Wirtschaft | Berglandwirtschaft

„Eine Frage der effizienten Kontrolle“

Gibt es in der Südtiroler Viehwirtschaft eine „halblegale“ Betrugsmasche mit System? Nein, sagt Bauernbund-Direktor Siegfried Rinner. Es handelt sich nur um einige wenige Schlaumeier.
SBB
Foto: Gemeinde Kaltern
  • Nachdem SALTO gestern den Artikel „Der verwerfliche Kuhhandel“ veröffentlicht hat, brennt einem Insider zufolge offenbar die „Hütte“. Nicht überbewerten will den aufgezeigten Fall eines „Schlaumeiers“ Siegfried Rinner, Direktor des Südtiroler Bauernbundes. Zuständig für die Kontrollen seien die jeweiligen Ämter und nicht der Bauernbund oder gar die Milchhöfe.

    SALTO: Herr Rinner, offenbar gibt es einige findige Bauern, die sehr kreative Möglichkeiten gefunden haben, um die Viehbesatzregelung zu umgehen. Wie ist hierzu die Position des Bauernbundes? War man bereits mit solchen Fällen konfrontiert?

    Siegfried Rinner: Wir haben uns in den vergangenen Jahren gemeinsam mit der Landesverwaltung bemüht, Lücken zu schließen, damit sich möglichst alle an die Regeln halten. Man muss diese Fälle aber im Gesamtkontext sehen und sie in ihrem Ausmaß und Umfang richtig einordnen.

     

    „Die Anzahl der Schlauen ist eine Frage der Regeln, aber noch viel mehr eine Frage der effizienten Kontrolle.“ 

     

    Sie gehen davon aus, dass es nicht sehr viele sind?

    Wir haben in Südtirol 10.000 tierhaltende Betriebe, davon rund 4.500 Milchviehbetriebe. Wenn wir dann von 50 oder auch 100 Schlaumeiern sprechen, dann ist es nicht richtig und nicht zulässig, so wie in Ihrem Artikel beschrieben, die gesamte nachhaltige Viehwirtschaft in Südtirol infrage zu stellen. Das ist schon etwas weit hergeholt. Aber nichtsdestotrotz war und ist es unser Bestreben, diesen Grenzgängern einen Riegel vorzuschieben. Der Begriff halblegal ist nicht korrekt, denn entweder es ist legal oder nicht. Der Kern des Problems ist, dass nicht alle Betriebe ständig und flächendeckend kontrolliert werden können. Im Grunde gibt es dasselbe Problem auch bei der Raumordnung, bei Verkehrskontrollen oder anderen Regeln der Verwaltung oder des Strafgesetzbuches. Die Anzahl der Schlauen ist eine Frage der Regeln, aber noch viel mehr eine Frage der effizienten Kontrolle. 

  • Stall mit Grauvieh: Die Aufteilung der Tiere in zwei Herden – mit unterschiedlichen Tierhaltern – im selben Betrieb geht laut Bauernbund-Direktor Siegfried Rinner nicht. Foto: Seehauserfoto
  • Was sagen Sie zu dem im Artikel genannten Fall, wo ein Bauer an seinen Verwandten ein Stück Fläche verliehen und dort die überzähligen Tiere seiner Herde „geparkt“ hat, damit der Bauer mit der Viehbesatzregelung in Ordnung ist?

    Das bringt für den Betrieb A ja nur einen Vorteil, wenn auf dem Betrieb B, viele Tiere auf wenig Fläche untergebracht werden. Damit ist der Betrieb B aber mit dem Gewässerschutz nicht in Ordnung. Also eine Frage der Kontrolle. Die Aufteilung der Tiere in zwei Herden – mit unterschiedlichen Tierhaltern – im selben Betrieb geht nicht. Es ist nicht möglich, dass in einem Stall zwei Herden bzw. Tiere von zwei verschiedenen Besitzern gehalten werden können. Wenn zwei Herden in einem Stall stehen, müsste der Stall in zwei getrennte Ställe aufgeteilt werden – das ist vom Amtstierarzt zu kontrollieren. Wenn diese Voraussetzung nicht erfüllt ist, kann keine zweite Herde geöffnet werden. Davon einmal abgesehen, muss auf alle Fälle die Gewässerschutzrichtlinie eingehalten werden. 99 Prozent der Betriebe arbeiten sauber und nach den Regeln. Die Frage ist, welchen Aufwand die Verwaltung, Gesetzgebung usw. betreiben wollen, um dieses eine oder zwei Prozent zu verhindern, ohne die anderen 99 Prozent dadurch wieder mit neuer Bürokratie und Kontrollen zu erschlagen Hier gilt es sicherlich gut überlegt und ausgewogen zu handeln. 

    Wäre es nicht effizienter, sinnvoller und einfacher, sich nur auf die Gewässerschutzrichtlinie zu berufen, anstatt den GVE-Besatz daran zu koppeln?

    Die Regeln zum GVE-Besatz bei den Milchhöfen fußen auf der Gewässerschutzrichtlinie. Die Einhaltung der Gewässerschutzrichtlinie ist die Grundlage für die flächenbezogene Milchwirtschaft.

    Die Milchhöfe haben die GVE-Besatzregelung 2018 in ihre Statuten aufgenommen. 

    Mit zusätzlichen Verschärfungen: So werden Futterflächen außerhalb der Provinz, mit Ausnahme der an die Provinz angrenzenden Gemeinden, nicht anerkannt, weil man die lokalen Wirtschaftskreisläufe aufrecht erhalten will. Gerade im Sterzinger Raum gibt es einige Bauern, die Flächen außerhalb der Provinz besitzen und gefordert haben, dass diese anerkannt werden sollten. Dieser Forderung wurde nicht nachgegeben und laut Statut werden nur Flächen in der Gemeinde des Betriebssitzes bzw. in den angrenzenden Gemeinden anerkannt. Damit sollte verhindert werden, dass jemand, der außerhalb der Provinz Flächen besitzt, in Südtirol seinen Viehbestand aufstocken kann. Die flächenbezogene Milchwirtschaft, welche die Milchhöfe beschlossen haben, ist also noch restriktiver als die Gewässerschutzrichtlinie. 

  • Siegfried Rinner, Direktor des Südtiroler Bauernbundes: „Sie meinen, dass die Milchhöfe ihren Mitgliedern einen Besuch abstatten, die Situation überprüfen und dann beim zuständigen Amt möglicherweise sogar Anzeige erstatten sollten?“ Foto: SWR-EA

    Die Milchhöfe kennen in der Regel ihre Mitglieder und wissen, wer die ehrlichen und hart arbeitenden Bauern sind und welche nicht. 

    Sie meinen, dass die Milchhöfe ihren Mitgliedern einen Besuch abstatten, die Situation überprüfen und dann beim zuständigen Amt möglicherweise sogar Anzeige erstatten sollten? Das ist schon etwas weit hergeholt, wenn man bedenkt, welche Aufgabe die Milchhöfe haben. Die Milchhöfe prüfen anhand ihrer Datenbanken, ob die Regeln eingehalten werden. Vor Ort Kontrollen und Anzeigen gehören nicht zu den Aufgaben der Milchhöfe Die Genossenschaften können nicht eine behördliche und hoheitliche Aufgabe durchführen. 

    Wer sollte die Weitergabe an Informationen an die Ämter dann übernehmen? 

    Die Informationen, auf die jedes Amt zugreifen kann, sind alle in der Datenbank enthalten und wenn 20 Kühe auf einem Hektar aufscheinen, ist das ersichtlich und wird Anlass dafür sein, genauer hinzuschauen. Vor Ort Kontrollen ergänzen diese Maßnahme. 

    Abgesehen von der flächenbezogenen Milchwirtschaft scheinen vor allem im touristischen Bereich, sprich Urlaub am Bauernhof, landwirtschaftliche Betriebe von großem Interesse zu sein – Stichwort Ausverkauf der Bauernhöfe. Gibt es Zahlen dazu?

    Das sind zwei verschiedene Dinge. Wenn es um den Verkauf von Höfen geht, so haben wir bei unseren Ortsobleuten eine Umfrage gestartet, um dieses Phänomen in Südtirol endlich einmal quantifizieren zu können. Obwohl alle vom Ausverkauf der Heimat reden, wissen wir nicht, was und an wen verkauft wird. Mit dieser Umfrage wollen wir herausfinden, wie viele Höfe in den vergangenen Jahren verkauft worden sind, an wen und ob die Landwirtschaft weiter betrieben und der Hof ordentlich bewirtschaftet wird. 

     

    „Obwohl alle vom Ausverkauf der Heimat reden, wissen wir nicht, was und an wen verkauft wird.“

     

    Sobald wir diese Zahlen auf dem Tisch haben, und sich der Ausverkauf der Höfe in einem nennenswerten Umfang bestätigen, werden wir sicherlich nicht zögern, entsprechende Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Dieses Interesse am Kauf von Höfen ist aber unabhängig vom Urlaub am Bauernhof. Aber auch beim Urlaub am Bauernhof müssen die Regeln eingehalten werden. Auch dort hat die Landespolitik die Voraussetzungen verschärft und der Bauernbund hat die Gemeinden aufgefordert, diese auch zu kontrollieren. 

    Neuerdings scheint es insbesondere in Tourismus-Hochburgen Mode zu werden, dass Hotelbetriebe Bauernhöfe kaufen. Die Voraussetzung, um beispielsweise Urlaub am Bauernhof anbieten zu können, ist aber, dass der Mindestviehbesatz nicht unterschritten werden darf. 

    Damit man in Südtirol einen Bauernhof kaufen und darauf Landwirtschaft betreiben kann, muss der Käufer nicht aus einer Bauernfamilie stammen. Aber er sollte bestimmte Voraussetzungen mitbringen und den Betrieb ordentlich und normal mit einem angemessenen Viehbesatz bewirtschaften müssen. Dazu zählt, dass er ihn selbst oder mit seiner Familie bewirtschaftet und auch am Hof wohnt. Dann soll er auch die Möglichkeiten wie beispielsweise Urlaub am Bauernhof nutzen dürfen. Darauf bauen auch die lizenzrechtlichen Vorgaben für Urlaub am Bauernhof auf. Zudem würde das Gesetz auch vorsehen, dass eine UaB Lizenz mit einer gastgewerbliche Lizenz nicht vereinbar ist. Hier stehen wir wieder vor demselben Problem: Zuständig für die Kontrollen sind die Gemeinden. Der vormalige Obmann des Südtiroler Bauernbundes Leo Tiefenthaler hat unzählige Male die Gemeinden darauf hingewiesen, dass sie ihre Kontrollaufgabe wahrnehmen sollen. Wir als Bauernbund haben nichts gegen Kontrollen – ganz im Gegenteil. 

    Der Bauernbund will somit die „Schwarzen Schafe“ ausfindig zu machen.

    Es soll kontrolliert werden. Aber auch hier gilt, dass wegen einiger Grenzgänger und Grenzüberschreitungen, der gesamte UaB schlecht geredet wird. UaB ist für die Landwirtschaft in Südtirol und auch für den Tourismus sehr wichtig. Es wird immer Fälle geben, wo einige Schlaumeier das System ausnutzen. Hier kann man mit Kontrollen und schärferen Vorschriften dagegenhalten. Wollen wir aber die Verwaltungsvorschriften so gestalten, dass jeder Fall ausgeschlossen wird, machen wir aus jedem einzelnen Fall ein Drama, dann werden wir sehr bald an der Bürokratie ersticken. Deshalb müssen wir auch einmal die Courage haben zu akzeptieren, dass es einige Schlaue gibt. Wir sollten uns daher mehr um die 98 Prozent kümmern, die gut arbeiten.  Aber ein lückenloses System aufzubauen, ist nicht möglich. Das ist auch der Grund, wieso es niemals null Verkehrstote und null Arbeitsunfälle geben wird. Dazu müssten wir den Faktor Mensch ausschließen und das hieße, niemand fährt mehr Auto und niemand arbeitet mehr; dann würde es klappen. 

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Günther Stocker Fr., 08.03.2024 - 12:05

Des System isch schun mindestens 25 Jahre alt! Des woas a jeder wer es wissen will!
Dazu fällt mir nur dies ein:
Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus.

Der Rest ist bla bla bla, Schönfärberei! Augenauswischerei.

Da glänzt doch glatt doch bald der Heiligenschein!

Fr., 08.03.2024 - 12:05 Permalink
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Markus Lobis Fr., 08.03.2024 - 13:15

In der Südtiroler Landwirtschaft ist immer alles perfekt, zumindest nach außen hin. Ploppt eine miese Praxis oder Schlaumeierei auf, wird zuerst versucht, die Nervensäge, die darüber redet - sagen wir mal so - zu überzeugen, dass es nicht klug ist, das zu tun. Kommt es trotzdem an die Öffentlichkeit, dann gibt es zuerst ein paar Nebelgranaten mit verwirrenden Fakten- und Halbfaktenkaskaden und dann die maximal mögliche Einsicht, dass da wieder mal ein paar schwarze Schafe oder Schlaumeier ...

Ich diskutiere oft mit interessanten Leuten aus allen Bereichen, was wir tun müssen, um eine neue Konsensgrundlage in Südtirol zu finden, nachdem die Situation an Eisack, Etsch und Rienz immer verfahrener und perspektivloser wird. Als erstes fällt mir immer dasselbe ein: Auhearn mit'n Liagn!

Fr., 08.03.2024 - 13:15 Permalink
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Johannes Engl Fr., 08.03.2024 - 13:58

Verlangt Herr Rinner als Gegenleistung für das Interview, dass er 2x im Artikel mit großformatigem Foto erscheint?
Wenn Vorwahlzeit wäre, dann würde ich vermuten, dass...

Fr., 08.03.2024 - 13:58 Permalink
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Josef Fulterer Sa., 09.03.2024 - 08:03

Die Verleih-Bauern + die Leih-Bauern für mindestens 10 Jahre von jeder Beitragsgewährung, auch von den Flächenprämien ausschließen + die unter falschen Voraussetzungen erchlichenen Beiträge innerhalb 20 Jahre, mit den Bank-üblichen Kreditzinsen zurück-fordern, dann lichtet sich die Rinner-Nebelgranaten-Gemeinschaft erheblich.

Sa., 09.03.2024 - 08:03 Permalink