Gesellschaft | Kinder- und Jugendanwältin bezieht Position

„Vertrauen wir unseren Kindern und Jugendlichen“

Vera Nicolussi Leck versteht die derzeitig Diskussion rund um das Thema Alkohol nicht. Als Anwältin der Südtiroler Kinder und Jugendlichen meint sie: „Unsere Jugendlichen sind toll. Wir Erwachsene müssen gute Begleiter sein.“
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Foto: neve italia

Ein Südtiroler-Stellungskrieg ist in Gange: hier diejenigen, die sagen, Jugendliche dürfen Grenzen austesten, dort die anderen, die Kontrollfreaks, die eine harte Überwachung fordern. Vera Nicolussi-Leck erklärt: „Alkohol ist eine legale Droge, wichtiger als zu verbieten ist, zu sensibilisieren.“

Frau Nicolussi-Leck, was sagen Sie zur derzeitigen Diskussion, die unsere Jugend zwischen Alkohol und Gewalt positioniert?

Ich schicke mal voraus: Unsere Jugendlichen sind toll und ich bewundere sie für das, was sie alles machen – und sie haben es nicht immer leicht! Wir haben so viele engagierte Jugendliche im Land: Schüler, viele sind in Vereinen tätig, beim Weissen Kreuz. Ich hab heute die Zeitung aufgeschlagen und mich gefragt 'warum fragen wir nicht endlich die Jugendlichen selbst, wie es ihnen geht?'. Es geht doch um sie, wir müssen hinterfragen, was unsere Jugendlichen brauchen. Wir können nicht einfach an Gesetzen und Regeln drehen, die verschärfen und dabei außer Acht lassen worum es eigentlich geht.

Und worum geht es?

Ich stelle klar in Frage, ob es diese Regelung, Jugendlichen Alkohol erst ab 18 auszuschenken, bringt. Dass Regeln wichtig sind, einverstanden. Aber warum versuchen wir nicht den Alkohol unter 16 wirklich zu kontrollieren? Hier ansetzen, sensibilisieren. So ein hartes Vorgehen wie jetzt, das führt doch völlig am Ziel vorbei.

Was meinen Sie damit?

Harte Regeln und Gesetze sind vielleicht kurzfristig eine Möglichkeit schnell etwas durchzubringen, viel wichtiger aber wäre es Jugendliche zu sensibilisieren. Wobei – anfangen müssen wir bei den Eltern. Wenn bis zum Alter von 13, 14 Jahren keine gute Eltern-Kind Beziehung besteht, dann wird es schwierig.

Kinder und Jugendliche brauchen Wurzeln und Flügeln, meinen Sie das?

Wir als Erwachsene müssen die Jugendlichen gut begleiten, ihnen beistehen – von Anfang an. Das bedeutet nicht eine übermäßige Kontrolle. Das ist Fakt und die Hirnforschung belegt es: Jugendliche müssen Grenzen überschreiten dürfen, das gehört zum Jungsein dazu. Das ist normal. Wir können sie nicht vor allen Fehlern schützen, einerseits. Aber anderseits müssen und sollen wir Erwachsene Jugendliche vor Missbrauch bewahren, sie stark machen. Genau hier müssen wir ansetzen. In Gesprächen, nicht mit Verboten und strikten Regeln.

Und was ist, wenn Kinder mit 12 Jahren zum Alkohol greifen, soll es da auch Freiheit geben?

Wie gesagt, ich bin für klare Regeln, kein Alkohol unter 16. Das ist für mich total nachvollziehbar. Aber wir sollen nicht übertreiben. Wenn so junge Menschen zum Alkohol greifen oder gewalttätig werden, dann frage ich mich: Warum? Wie kommen Kinder in diesem Alter an Alkohol heran und wo sind die Eltern? Die Eltern sind ein wesentlicher Partner in der ganzen Diskussion, die müssen gestärkt und unterstützt werden.

Was stellen Sie sich vor?

Wir Erwachsenen müssen genau hinschauen. Alkohol hat es in jeder Generation gegeben, wir sollen jetzt nicht so tun als hätten wir nicht auch mal über die Stränge geschlagen. Die grundlegende Frage ist, und ich setzt mich dazu gerne mit den zuständigen Entscheidungsträgern an einen Tisch: Was brauchen Kinder und Jugendliche? Was brauchen Menschen, die aus anderen Ländern zu uns kommen? Wie können wir gemeinsam gut leben?

Als Mutter von zwei Jugendlichen, 14 und 17 Jahre alt, kann ich nur sagen: Endlich klare Worte, die es genau auf den Punkt bringen. Danke!

Do., 20.06.2013 - 11:14 Permalink
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Eben weil unsere Jugend so wertvoll ist, müssen alle Erwachsenen gemeinsam zu ihrem Schutz handeln. Alkohol ist eine Droge, wird in unserer Gesellschaft durch die Bank verniedlicht (man denke nur an das "Bierl") und hat ohne Zweifel schwerere Auswirkungen auf die Organik des Gehirns als ein Verbot.

Do., 20.06.2013 - 11:15 Permalink

Alles kann zur Droge werden: auch PC- und Handykonsum (von wegen Auswirkungen auf die Gesundheit), sogar übermäßiger Sport, auch Zigaretten natürlich und vieles andere mehr. Ich glaube nicht, dass die Lösung sein kann, dass "wir Erwachsene" den Jugendlichen vorschreiben dürfen/sollen, was "gut" und was "böse" ist. Wie sollen sie denn langsam hineinwachsen in die "neuen" Grenzen? Nur weil man auf einmal 18 und "offiziell erwachsen" ist, heißt das noch lange nicht, dass man plötzlich vernünftig mit den "gefährlichen" Dingen umgehen kann. Das kann nur langsam, Schritt für Schritt, begleitet, und wo auch Fehler gemacht werden dürfen, passieren - finde ich.

Do., 20.06.2013 - 11:21 Permalink

Mich verwundert, wie bald alle das Heil in Verboten und im Polizeistaat suchen. Jugendlichen (Mädchen) wird mit 14 zugestanden, dass sie frei ihren Sexpartner wählen (Burschen mit 16). Mit 14 dürfen sie schon ein Leichtmotorrad fahren. Zwischen 14 und 16 entscheiden sie sich für einem Beruf oder einen Ausbildungsweg. Mit 16 dürfen sie Motorrad fahren, den entsprechenden Führerschein machen (in einigen Ländern sogar schon Autos). Man möchte sie zur Wahl zu lassen. Aber die Verantwortung selbst tragen, ob sie ein Bier trinken, das sollen sie nicht! Wohl ein großer Widerspruch! Oder? In dieser Materie unterstütze ich die Jugendarbeiter, die sagen, die Jugendlichen müssen lernen, maßvoll zu konsumieren und die Verantwortung zu übernehmen.

Do., 20.06.2013 - 13:43 Permalink
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Hoffentlich hat unsere Jugendanwältin heute das Frühstück im Ö3 gehört, oder sonst Gelegenheit das Buch von Bernhard Heinzlmaier Performer, Styler, Egoisten" zu lesen. Wenn man nämlich das positive Denken und die Blauäugigkeit überwindet, kann man der Jugend wirklich helfen, meine ich, Heinzlmaier ist da skeptischer!

So., 23.06.2013 - 11:06 Permalink
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Vielleicht hat unsere Kinder- und Jugendanwältin die Möglichkeit, die Sendung von Scobel über Genuss und Sucht anzusehen (3sat 27.06.). Die Univ Prof.Psychiaterin Gabriele Fischer, Leiterin der Drogenambulanz in Wien erklärt darin ausführlich die gefährliche Entwicklung.

Do., 27.06.2013 - 22:06 Permalink