Landtag
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Politik | Fritto misto

Herzblatt

Die Balz um den Koalitionspartner hat begonnen, dabei ist die Sache höchst unromantisch.
  • Ich habe seit einigen Wochen, genau genommen seit den Landtagswahlen, einen wiederkehrenden Traum: Da steht unser Landeshauptmann im feschen Anzug an einer Trennwand, auf der anderen Seite sitzen die Parteispitzen dreier deutscher Oppositionsparteien auf Barhockern. Eine weibliche, leicht erotisch angehauchte Stimme aus dem Off säuselt los: „So, Arno, jetzt musst du dich entscheiden: Wer soll dein Herzblatt sein? Die grünen Weltverbesserer, die dir dein Schnitzel verbieten und dein Auto verschrotten, dich aber liebevoll auf den Boden der Tatsachen bringen, wenn du wieder mal abhebst? Oder doch die gestrengen Auf-die-Finger-Klopfer von Team Kritik, die dir nie einen Rosengarten versprachen, aber mit ihren Rechnungshof-Drohungen Pfeffer in die Beziehung bringen? Oder aber sollen es die abgewatschten Vaterlandsfanaten sein, einst bissig und provokant, die dir jetzt gefügig den Haushalt machen werden? So, Arno, triff deine Wahl!“ 

     

    So, Arno, jetzt musst du dich entscheiden: Wer soll dein Herzblatt sein?

     

    Der LH überlegt kurz, scharrt ein wenig mit den Füßen, und sagt dann mit fester Stimme: „Ich nehme keinen von denen. Ich nehme…Sven!“ An dieser Stelle schrecke ich stets schweißgebadet auf und rufe: „Sven???“ (Dejà-vu in der Wahlnacht). Mein Mann hat bereits Fragen. Jedenfalls bin ich sehr froh, wenn diese Koalition endlich beschlossen wird und dieser Traum aufhört, ich weiß auch ganz genau, woher er rührt: Zum einen hat der LH ja angemahnt, das Spekulieren über mögliche Koalitionen zu unterlassen, es beschleunige den Prozess gewiss nicht, ganz im Gegenteil. Das hat mich amüsiert, weil das Spekulieren über den Koalitionspartner nach diesem Wahlergebnis ja das einzig Tröstliche ist: Zumindest kann man Wetten abschließen, herumfantasieren, debattieren, sich gedanklich etwas davon ablenken, von der Tatsache, dass unser Land das Lenkrad scharf nach rechts gerissen hat. Dass der LH das für die Betroffenen verständlicherweise lästige Gefrage („Wer wertsn werdn?“) einschränken möchte, so zielführend, wie wenn man einem Kind sagt, es solle nicht am Rappele herumzupfen, war für mein rebellisches Unterbewusstsein natürlich der Befehl, sich unaufhörlich damit zu beschäftigen, ergo der Traum.  

     

    Von daher muss ich ja dankbar sein, dass mein Traum bloß in der „Herzblatt“-Kulisse spielt und nicht in schwülstigen, textilfreien Zonen.

     

    Zum anderen stellen die Medien die Koalitionsbemühungen sehr gerne mit amourösen Metaphern dar: Da wird von einer „Brautschau“ gefaselt, davon, mit wem sich die SVP „ins Bett legen“ wird, die Koalition wird zur Kopulation hochgejazzt. Von daher muss ich ja dankbar sein, dass mein Traum bloß in der „Herzblatt“-Kulisse spielt und nicht in schwülstigen, textilfreien Zonen. Angesichts des Terminplans der Koalitionsgespräche kam mir auch sogleich Speed-Dating in den Sinn: Vor meinem geistigen Auge sehe ich Kompatscher und Achammer an einem Tischchen sitzen, zu jeder vollen Stunde setzt sich ein Kandidat oder eine Kandidatin vis-à-vis, ein Glöckchen läutet und los geht’s: Die optisch ansprechen, wo die Chemie halbwegs stimmt, die werden beinhart abgeklopft auf ihre Vorlieben, Macken, Zukunftsplanung, eine Stunde scheint viel zu kurz dafür. Die anderen, bei denen man auf den ersten Blick schon weiß: Nein, das wird sicher nichts (manchmal wissen es beide gleich, manchmal hofft eine Seite inständig und bemüht sich, während die andere null Interesse hat, was es dann sehr erniedrigend macht), da kann eine Stunde dann sehr lang sein. Man füllt sie am besten mit politikfernem Small Talk, um nicht falsche Erwartungen zu wecken: Wie war die Ernte heuer? Wie pflegt man eigentlich Kinnhaar? Wie fanden Sie Barbie und ist es ein feministischer Film? Das sind einige Fragen, die ich gern zur Verfügung stelle, um peinliche Stille zu vermeiden. Alternativ kann man, nachdem man eh schon aufeinandertrifft, auch über den Stand der Dinge bei eventuell erfolgten Anzeigen informieren, sich nach politischen Zukunftsplänen erkundigen, oder, wenn man sich wirklich gar nichts mehr zu sagen hat, das Gegenüber einfach eine Stunde lang freundlich anlächeln: Bekanntermaßen die eleganteste Art, Zähne zu zeigen. 

     

    Das Ganze ähnelt eher der Suche nach einem WG-Mitbewohner

     

    Schön wär’s, wenn hier die große Liebe gesucht würde: Leider ist es keine Brautschau, keine Affäre, ja nicht einmal auf einen schwitzigen One-Night-Stand ist man hier aus. Ganz pragmatisch und emotionsarm braucht man einen Partner, der einem zur Stimmenmehrheit verhilft und dafür möglichst wenig fordert. Das Ganze ähnelt eher der Suche nach einem WG-Mitbewohner, weil man die Miete allein nicht stemmen kann, eine unliebsame Notwendigkeit also: Wenn’s den schon braucht, dann soll er bitte pflegeleicht, ruhig, am besten gar nicht wahrnehmbar sein. Dabei könnte die SVP auch mit einer anderen Einstellung an die Sache heran gehen und einen ebenbürtigen Partner wählen, mit dem dann zwar debattiert, gestritten und verhandelt werden muss (anstrengend!), der aber einen Mehrwert bringt und der Partei selbst bei ihrer Neuorientierung behilflich ist. Kooperation statt Zwangsverbund. Man wird sehen. 

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Josef Fulterer Mi., 15.11.2023 - 05:38

Angesichts der schwer drohenden Ausreißer beim Wetter auf der halben Welt im vergangenen Sommer, die andere Hälfte kommt jetzt dran, sollte die Wahl mit W E M - M A N dagegen antreten will, nicht besonders schwer fallen.

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Lollo Rosso Mi., 15.11.2023 - 11:04

Die Nennung der fratelli wurde ausgespart. Ich glaube, dass man auf sie getrost verzichten kann, das wird Meloni schon verkraften. Die Frage ist, ob Kompatscher die Schneid hat, jetzt richtig durchzustarten. Zu tun gäbe es einiges.

Mi., 15.11.2023 - 11:04 Permalink