Der Herbst des Patriarchen
Silvio Berlusconis Versuch, mit der Rückkehr zu Forza Italia einen "neuen politischen Frühling" hervorzuzaubern, geriet zum Herbst des Patriarchen. Die Spaltung seiner Partei läutet die Nach-Berlusconi-Ära ein. Die nächsten Etappen seines ruinösen Abgangs sind bereits vorgezeichnet. In zehn Tagen wird der Senat über seinen Ausschluß entscheiden. Was der Cavaliere dabei fürchtet, ist nicht der Verlust seines stets leeren Sitzes, sondern die Aufhebung seiner Immunität, die ihm in Zukunft auch einen Haftbefehl einbringen könnte. Im Jänner wird das Kassationsgericht sein Urteil vervollständigen und die Dauer seiner Suspendierung von allen öffentlichen Ämtern festlegen. Im Februar erwarten Berlusconi drei Gerichtsverfahren, darunter die zweite Instanz des Ruby-Prozesses und das Korruptionsverfahren wegen Bestechung von Senatoren. Im Frühling wird ein Gericht darüber entscheiden, ob Berlusconis Antrag auf Sozialarbeit statt Hausarrest stattgegeben wird. Daß ihm am Sonntag 500 Delegierte auf einer Konferenz in Rom die alleinige Entscheidungsgewalt in der "neuen" Forza Italia zubilligten, war eine letzte, pathetische Huldigungszeremonie an den 77-jährigen, der sich wegen eines Schwächeanfalls an das Rednerpult klammern mußte, bis sein Hausarzt herbeieilte. Die Delegiertenkonferenz in Rom war, wie Il Messaggero spöttisch anmerkte, eine "Beerdigung ohne Blumen." Daß am selben Abend wie der PDL auch Montis krisengeplagte Partei Scelta Civica im vehementen Streit zerbrach, führt zu einer bizarren politischen Situation: die fünf bisherigen PDL-Minister um Alfano, deren Formation nun den Namen nuovo centro destra trägt, vertreten ab sofort nur mehr sich selbst. Dasselbe gilt für Verteidigungsminister Mario Mauro, der nicht mehr das Vertrauen von Scelta Civica genießt. Der von Turbulenzen geplagte Partito Democratico kann sich über das Debakel der politischen Gegner kaum freuen. Der bevorstehende Parteitag könnte für die Sozialdemokraten zur Zerreißprobe werden. Wegen massiver Mauscheleien und sprunghaft angestiegender Mitgliederzahlen in vielen circoli mußte die Aufnahme neuer Parteimitglieder gestoppt werden. Die Kongresse in etlichen Provinzen wurden annulliert. Während Matteo Renzi die Regierung täglich durch neue spots in Bedrängnis bringt, fällt der profilierungssüchtige Pippo Civati dem PD in den Rücken und bringt einen Mißtrauensantrag gegen Justizministerin Anna Maria Cancellieri ein. Nun muß die Partei den verwunderten Wählern erklären, warum sie das Mißtrauensvotum der Fünfsterne-Bewegung ablehnt und plötzlich eines aus den eigenen Reihen auf dem Tisch liegt. Bei den bevorstehenden primarie dürfte sich der Frust der Wähler in sinkender Wahlbeteiligung niederschlagen. Die Parteien sind mit den eigenen Zerwürfnissen zu beschäftigt, um sich mit der Lösung der seit fünf Jahren andauernden Krise zu beschäftigen. Die Tatsache, daß fünf Millionen Italiener in absoluter Armut leben, kann die auf Dauerstreit programmierten Parlamentarier ebenso wenig beeindrucken wie das weiterhin sinkende Sozialprodukt. Entsprechend mitleidslos beurteilt die Weltpresse mittlerweile die Lage in Italien. Die Bel Paese-Sympathien sind verschwunden, die Visionen düster. Jüngste Beispiele: Die New York Times ("Italy braeks your heart") und die FAZ ("Italien, Land ohne Zukunft") beschreiben Italien als erstarrtes und resigniertes Land auf dem Weg zum politischen und wirtschaftlichen Bankrott. Das kann den Forza Italia-Koordinator Sandro Bondi freilich nicht daran hindern, in der Tageszeitung La Stampa zu kontern:"Silvio Berlusconi sul piano internazionale é stato troppo innovativo per essere compreso."