Umwelt | Malser Weg

Der Freispruch

38 Malser Bauern haben vor dem Kassationsgericht eine Schlappe eingefahren. Der Versuch Kritiker durch Klagen einzuschüchtern, ist jetzt gescheitert.
  • Es ist ein Musterbeispiel wie selektiv und einseitig Journalismus sein.
    Am 31. Januar 2024 beherrscht eine Schlagzeile Südtirols Medien. „Der Malser Weg scheitert definitiv vor Gericht“, meldet RAI Südtirol. Und weiter: „Der Staatsrat in Rom bestätigt das Urteil des Verwaltungsgerichtes Bozen: Die Pestizid-Verordnungen der Gemeinde Mals sind nicht rechtmäßig.
    Es ist eine Geschichte, die fast zehn Jahre zurückliegt und weit über die Grenzen Südtirols hinaus bekannt ist. Die Gemeinde Mals hat unter ihrem damaligen Bürgermeister Ulrich Veith 2015 eine Verordnung erlassen, mit der die Ausbringen von Pestiziden verboten wurde. Vorausgegangen war diesem Beschluss eine Volksbefragung, die ein Jahr zuvor vom „Promotorenkomitee für ein pestizidfreies Mals“ initiiert und von der Gemeinde Mals dann durchgeführt wurde.

  • Promotorensprecher Johannes Fragner-Unterpertinger: "Das Höchstgericht hat bestätigt, dass man sich frei bewegen kann, ohne gleich fürchten zu müssen, verklagt zu werden.“ Foto: Wanderführer Südtirol
  • 38 Malser Bäuerinnen und Bauern klagen vor dem Verwaltungsgericht Bozen gegen die Verordnung und bekommen 2019 Recht. Laut den Verwaltungsrichtern ist die Gemeinde nicht befugt, ein solches Verbot zu erlassen, das zudem gegen die EU-Bestimmungen verstoße. Die Gemeinde Mals legt gegen dieses Urteil Berufung ein. Der Staatsrat bestätigt im Januar 2024 den Bozner Richterspruch. Damit – so der Tenor in allen Südtiroler Medien – sei der Malser Weg endgültig gescheitert. 
    Die Malser Bauern jubilieren.
    Doch bis heute hat kein Südtiroler Medium gemeldet, dass genau am selben Tag, dem 30. Januar 2024 in Rom eine weiteres Urteil gefallen ist, das für die 38 Kläger eine ordentliche Schlappe darstellt. Und sie zur Kasse bittet.

  • Die Prozesse

    Denn dieselben 38 Malser klagten nicht nur vor dem Verwaltungsgericht. 
    Es kam auch zu einer Eingabe beim Rechnungshof. Die Staatsanwaltschaft am Rechnungshof eröffnete daraufhin eine Verfahren gegen Bürgermeister Ulrich Veith, dem vorgeworfen wird, durch die Abhaltung eines unzulässiges und rechtswidriges Referendums unnötige Ausgaben verursacht zu haben: Der Schaden wird mit 23.751,99 Euro beziffert, die die Staatsanwaltschaft jetzt vom damaligen Bürgermeister zurückgefordert hat. 
    Im April 2019 wird Ulrich Veith, verteidigt von Rechtanwalt Karl Zeller, aber am Rechnungshof voll freigesprochen. Der Bürgermeister habe sich bei der Abhaltung des Referendums nur an die Entscheidung der Referendumskommission der Gemeinde gehalten, die das Referendum für zulässig erklärt hatten.

  • Ehemaliger Malser Bürgermeister Ulrich Veith: Nicht nur am Rechnungshof freigesprochen. Foto: Othmar Seehauser
  • Doch damit war der Gerichtsweg noch lange nicht zu Ende.
    Denn die 38 Malser Bauern reichten auch eine Klage gegen die Gemeinde Mals, die drei Mitglieder der Referendumskommission Martin Fischer, Marion Markart und Christoph Gögele und gegen den Sprecher des Promotorenkomitee für ein pestizidfreies Mals, Johannes Fragner-Unterpertinger vor dem ordentlichen Gericht ein. Es ist ein Klage, die diese auch als Privatpersonen treffen soll. 
    Am 24. Mai 2016 kommt das Landesgericht zum Schluss, dass das Referendum nicht rechtens war. Die Beklagten werden zudem auch zur Bezahlung aller Verfahrensspesen verurteilt. Damit scheint der Versuch einer Einschüchterung aufzugehen.
    Sowohl die Gemeinde Mals als auch die beklagten vier Privatpersonen, legten gegen das Bozner Urteil Berufung ein. Am 4. Januar 2020 nimmt das Oberlandesgericht diese Berufung teilweise an. Der Richtersenat (Isabella Martin, Tullio Joppi und Thomas Weissteiner) kommen zum Schluss, dass die Klage gegen die drei Kommissionsmitglieder und Johannes Fragner-Unterpertinger nicht zulässig sei. 

  • Malser Referendum: Kassation bestätigt Recht auf Aktivismus.
  • Im Urteil des Oberlandesgerichtes heißt es wörtlich:

    Unabhängig davon, dass das Promotorenkomitee in seinen Anträgen niemals die Feststellung eines Rechtsanspruches auf Abhaltung der Volksbefreiung gestellt hat, kann dem Promotorenkomitee nicht das Recht abgesprochen werden, sich zu aktivieren und im Rahmen der sogenannten Direkten Demokratie, einen Vorschlag zur Volksbefragung in Sachen Pflanzenschutzmittel vorzubringen.“

    Das Oberlandesgericht verurteilt die Kläger deshalb die Anwaltskosten zu tragen.

  • Das Kassationsurteil

    Doch die 38 Bauern wollen nicht klein beigeben. Sie gehen vor das Kassationsgericht.
    Am 30. Januar 2024 hat das Höchstgericht das Urteil des Oberlandesgerichtes bestätigt und den Rekurs der Kläger abgewiesen. Die Bauern müssen jetzt dem Malser Apotheker und Aktivisten über 10.000 Euro an Anwaltskosten zurückerstattet.
    Johannes Fragner-Unterpertinger zeigt sich darüber erfreut. Wichtiger ist ihm aber, dass damit der klare Versuch gescheitert ist, kritische Stimmen durch Klagen einzuschüchtern.
    Es ist nun höchst richterlich festgestellt, dass ein unbescholtener Bürger sich frei bewegen kann und sachpolitisch aktiv sein darf, ohne gleich fürchten zu müssen, verklagt zu werden“, sagt Fragner-Unterpertinger.
    Nur davon liest man bisher nichts in den Medien.

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Profil für Benutzer Manfred Klotz
Manfred Klotz Sa., 20.04.2024 - 07:47

Na gut, ganz so, wie Herr Fragner-Unterpertinger sich äußert ist es nicht. Das Kassationsgericht hat die Klage abgewiesen, weil die Kläger nicht nachweisen konnten, durch das Pestizidverbot tatsächlich einen Schaden davongetragen zu haben. Die Klage war nicht gegen den Handlungsspielraum eines Bürgers gerichtet und das Urteil ist damit auch nicht eine Bestätigung der Rechtmäßigkeit der Vorgänge, im Gegenteil.
Fragner-Unterpertinger muss schon einsehen, dass sein Recht sachpolitisch aktiv zu werden auch Grenzen hat, die dort beginnen, wo eine solche Aktivität anderen Schaden zufügt. Im Umkehrschluss wäre Fragner-Unterpertinger verurteilt worden, wenn der Beweis eines tatsächlichen Schadens erbracht worden wäre. Und hier gilt Carl Sagans Aphorismus "Evidence of absence is not absence of evidence".
Dass die Unrechtmäßigkeit des Referendums und damit des Pestizidverbots, das auf dem Ergebnis des Referendums fußte, auch vom Kassationsgericht bestätigt wurde (das damit auch einen zukünftigen Schaden der Kläger ausschließen konnte), steht auch in keinem Medium.

Sa., 20.04.2024 - 07:47 Permalink
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Christoph Gatscher So., 21.04.2024 - 09:52

Jedenfalls hat Herr Fragner-Unterpertunger absolut Recht gegen diesen Pestizidwahnsinn anzukämpfen .
Seit Herr Schuler nicht mehr Landwirtschaftslandesrat ist hat das Spritzen wieder größere Narrenfreiheit angenommen .
Die meisten spritzen wieder dreimal so hoch wie es bräuchte , immer öfter immer energischer .
Hoffentlich setzt sich Gemeinderat Fattor in Bozen und Umgebung ordentlich für die Bekämpfung dieser Problematik ein , so wie er es angekündigt hat .
Unter Walcher hat das spritzen wieder neue Dimensionen angenommen , mal schauen ob er sich für ein bissl Vernunft zum Thema einsetzt .
Ich denke aber er ist eher auf der Seite der Oberlobby .
Also immer volle Kanne ist eh nicht Giftig (glauben sie zumindest) .

So., 21.04.2024 - 09:52 Permalink
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Manfred Klotz So., 21.04.2024 - 17:59

Antwort auf von Christoph Gatscher

Darum geht es nicht Christoph, sondern darum, dass er es so darstellt, als ob man ihm seine Aktionsfreiheit genommen hätte und das Gericht sie ihm wiedergegeben hat. Bezüglich des Einsatzes von Schädlingsbekämpfungsmitteln - ich bin aber kein Experte - bin ich schon auch der Meinung, dass der Grundsatz weniger ist mehr zutreffen könnte. Die ganze Geschichte, die Schiebel und Bär darum aufgebaut haben, ist aber lächerlich gewesen und diente mehr den beiden als der Sache.

So., 21.04.2024 - 17:59 Permalink
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Profil für Benutzer Peter Gasser
Peter Gasser So., 21.04.2024 - 10:37

@ Christoph:

Zitat: “Hoffentlich setzt sich Gemeinderat Fattor in Bozen und Umgebung ordentlich für die Bekämpfung dieser Problematik ein , so wie er es angekündigt hat”:

Ich bin mir jetzt nicht sicher, ob von der Umgebung Bozens mehr Umwelt-Gefahr für Bozen-Stadt ausgeht - oder von Bozen-Stadt mehr Umwelt-Gefahr für die Umgebung ausgeht... Luft, Wasser, Abgase, Plastik, Feinstaub, Lärm, Licht, Verkehr, Konsum...

also doch eher bei den Boznern beginnen, und nicht in der Umgebung?

.

Ich bleibe mal bei meinem Grundsatz:
wenn ich vom anderen einfordere, dass er keine chemischen Pflanzenschutzmittel anwendet (weil ich das nicht mag), dann muss ich zuerst bei mir beginnen, und auf Lebens- und Konsummittel, welche mit chemischen Pflanzenschutzmitteln erzeugt worden sind, zu verzichten.

Aber Fattor fordert den Verzicht NUR von den Bauern außerhalb Bozens (die nicht seine Wähler sind), nicht aber auch von den Bürgern IN Bozen (die seine Wähler sind).

Darum ist er für mich unglaubwürdig.

So., 21.04.2024 - 10:37 Permalink
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Profil für Benutzer Christoph Gatscher
Christoph Gatscher So., 21.04.2024 - 11:14

Mache ich alles Peter .
In Bozen leben die Menschen zum Teil gesünder als in denObstwiesen rund um Bozen .
Sehe es ja jeden Tag wieviel und wie gespritzt wird .
Eigentlich müsstest du genau (ich schätze dich als sehr infomiert ein) wissen und verstehen was und wie gesund das Zeug ist .
Wenn nicht , gibt es genügend Lektüre darüber was die Pestizide so alles mit der Umwelt und den Menschen anstellen.
Aber ich denke du gehörst eben der Gruppe der Verteidiger dieser Lobby an .
Auch ich stamme aus der Landwirtschaft , meine Verwandten Bauern waren am Anfang empört über meine Meinung , mittlerweile sind sie sehr nachdenklich und Einsichtig geworden .
Aber bitte komm mir nicht mit Studien von deiner Lobby .

So., 21.04.2024 - 11:14 Permalink
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Salto User
wartl So., 21.04.2024 - 19:41

Das Makabre an den Pestiziden ist, dass sie die Insekten auch schädigen, die andererseits für die Bestäubung der Obstbäume (und vieler anderer Pflanzen) unerlässlich sind. Die Sache ist darüber hinaus ein Interessenskonflikt zwischen den Gemüsebauern, die wegen der Spritznebel ihre Produkte nicht mehr als bio verkaufen können, und den Obstbauern, die im Handel nur äußerlich schöne Ware absetzen können (abgesehen von den Interessen der Lagerhäuser, an den Pestiziden zu verdienen und daher den Ankauf der Äpfel mit dem Verkauf der Spritzmittel junktimieren. Eine derartige Praxis ist mir von einem örtlichen Nebenerwerbsbauern berichtet worden).

So., 21.04.2024 - 19:41 Permalink