Daniel Alfreider: "Nur mit dem Finger aufzuzeigen, ist nicht alles"
Herr Alfreider, mit knapp 38 Prozent entschuldigter Abwesenheiten sind Sie der Spitzenreiter unter Südtirols Parlamentariern, wenn es um sogenannte parlamentarische Missionen geht. Warum?
Daniel Alfreider: Dafür gibt es einen guten Grund. Diese parlamentarischen Missionen sind ein Instrument, das für Fraktionssprecher oder Präsidialsekretäre vorgesehen ist, um eben an den diversen Sitzungen oder Konsultationen mit der Regierung oder dem Staatspräsidenten dabei sein zu können, bei denen sie als Fraktionssprecher gefragt sind. Es ist ganz normal, dass solche Sprecher nicht immer in der Aula sind, weil sie auch anderen Aktivitäten nachkommen müssen. Sie müssen sich nur jemanden wir Lorenzo Dellai ansehen, der ist sicher genauso viel auf parlamentarischer Mission.
Sogar noch öfter. Ihr Parteikollege Karl Zeller ist dagegen mit 0,38 Prozent so gut wie nie auf parlamentarischer Mission. Und er ist im Senat nicht nur Sprecher der SVP, sondern Fraktionssprecher der Autonomiegruppe.
Das stimmt auf jeden Fall. Doch ohne diese Prozentsätze in Frage stellen zu wollen, ist schon auch zu sagen, dass der Senat eine andere und weit effizientere Geschäftsordnung hat als die Kammer. Auch wird dort per Handaufhebung abgestimmt, während bei uns alles digital läuft. Vor allem aber ist es in der Kammer möglich, dass die Oppositionsparteien 1500 Tagesordnungspunkte einreichen, um Obstruktuion zu machen. Was derzeit in der Kammer passiert, ist wirklich eine Katastrophe; vieles ist absolut unzeitgemäß, auch die Tatsache, dass die meisten Gesetzesvorschläge als Notverordnung von der Regierung kommen und im Eilverfahren durchgewinkt werden.
Deshalb ist es besser auf parlamenatarische Mission zu gehen?
Nun, es ist zum Beispiel viel besser diese Gesetze in den Kommissionen inhaltlich durchzugehen als dann ewig lange Ehrenrunden in der Aula zu drehen. Bei aller Freude an der Kritik, sollte man sich schon auch den politischen Sinn eines Parlaments oder einer Fraktion ansehen. Wenn ich sehe, dass 630 Leute aus ganz Italien eingeflogen werden, um sich bis in die Nacht hinein Obstruktionsanträge anzuhören, muss man irgendwann auch ganz offen sagen, dass wir uns dann eben entscheiden, eher unsere politischen Angelegenheiten weiterzubringen anstatt hier mitzumachen.
Zu diesen politischen Angelegenheiten zählte letzthin auch ein Aschermittwoch-Treffen in Passau mit ihren politischen Freunden von der deutschen CSU. Läuft so etwas tatsächlich noch unter der Definition einer parlamentarischen Mission oder geht es hier um eine Parteiangelegenheit?
Natürlich ist das eine Ermessensfrage. Für mich fällt es auf jeden Fall unter die Definition, das ist genauso eine politische Geschichte wie eine Verhandlung mit dem PD. Und bei dem politischen Treffen mit der CSU ging es speziell um ein Treffen mit dem deutschen Verkehrsminister Alexander Dobrindt, Ministerpräsident Host Seehofer und zwei deutschen Parlamentariern, um die Parlamente für das transeuropäische Verkehrsnetz auf der Achse Berlin-Palermo zusammenzuspannen. Folge diese Treffens war ein weiteres Treffen in Brüssel und demnächst wahrscheinlich eines in Franzensfeste, wo die zuständigen deutschen und italienischen Minister zum Thema Zulaufstrecken und TEN-Korridor zusammenkommen sollen. Wenn jemand sagt, das ist keine politische Aufgabe, in Ordnung. Doch ich denke zumindest, wir sollten endlich wieder zu einer Realpolitik zurückkommen, und vor allem als Südtiroler Verbindungen in Europa und Rom aufbauen.
Statt einfach nur in der Aula abzustimmen?
Natürlich ist das auch ein wichtiger Teil unserer Aufgabe, doch nur in der Schule zu sitzen und mit dem Finger aufzuzeigen ist eben nicht alles. Ich muss sagen, mittlerweile verstehe ich langsam, dass die Menschen immer demotivierter werden, sich politisch einzubringen. Klar, werden in der Politik auch Fehler gemacht. Doch es ist auch eine Tatsache, dass heute politisch nur mehr über Formalitäten geredet wird und nicht mehr über Inhalte. Und das ist ein Problem der aktuellen Politik – und somit auch der Gesellschaft.