salto-Wahlkampfanalyse Teil 5: Prognosen mit Vorbehalt
salto.bz: Sie haben derzeit noch keine aktuellen Wahlumfragen gemacht. Auf welcher Basis lässt sich derzeit abschätzen, wie die einzelnen Parteien abschneiden werden? Zum Beispiel an den Parlamentswahlen vom Februar?
Gernot Gruber: Im Februar hat die Südtiroler Volkspartei ja mit 44,1 Prozent das historisch schlechteste Ergebnis eingefahren. Das ist dann nur gut als Sieg verkauft worden, weil es wegen des Porcellum so viele Abgeordnete wie nie gegeben hat. Aber rein von Prozentwerten war es das historisch schlechteste Ergebnis.
Hermann Atz: Und das trotz der Angriffe der Monti-Regierung auf die Südtiroler Autonomie...
salto.bz: Laut den Umfragen des Linzer market-Institutes hat die Stimmung seither zugunsten der Volkspartei umgeschlagen: Im Februar gab market der SVP nur mehr 38 Prozent, bei der letzten Umfrage im August sind es 47 Prozent. Wie valide sind solche Ergebnisse?
Hermann Atz: Ich glaube nur meinen Umfragen und ein bisschen denen vom Kollegen Gruber (lacht). Nun, market hat sich bisher nicht durch besonders präzise Umfragen profiliert. Hier muss man kein besonderer Experte sein, um zu sagen, ja, vielleicht haben sie ja auch recht, aber wer weiß. Mein Haus würde ich sicher nicht darauf verwetten, dass die Grünen 13 Prozent kriegen, wie aus der Umfrage hervorgegangen ist.
Gernot Gruber: Ich würde mich eher einiges darauf zu wetten getrauen, dass das nicht der Fall ist bei den Grünen. Denn wenn ich unsere doch regelmäßig stattfindenden Messungen hernehme, dann ist dieser steile Anstieg nicht erkennbar. Generell ist zu sagen, dass Südtirol mittlerweile dem internationalen Trend folgt und Wahlentscheidungen immer später getroffen werden. Im Wesentlichen wird es also auch diesmal wieder eine Stimmungswahl werden. Ich denke, deswegen werden die letzten 14 Tage entscheidend sein.
salto.bz. Was trägt dann zur Entscheidung bei?
Gernot Gruber: Das reicht von der Dramaturgie über die Themenlage bis hin zu Wetterstimmung. Eine lange Schlechtwetterperiode spielt beispielsweise auch eine Rolle. Für die SVP ist der Herbst erfahrungsgemäß eher positiv, da hat auch die Ernte einen positiven Einfluss, wenn sie gut läuft, denn das hat alles viel mit Sozialpsychologie zu tun. Aber jetzt Anfang September schon eine Prognose zu stellen, ist schwierig, das ist mit vielen Wenn und Aber verbunden. Das Einzige, worauf ich mich festlegen würde, ist die SVP zwischen 42 und 48 Prozent anzusetzen; doch in dem Spielraum ist alles drinnen. Falls noch einmal ein großer Skandal kommen sollte, kann das Ergebnis an der unteren Bandbreite zu liegen kommen.
Hermann Atz: Wenn man wirklich viele gute Daten hätte, könnte man es empirisch versuchen. Selbst da bleibt aber noch offen, was in den letzten Wochen passiert. Einigermaßen genau projektieren kann man kann drei Tage vor der Wahl, wenn man gute Daten und gute Methoden hat, vorher nicht.
salto.bz: Also keinerlei Projektion, ob die SVP doch noch die Mandatsmehrheit schafft?
Hermann Atz: Das wäre schon sehr überraschend, wenn die SVP die absolute Mehrheit halten würden. Die wird meiner Einschätzung nach aber ohnehin überschätzt. Klar ist es ein Signal. Doch wenn sie auf 16 oder 17 Mandate kommen, zusammen mit dem italienischen Koalitionspartner, haben sie trotzdem die Mehrheit. Was ändert sich also groß? Der PD wird jetzt trotzdem nicht mit der Brechstande in der Koalition regieren und sagen, jetzt haben wir das Sagen und treiben die große SVP vor uns her. Die werden im Wesentlichen so weiter machen wie bisher, bei ein paar Symbolthemen werden sie Stärke zeigen und sonst zu allem Ja und Amen sagen.
salto.bz: : Ein bissl mächtiger wären sie aber schon...
Hermann Atz: Ja, doch wenn der PD mächtiger wird, dann beginnt er intern zu streiten, und damit ist die Macht vorbei. Also, unter dem Strich wird die SVP mit all ihrer Regierungserfahrung auch mit 16 oder 17 Mandaten kein Problem haben, mehr oder weniger so weiter zu machen wie bisher.
salto.bz: Den Grünen trauen Sie keine 13 Prozent zu. Aber ihre bestehenden zwei Mandate sind ihnen sicher?
Gernot Gruber: Die sind schon relativ solide, würde ich sagen. Auch weil die Grünen einen ganz guten Mix zwischen Erneuerung und Kontinuität geschafft haben, mit ihrer neuen Spitzenkandidatin und den zwei alten Flaggschiffen. Dieses „Alt versus Neu“ gilt übrigens ein wenig für alle Parteien. Das wird ein Grundthema sein, dass auch innerhalb der SVP spannend werden wird. Sprich: Wie viele neue Gesichter sind dann tatsächlich bei den Vorzugsstimmen vorne. Ebenso bei den Freiheitlichen, wo schon der Faktor einsetzt, dass ein Pius Leitner und eine Ulli Mair nicht mehr so spannend sind. Die große Frage ist, wie viele von den jüngeren, neueren Kandidaten es in den einzelnen Parteien nach vorne schaffen, also inwiefern verwirklicht sich der Wunsch nach Erneuerung bei den jeweiligen Listen.
salto.bz: Um noch einmal auf die market-Umfrage zurück zu kommen: Die Freiheitlichen haben dort ja erstaunlich schwach abgeschnitten.
Gernot Gruber: Nun, sie waren bei 14 Prozent und bei den Landtagswahlen 2008 waren sie bei 12 Prozent. Also im Grund wäre es ohnehin ein leichter Zuwachs, wenn auch ein klarer Verlust zu den Umfragen vorher. Aber dieser Sinkflug hat schon im Frühjahr begonnen, mit den Streitereien und der nicht ganz astreinen Wahl von Ulli Mair. Im Moment sind die Freiheitlichen nicht so spürbar, nicht so aggressiv wie früher. Das hat vielleicht auch mit der neuen Rolle durch die Koalitionsthematik zu tun.
salto.bz: Man muss auch sagen, dass der Unterschied von fünf Abgeordneten gegenüber den vorherigen zwei nicht so große Wirkung hatte.
Hermann Atz: Wenn man nur auf den Landtag und die politische Arbeit schaut, wahrscheinlich nicht. Doch sie sind nun in den Bezirken präsenter, man sieht sie mehr auf den Festen, unter den Leuten.
Gernot Gruber: Die Freiheitlichen haben meiner Meinung nach ein ähnliches Problem wie die FPÖ in Österreich hatte, als sie mit Jörg Haider die großen Sprünge gemacht hatte und danach keine Leute aus der zweiten Reihe nachfolgten. Auch bei den Südtiroler Freiheitlichen fehlt esein wenig an Substanz hinter Ulli Mair und Pius Leitner. Roland Tinkhauser sehe ich im Pustertal ganz gut aufgestellt, besonders weil es dort auf Seiten der SVP nach dem Abgang von Hans Berger und Durnwalder nicht mehr so starke Kandidaten wie einst gibt. Doch die restlichen Kandidaten sind wenig sichtbar.
salto.bz: Außer Thomas Egger, der ja nach seinem Rausschmiss nun mit der eigenen Liste antritt. Wie erfolgsversprechend scheint Ihnen sein Bündnis mit der Union und den Ladins?
Hermann Atz: Gewisse Chancen wird dieses Bündnis schon haben, weil jeder seine Leute mitbringt. Auch die Ladins haben ihre Stammwählerschaft, die ist zwar nicht wahnsinnig groß, aber ein halbes Mandat wird sie schon wert sein. Wenn Egger und Pöder dann auch noch etwas mitbringen, wird sich schon ein Mandat ausgehen. Doch die große Frage ist, wer es bekommt. Denn jeder wird nun natürlich versuchen, vorne sein.
Das Wetter, die Ernte, die Sozialpsychologie ...
Top-Experten in Geberlaune.