Gesellschaft | Caritas

"Mit Kanonen auf Spatzen schießen"

Die Caritas wünscht sich mehr Solidarität gegenüber Bettlern. Franz Kripp: "Betteln verbieten heißt Bitten verbieten."

In den vergangenen Wochen und Monaten ist das Bettelverbot heiß diskutiert worden. Die Caritas ruft die Bevölkerung jedoch auf, mehr Solidarität gegenüber Bettlern zu zeigen.  „Jemanden um Almosen zu bitten, ist ein Menschenrecht. Nur weil die Bettler nicht in unser Stadtbild passen, dürfen wir sie nicht unmenschlich behandeln und ihnen das Betteln verbieten. Nicht die Armen gilt es zu bekämpfen, sondern die Armut“, geben die beiden Caritas-Direktoren Franz Kripp und Paolo Valente als Antwort auf die Ausgrenzung der Bettelei.  Warum er nichts von Bettelverboten hält, erklärt Franz Kripp erklärt im salto.bz-Interview:

Geben Sie Bettlern Geld, Herr Kripp?
Ja, ab und zu. Wenn es die Gelegenheit bietet, gebe ich privat sehr gerne etwas.

Was halten Sie von Bettelverboten?
Eigentlich gar nichts. Betteln ist ein Menschenrecht und wenn man dies jemandem verbietet, verbietet man ihm das Bitten. Hier wird mit Kanonen auf Spatzen geschossen. Doch ich denke, das hat auch damit zu tun, dass das Zusammenwachsen der Europäischen Union viele unterschiedliche Menschengruppen zu uns bringt. Somit steigt die Zahl der Menschen aus unterschiedlichen ethnischen Gruppen. Es ensteht Unmut und Angst gegenüber der raschen Veränderung. Der andere Aspekt ist, dass die Südtiroler es schön und sauber haben wollen, damit sie sich der Konfrontation mit der Armut entziehen können.

Südtiroler wollen sich der Konfrontation mit der Armut entziehen. 

Warum wird das Verbot gegen die Bettelei so heftig gefordert?
Wir befinden uns nun mal in wirtschaftlich schwierigen Zeiten und da schaut jeder auf sich. Ein Blick auf jemandem, dem es schlecht geht, stört da nur. Da wird auch schnell vergessen, dass der Staat auf einem gewissen Maß an Grundsolidarität aufbaut und es keine Menschen erster, zweiter und dritter Klasse gibt. 

Gibt es organisiertes, kriminelles Betteln?
Keine Organisation oder kein Zusammenschluss von mehreren Personen ist a priori kriminell. Ich denke, die Polizei unseres Landes ist durchaus im Stande organisierte Verbrechen aufzudecken. Das sie aber nicht aus diesem Grund eingegriffen hat, vermute ich, dass es bei den sogenannten Bettelbanden keine kriminellen Hintergründe gibt.

Hat sich das Klima in Bezug auf arme Menschen verschärft? 
Die Bevölkerung geht generell viel gelassener mit Bettlern um, als es irgendwelche Einrichtungen oder Institutionen tun. Ein Teil gibt immer wieder etwas ab; wenn keiner mehr den Bettlern Almosen geben würde, wären sie längst nicht mehr hier. Vor allem gilt es,  Ruhe  zu bewahren und sich nicht von den Hassparolen der Medien beeinflussen zu lassen. Diejenigen, die sich der Ausgrenzung von Menschen in Armut anschließen, sollten sich die Frage stellen, wie es dazu gekommen ist, dass sie betteln.

Diejenigen, die sich der Ausgrenzung von Menschen in Armut anschließen, sollten sich die Frage stellen, wie es dazu gekommen ist, dass sie betteln. 

Was kann man als Bürger in Konfrontation mit Bettlern oder auch der Armut tun?
Als Einzelner ist es wichtig, Armut im eigenen Umfeld zu erkennen und direktes, persönliches Engagement zu zeigen. Als nächster Schritt wäre hilfreich, auf institutioneller Ebene Partner zu benachrichtigen, die Menschen in Not helfen. Auch auf gesellschaftlicher Ebene gibt es noch einigen  Aufklärungsbedarf, um den Boden für Toleranz gegenüber Bettlern freizumachen. Außerdem ist es jedermanns eigene freie Entscheidung, Bettlern Almosen zu geben. Dazu soll jeder sein eigenes Herz sprechen lassen.