ergibt sich für die Grünen 0.94 und für die Freiheitlichen 0.65.

(*Alle Angaben ohne Gewähr auf Richtigkeit)

Do., 07.11.2013 - 15:43 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Kurt Spornberger
Kurt Spornberger Do., 07.11.2013 - 16:23

Vielen Dank her Niederhofer und Herr Gruber für weitere interessante Interpretationsmöglichkeiten, die zeigen, wie weit die Interpretation von Statistiken auseinandergehen kann, je nachdem welche Methode zur Auswertung man heranzieht. Ich glaube auch, daß sogar der Median beschränkt in seiner Aussagekraft ist, da die Besonderheiten der Parteien und der Kandidaten imho größere Auswirkungen auf das Ergebnis haben dürften als das Geschlecht.

In dem Zusammenhang fände ich es sogar wichtiger über die Wahrnehmung von weiblichen Politikern reden (zB bezüglich von Mutterschaft und zugetrauter Kompetenz). Notwendig ist sicher auch eine Debatte über Feminismus (was er ist und was er nicht ist), was auch daran erkennbar ist, daß sich viele PolitikerInnen, die sich sehr wohl für Gleichberechtigung engagieren, vom Femminismus als Bewegung distanzieren müssen, ebenso wie es viele BürgerInnen machen. Ich glaube daß da in der ganzen Gesellschaft ein großer Definitions- und Diskussionbedarf herrscht.

Das ist aber nur meine Interpretation, eine sehr subjektive dazu, wie ich eingestehen muß, ich glaube nicht, daß das Datenmaterial für eine objektive Interpretation ausreicht.

Do., 07.11.2013 - 16:23 Permalink